Roy, das Zahlengenie
Roy Disney, Bruder des weltberühmten Walt Disney, war bis zu seinem Tod für finanzielle Fragen verantwortlich. In „The Moneyman – Die Geschichte von Roy und Walt Disney“ erzählt „Moneyman“ Roy – Moneyman ist eine herabsetzende Bezeichnung in Hollywood für die für die Finanzierung von Filmen zuständigen Personen –, wie er und sein Bruder Walt seine Liebe zum Zeichnen zu einem Mega-Imperium verwandelt und Disney zum Synonym von Animations- und Zeichentrickfilmen gemacht haben. Angefangen von ihrer Kindheit über die harten Zeiten in zwei Weltkriegen und einer weltumfassenden Depression bis hin zu Walt Disneys Tod und der Eröffnung von Disney World in Florida.
Erzähl uns eine Geschichte, Onkel Roy
Autor Alessio de Santa und Zeichner Lorenzo Magalotti rahmen die Geschichte der beiden Brüder in eine übergeordnete Story ein: Roy fängt an, einer zufälligen Bekanntschaft von seinem Leben zu erzählen während er darauf wartet, dass sein Hotelzimmer für ihn bereit ist. Die Gespräche umspannen anderthalb Tage, bis zu dem Moment, an dem Roy den frisch gebauten Disney World-Themenpark in Orlando, Florida, eröffnet. Ich verstehe diesen Kunstgriff, die Story in einen Kontext setzen zu wollen und die Erzählweise schafft es vor allem am Ende, einen schönen Bogen zu spannen. Doch die Gespräche wirken etwas unwahrscheinlich und unrealistisch. Warum sollte ein Mann, der in der Geschichte und im Abspann als introvertiert dargestellt wird, so offen mit einer vollkommen unbekannten Frau über sein gesamtes Leben reden – samt unschönen Seiten?
Denn diese werden, zum Glück, auch aufgegriffen. Walts egoistische Art, der Kampf des Unternehmens mit den Gewerkschaften oder das Treffen der Disney-Brüder mit dem italienischen Diktator Mussolini - all das wird in „The Moneyman“ thematisiert. Am Ende des Comics ist eine Art Essay hinzugefügt, in der der Autor über seine Recherche und generell die Arbeit an seinem Werk erzählt. Das hat im Nachhinein die Lektüre ein Stück weit bereichert, denn viele meiner Kritiken wurden aufgenommen und haben sich zum Teil aufgelöst. Das ist zwar ein netter Pluspunkt, aber wenn man erst ein Essay schreiben muss, um seine Geschichte zu rechtfertigen, ist das doch auch ein bisschen geschummelt, oder?
Mickey, Schneewittchen und Co.?
Was ich aber sehr schön finde, ist der Fokus auf den eher unbekannteren der beiden Brüder, Roy. Durch seine Sicht auf die Dinge wurde viel vom Mythos Disney entmystifiziert. Walt bleibt zwar das Genie, das viele innovative Ideen hatte und diese mit eisernem Willen verfolgt hat. Aber weil man die Ereignisse aus der Sicht des Moneyman Roy sieht, bleibt man auf den Boden. Denn Disney war nicht immer das milliardenschwere Unternehmen, das es heute ist. De Santa und Magalotti erzählen vom gebraucht gekauften Equipment, von den Geldsorgen während und kurz nach dem zweiten Weltkrieg und von den Problemen mit der Bank of America, denen die Brüder über vier Millionen Dollar schuldeten - Inflation nicht mitberechnet.
Obwohl nicht Walt in „The Moneyman“ die Hauptfigur ist, erlebt man trotzdem, wie seine berühmtesten Figuren Oswald, Mickey und Schneewittchen entstehen. Diese sind aber nur „Platzhalter“, denn das eigentlich herausragende und besondere an ihnen ist, wie Disney durch sie Innovationen im Film schaffte. Vom Stumm- zum Tonfilm, von schwarz-weiß zu Technicolor, vom Kurz- zum ersten Zeichentricklangfilm. Obwohl ich mir als Disney-Fan erst gewünscht hatte, die Inspirationsquellen hinter diesen klassischen Figuren zu erfahren, wurde ich eines Besseren belehrt. Denn das eigentlich Interessante an Disney und seinen Filmen ist tatsächlich, wie sehr sie die Filmlandschaft – und so auch Hollywood – geprägt haben und bis heute beeinflussen.
Das wäre bei Disney aber nicht durchgekommen…
Ein anderer Kunstgriff, der zwar zur Story passt, aber mir nicht so gefallen hat, ist die Kolorierung. Gegenwart in bunt, die Vergangenheit in Sepia – wie oft hat man das denn schon gesehen? Das tut zwar nicht weh, innovativ – wie Disney es war – ist das aber ganz sicherlich nicht. Dafür sind die Zeichnungen ganz süß gemacht und erinnern ein bisschen an die Filme von Disney selbst. Die Figuren haben weiche Züge und Nase und Wangen haben alle eine gesunde Färbung.
Eine Sache, die aber bei Disney, dem Kontrollfreak und Perfektionisten, nicht untergekommen wäre, ist die Verarbeitung. Einige Textpassagen gehen über die Sprechblase, an einer Stelle heißt Mickey Maus auf einmal „Mickey Mase“ und in einem Panel wiederholt sich der Text in zwei Sprechblasen, sodass der Dialog an dieser Stelle kein Sinn macht. Das ist echt Schade, da solche Fehler sehr stören und eigentlich vermeidbar sind.
Fazit:
„The Moneyman – Die Geschichte von Roy und Walt Disney“ erzählt die Geschichte des Mythos Walt Disney aus einer neuen Perspektive, die sowohl entmystifiziert, aber dennoch fasziniert. Die Bilder von Lorenzo Magalotti passen gut zu dem, was man mit Disneyfilmen verbindet. Aber abgenutzte Erzählformen – sowohl auf sprachlicher als auch auf visueller Ebene – wollen nicht so sehr ins Bild des Innovationsgeistes von Walt Disney passen. Außerdem haben mich die Druckfehler schon etwas geärgert.
Alessio de Santa, Filippo Zambello, Lorenzo Magalotti, Knesebeck
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