What's The Furthest Place From Here? - Band Eins (Hardcover)
- Skinless Crow
- Erschienen: November 2024
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Apunkalypse Now
AGAINST ME! - “I Was A Teenage Anarchist” (2010)
Die Welt hat schon bessere Tage gesehen. Das trifft wohl vollumfänglich auch auf unsere zu, aber die Jungs und Mädels in „What’s The Furthest Place From Here?“ können ebenfalls ein Liedchen davon trällern. Das Überleben in der Post-Apokalypse gestaltet sich nämlich als äußerst schwierig, wo an jeder nächsten Ecke Gefahr lauert und das kurze Leben schneller zu Ende sein kann, als man ein erstauntes „Was zum §!$%“ über die Lippen bringt…
Die Städte in der nicht näher definierten Zukunft sind weitestgehend zerstört, aber nicht unbewohnt. Gruppen von Kindern und Teenagern haben sich in sogenannten „Familien“ zusammengerottet. Dabei definieren sie sich höchst kreativ und folgen eigens ausgewählten Lebensweisen. Soll heißen, sie machen ihre eigenen Regeln. Die Familie um Alabama, Prufrock, Oberon, Sid, Mallory, Lafayette, Poly, Ari, Marky, Layla und Slug hat sich dem Punk verschrieben. In einem Plattenladen in ihrem Revier haben sich die Mitglieder der Akademie, so der Name ihrer „Familie“, sozusagen den Soundtrack ihres Lebens ausgesucht. Eine Platte für jeden, die die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. Aber es gibt auch Gesetze unter den „Familien“. So hat jede Gruppe ihre eigenen Territorien, deren Grenzen von den anderen nie übertreten werden dürfen. Sollte es doch dazu kommen, herrscht regelrecht Krieg.
Als Slug, ein Familienmitglied, welches die Gruppe eigentlich schon abgeschrieben hatte, plötzlich wieder vor der Tür steht, kommt ordentlich Dynamik ins Tagesgeschehen. Schwer verletzt, vertraut er der hochschwangeren Sid ein Geheimnis an. Ein gepfefferter Straßenkampf mit einigen rivalisierenden Kids unterbricht jedoch den ruhigen Moment. Als man geschlossen wieder in den sicheren Unterschlupf zurückkehrt, fehlt von Slug jede Spur. Komisch…, denn Sid hätte schwören können, dass er nicht mehr atmete.
Nichtsdestotrotz wird eine Trauerfeier für den vermeintlich Verstorbenen abgehalten. Dem alkoholreichen Leichenschmaus entzieht sich Sid und verkrümelt sich aufs Dach, auf dem eigentlich Oberon Wache halten sollte. Einige Hochprozentige haben für ihn aber einen morgendlichen Kater geplant. So bleibt Sid allein zurück…
Am nächsten Morgen ist sie jedoch verschwunden. Auf dem Dach findet sich lediglich eine Blutlache… und ein zerbrochenes Messer. Was ist hier passiert? Die Akademie muss sich aufmachen, um ihr verlorenes Familienmitglied zu finden… falls Sid überhaupt noch lebt.
SHAM 69 - „If the Kids Are United“ (1978)
Dieser Comic ist strange…, aber ich mag strange. Und ich mag postapokalyptische Szenarien…, schließlich wohne ich selber in einem (größere Stadt im Ruhrgebiet, fragt nicht). „What’s The Furthest Place From Here?“ erklärt zu Beginn recht wenig. Eigentlich überhaupt nichts, sondern wirft Euch als Leser gleich mitten ins Geschehen. Das Wie oder Warum wird nicht geklärt. Nimmt man das erstmal so hin, muss man noch die Namens-Hürde überspringen, denn wir bekommen es gleich mit einer ordentlichen Anzahl an Protagonisten und Protagonistinnen zu tun. Das wird aber ziemlich gut gelöst, da ich ziemlich jeder Konversation die Namen der Akteure genannt werden. Irgendwann hat man alle drauf und kann sich voll auf die Story konzentrieren. Diese entwickelt sich recht schnell, auch wenn die Art der Erzählung recht ungewöhnlich ausfällt. Innerhalb mehrerer Akte ist die Geschichte in zahlreiche Kapitel unterteilt. Manche mehrere Seiten lang, manche sogar nur eine. Quasi bei jedem Szenenwechsel. Daran muss man sich gewöhnen, kann die kurze Zeit aber gut zum Reflektieren nutzen. Denn, wie gesagt, die Story erklärt Euch nicht zu Beginn das ganze Setting, sondern entfaltet sich Stück für Stück. Das kann man, wie ich, mögen, setzt aber voraus, dass man einer eher unüblichen Erzählweise offen gegenübersteht.
