Vanish - Band Eins (Hardcover)

Wenn der Heimweg mal wieder länger dauert…

…war entweder das letzte Bierchen schlecht, ist die böse, böse Uhr stehengeblieben oder es liegt einfach daran, dass man Wege nicht durch dunkle Gassen abkürzen sollte. Das merkt auch Oliver Harrison, der gerade seinen morgigen Kater und den Zeitplan für den täglichen exzessiven Medikamentenmissbrauch plant. Zwei Typen schlagen ihn von hinten brutal nieder und filzen seine Geldbörse, als unerwartete Hilfe eintrifft. Ein Superheld, der sich selbst Battle Rocket nennt, vermacht die beiden Asis nach allen Regeln der blutigen Künste. Nur… Hilfe hätte Oliver überhaupt nicht gebraucht, denn er verfügt selbst über spezielle Kräfte…

„Als die Welt brannte. Als wir alles… verloren.“

Oliver kommt nämlich aus der Parallelwelt Everkeep. Das Reich der Magie, wohin ihn seine Eltern im zarten Alter von drei Jahren brachten. Dort lernte er in einer harten Schule die Zauberkünste. Gebrandmarkt mit dem Symbol des Hauses, welches sie im Gefahrenfall warnen soll, wurden die Kinder schon früh auf den bevorstehenden Krieg vorbereitet. Eher militärisches Bootcamp als Schule, denn sie sollten gegen den gnadenlosen Baron Vanish und seine Anhänger, die Hollows, gewappnet sein. Als Oliver vierzehn war, kam der große Tag. Vanish und die Hollows überrannten die Magier regelrecht und töteten tausende von ihnen. Darunter auch Olivers Eltern. Von Hass und Rachedurst getrieben, stellte der Junge sich dem übermächtigen Baron entgegen. Dieser nahm sein Gegenüber nicht ernst, war doch keine Magie dazu im Stande, Vanish etwas anzuhaben. Magie brauchte Oliver auch gar nicht, lediglich einen Gegenstand aus der Menschenwelt…, mit dem er dem Arschloch eine Kugel direkt zwischen die verdammten Augen blies.

Die restlichen Hollows flüchteten, nun, da ihr Anführer nicht mehr war. Und Oliver? Der kehrte Everkeep den Rücken. Mit dem quälenden Gedanken, dass er die verschissene Brut nicht komplett ausrotten konnte. Jetzt führt er ein – mehr oder weniger – normales Durchschnittsleben. Seine Kindheitsfreundin Elynor hat Oliver geheiratet. Und auch Dustin, sein bester Freund, lebt nun unter den sogenannten „Bürgern“, wo er sich mit einer Zaubershow als Deacon Dust über Wasser hält. Die Vergangenheit lässt sich aber nur schwer abschütteln… selbst mit viel Alkohol und Medikamenten-Cocktails, die jeden Normalsterblichen schon längst aus dem Leben geschossen hätten.

Lebenswandel

Kommen wir nun noch mal zu unserer Ausgangslage in der Gasse zurück, und zu dem Punkt, an dem Oliver keine Hilfe gebraucht hätte. Er hätte sich nicht nur nicht gebraucht, sondern lieber dem Teufel den brennenden Arsch geleckt, bevor er sie angenommen hätte. In der Nähe von Battle Rocket fängt sein Mal regelrecht Feuer, denn hinter der vermeintlichen Heldenmaske verbirgt sich ein Gesicht aus der Vergangenheit. Battle Rocket ist ein Hollow… und Oliver dazu noch wohlbekannt. Als er erfährt, dass er Teil eines Superhelden-Teams ist, welches sich erst kürzlich in der Stadt formiert hat, ist sein Durst auf Rache gleich wieder voll da. Scheint so, als bekäme jeder „Superheld“ das, was ihm nach dem ungeschriebenen Helden-Gesetz zusteht… einen von Hass durchtriebenen Superschurken.

90’s-Flashback!

„Vanish“ stammt vom Erfolgsteam Donny Cates („Crossover“, „God Country“, „King in Black“) und Ryan Stegman („She-Hulk“, „Wolverine“, „Venom“). Gemeinsam gründeten sie 2021 das Independent-Imprint KLC PRESS (KLC = Kids Love Chains, was auf den IMAGE-Mitbegründer Todd McFarlane zurückgeht, welcher in einem Live-Drawing mal meinte, dass jeder Superheld Ketten haben sollte, da die Kids das lieben). Für ihr gemeinsames Creator-Owned-Projekt „Vanish“ holten sie sich noch JP Mayer (Tusche), Sonia Oback (Farben) und John C. Hill (Lettering) ins Boot, während die Vorzeichnungen von Stegman selbst stammen. Angeboten wurde „Vanish“ zuerst über die Plattform SUBSTACK, die zahlenden Abonnenten Content via Newsletter zustellt. Ein recht neues Vertriebsmodell, welches mittlerweile einige Kreative unabhängig nutzen.

Für die gedruckte Veröffentlichung zeichnet sich in den Staaten hingegen IMAGE verantwortlich. Kein Wunder, erinnert „Vanish“ mit seiner finsteren Antihelden-Action doch sehr an das Publisher-Aushängeschild „Spawn“ (in Deutschland bei PANINI), aus der Feder von McFarlane höchstpersönlich. Die Hochzeit der Indie-Superhelden – außerdem geprägt von Erik Larsens „Savage Dragon“ (erscheint aktuell als deutsche Erstveröffentlichung bei ZAUBERSTERN im Magazin-Format!), Jim Lees „WildCATS“, „Youngblood“ vom „Deadpool“-Schöpfer Rob Liefeld, Sam Keiths „The Maxx“ oder auch Jim Valentinos „ShadowHawk“ –, in der den Helden von MARVEL und DC kurzzeitig die Puste auszugehen drohte.

Superhelden-Debüt

Die Rechte für den deutschsprachigen Markt hat sich der Verlag SKINLESS CROW aus der Schweiz gesichert. Damit ist „Vanish“ der erste Superhelden-Comic in der noch jungen Verlagsgeschichte. Bunte Strahlemänner sucht man hier aber vergebens, denn es geht – wie schon angedeutet – sehr rabiat zu. Das passt schon eher zu SKINLESS CROW, denn im Umfeld von Titeln wie „Nailbiter“, „Harrow County“ und der Schlachtplatte „Red Room“ dürfte sich „Vanish“ ziemlich wohlfühlen.

Wer es optisch düster, hart und ziemlich geil gezeichnet mag, aber auch eine ziemlich ungewöhnliche wie ernste Antihelden-Story zu schätzen weiß, ist mit dem ersten Band sehr, sehr gut beraten!

Neben einem schönen Hardcover (limitiert auf 222 Exemplare) hat der Verlag eine kostengünstigere Softcover-Auflage (limitiert auf 444 Exemplare) herausgebracht. Im Anhang findet sich noch eine coole Cover-Galerie der US-Einzelhefte.

Fazit:

Ich mochte es sehr, wie die Story sich nach dem trostlos-düsteren Opening entfaltete. Schurken, die sich als Helden ausgeben, und ein ungewollter Antiheld mit (nachvollziehbaren!) Rachegelüsten, der sich freiwillig in die Schurkenrolle begibt… klar! Wieso nicht?! Bitte schnell Band 2 nachlegen!