Text:   Zeichner: Rina Jost

WEG

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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonMär 2024

Story

Neun herzförmige Punkte für Rina Josts mutiges Debüt, in dem sie aus ihrem eigenen Umfeld berichtet.

Zeichnung

Die Verschmelzung mit Fantasy-Elementen lässt den ernsten Hintergrund zu einer gigantischen kreativen Spielwiese werden. Der recht simple Zeichenstil holt in fast schon kafkaesken Momenten noch Einiges raus.

Flutsch und WEG?

Psyche auf AbWEGen

Sybil hat Probleme. Sie befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation, kommt nicht mehr aus ihrem Zimmer und hat sich nicht nur emotional eingeigelt. Von ihrer eigenen Familie gefühlt kilometerweit und durch endlos tiefe Gräben entfernt, obwohl sie räumlich gesehen alle unter einem Dach wohnen. Sybils besorgniserregender Zustand nagt nicht nur an den hilflos erscheinenden Eltern, sondern auch an ihrer Schwester Malin.

Abgeschottet in ihrem Zimmer, verwandelt sich die zusammengekauerte Sybil eines Tages in einen Stein und versinkt abrupt in ihrer sich verflüssigenden Matratze. Verschluckt von ihren trostlosen Gedanken, aufgesaugt von der Depression, ist sie einfach… WEG.

Malin, die sich große Sorgen um ihre Schwester macht, nimmt die Verfolgung auf. Zuerst zögerlich, hat sie doch nicht den blassesten Schimmer, was sie erwartet. Zum Glück hat sie ihren treuen Hund Wilma an ihrer Seite. Als die andere Seite sie regelrecht ausspuckt und Malin sich nach der Landung auf dem harten Boden den Tatsachen stellen muss, findet sie sich in einer komplett andersartigen Welt wieder. Trüb, gar finster… und überaus phantastisch.

Hier treffen Malin und Wilma auf zahlreiche Gesprächspartner, die ihnen etwas bei der Orientierung in der Fremde helfen könnten. Aber auch auf unglaubliche Kreaturen. Manche von ihnen friedvoll, andere sind eher mit Vorsicht zu genießen. Doch Malin gibt nicht auf, immerhin hat sie sich zum Ziel gesetzt, Sybil auf ihrer Mission wieder in die Realität zu holen. Vor ihr liegt kein einfacher WEG…

Der WEG heraus

Eingepackt in eine klassische Heldenreise, erzählt die Schweizer Illustratorin Rina Jost in ihrem Comic-Debüt autobiographisch aus der Sicht einer Angehörigen. In einem einfachen und klar zu folgenden Stil, visualisiert sie Depressionen. Eine schwere Aufgabe, fällt Betroffenen doch schon die bloße Beschreibung ihrer Gefühlswelt nicht gerade einfach. Wie erklärt man jemandem die bleierne Schwere, den ins Getriebe geworfenen Stock oder das taube Gefühl, welches sich in einem erdrückenden Schleier um jeglichen Anflug eines freudigen Gedankens schmiegt? Schwer bis überhaupt nicht, so viel kann ich leider aus eigener Erfahrung berichten.

Ja, die Akzeptanz dieser Krankheit - denn das ist sie unumstritten - scheint dank prominenter Sprecher wie Torsten Sträter, Kurt Krömer oder internationaler Stars aus Film, Fernsehen und Musik-Business immer weiter zu wachsen, doch wenn irgendwelche dahergelaufene Trash- und Influencer-Gestalten geradezu inflationär psychische Erkrankungsbilder darauf übertragen, dass ihnen lediglich ein Furz quersitzt, erweisen sie dem Mut der öffentlichen Redner einen echten Bärendienst… und verpassen Erkrankten eine schallende Ohrfeige. So hat eine lebensferne Tussi den „größten Nervenzusammenbruch ever“, als sie erfährt, dass ihr in einem Job lediglich dreißig Tage im Jahr Urlaub zustehen (ging durch sämtliche Medien), während eine gepimpte Dschungel-Eule eine „Panikattacke“ hatte, nachdem irgendein Insekten-Gedöns sie beim Gang auf den Donnerbalken beobachtete. Leute, HABT mal einen Nervenzusammenbruch oder eine Panikattacke - was ich echt niemandem wünsche -, dann unterhalten wir uns noch mal über vergleichsweise Nichtigkeiten. Und GANZ WICHTIG: Depressionen sind weder eine Sackgasse noch eine Einbahnstraße. Es gibt Wege hinaus… auch hier darf ich - sowohl als Angehöriger als auch Betroffener - aus Erfahrung sprechen.

Dankenswerterweise finden Betroffene und Angehörige von Betroffenen im Anhang des Buches unterschiedliche Anlaufstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ferner führt ein QR-Code auf die Seite von EDITION MODERNE, wo interessierte Leserinnen und Leser auf dreizehn Seiten Zusatzmaterial zum Thema finden können. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, das Material als PDF-Datei gratis herunterzuladen.

Fazit:

Für ihren Comic-Erstling hat Rina Jost sich gleich einen schweren Brocken auf die Schultern geladen. Ein gesellschaftlich wichtiges Thema, dem sie Elemente der abenteuerlichen Phantastik entgegenstellt. Und das funktioniert hervorragend! Sind die Zeichnungen nicht unbedingt aufwendig, gleicht Rina Jost das spielend mit ihrer Kreativität wieder aus. Ideenreich, clever, humorvoll und tiefgründig. Das liest man nicht mal so nebenbei WEG…

WEG

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