PENNYWISE - „Bro Hymn“ (1991)
Gerade bei der Charakterisierung der Figuren beweist Autor Matthew Rosenberg enormes Fingerspitzengefühl. Jede hat ihre Eigenheiten, fügt sich aber auf ihre individuelle Art und Weise perfekt in die Gruppe ein. Natürlich gibt es Reibereien und Grabenkämpfe, denn der rebellische Punk-Geist wird sehr gut rübergebracht. Genau da liegt die Stärke in „What’s The Furthest Place From Here?“ (einem Titel, bei dem man sich als Deutschsprachiger ja fast die Zunge bricht… wenn man das hier mal sagen darf!). Wenn die Kids nach einer durchzechten Nacht verkatert aufwachen, kann man den pochenden Schmerz hinter der Stirn fast fühlen. In den Dialogen hat Rosenberg, der bislang sowohl Creator-Owned-Comics schrieb als auch für MARVEL, DC oder ARCHIE COMICS arbeitete, ein gutes Gefühl für Timing. Im Zusammenspiel der Figuren kommt es nicht selten vor, dass Konflikte entstehen und ein Wort das andere ergibt. Beinahe nebensächlich entsteht so Tiefe und der Autor verleiht dieser Generation Lost Form. Während die Reihe in den Staaten mit mehr als 20 Ausgaben aktuell noch läuft, kommt dort Ende März 2025 Rosenbergs neuster Comic „We're Taking Everyone Down With Us“ als sechsteilige Mini-Serie über IMAGE heraus.
Die Zusammenarbeit mit dem Zeichner Tyler Boss erweist sich bei „What’s The Furthest Place From Here?“ erneut als Glücksgriff. Ihr erstes gemeinsames Projekt „4 Kids Walk Into a Bank“, ein schwarzhumoriger Heist-Comic von BLACK MASK STUDIOS, wird gerade mit Liam Neeson verfilmt. Die Bilder von Boss fokussieren sich hauptsächlich auf die Charaktere, was sich als sehr gute Herangehensweise herausstellt. Die apokalyptische Welt um sie herum rückt nur selten in den Mittelpunkt und sollte man als gegeben hinnehmen. Dreh- und Angelpunkte sind die Konflikte untereinander, was Boss sehr schön einfängt. Entsprechend halten sich die Farben zurück, bis ein Wechsel der Örtlichkeiten erlaubt, die Farbpalette knallig zu erweitern. Aber da will ich nicht vorgreifen.
Die deutschsprachige Ausgabe des ersten Sammelbands kommt von SKINLESS CROW als hochwertiges Hardcover mit Spotlack-Veredelungen auf dem Frontmotiv. Diese sammelwürdige Edition ist auf 333 Exemplare limitiert und umfasst die ersten sechs US-Ausgaben auf 272 Seiten (inklusive Abbildungen der US-Variant-Cover). Für einen schmaleren Geldbeutel ist der Band auch als Softcover erhältlich, allerdings ebenfalls limitiert.
Fazit / THE REPLACEMENTS - „Color Me Impressed“ (1983):
„What’s The Furthest Place From Here?“ ist einer dieser Comics, die Euch entweder nach kurzer Zeit komplett ins Geschehen ziehen oder Euch gleich die Tür vor der Nase zuschlagen. Ähnlich einem Song, dessen erste Töne schön dafür sorgen, dass man mit dem Fuß unweigerlich im Takt mitwippt. Lässt man sich darauf ein, folgt eine oft schräge Reise durch eine raue, unwirtliche Welt, deren Charaktere unglaublich gut geschrieben sind.
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Matthew Rosenberg, Tyler Boss, Skinless Crow
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