The End
- Schreiber & Leser
- Erschienen: Juni 2020
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„Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.“ - Charles Darwin [1809 – 1882]; britischer Naturforscher
„Can you picture what will be? So limitless and free?“ *
- Jim Morrison [1943 – 1971]; (THE DOORS) in „The End“ (1967)
Bäume können sprechen. Und das tun sie nicht nur in „Der Herr der Ringe“, „Pocahontas“, „Sieben Minuten nach Mitternacht“ oder „Guardians of the Galaxy“… wobei „Ich bin Groooooooot“ jetzt auch nur mit viel Wohlwollen wirklich „Sprechen“ ist. Und eigentlich trifft „Kommunizieren“ es eh besser. Bäume kommunizieren untereinander. Zu dieser Feststellung ist Professor Richard Frawley gekommen, der im schwedischen Naturreservat Dokslå seine Forschungen betreibt.
Davon weiß der junge Student Theodor Fiato noch nichts, als er seine Praktikumsstelle in der beinahe unberührten Wildnis antritt. Als Moon, die Assistentin des Professors, diesem dem neuen Mitarbeiter präsentiert, hält Frawley auch nicht lange mit seinen Theorien hinterm Berg. Dafür unterbricht er sogar eine seiner geliebten „The Doors“-Sessions, mit denen er regelmäßig das überschaubare Personal beschallt. Bäume kommunizieren. Nicht nur untereinander, sondern auch mit den Menschen. Aber das Spiel wird nach ihren Regeln gespielt. Sie geben nur das Preis, was die Menschheit auch wissen soll. Um dies zu messen, sind mehrere Sensoren im Wald verteilt, die atmosphärische Veränderungen in der nähe der „sprechenden“ Bäume auswerten. Die Wartung dieser Geräte soll in Theodors Aufgabenbereich fallen.
Bäume passen sich an. Den äußeren Gegebenheiten. Und sie reagieren. Der Professor erklärt, dass man sich ihnen mit freundlichen Absichten nähern soll. Bei feindlicher Gesinnung, stoßen die Bäume für die Forschung wichtige Informationen ab. Entweder durch die Luft oder das umfangreiche Wurzelnetz. Somit würden sie über eine Art Bewusstsein verfügen. Stets in der Lage, eigenmächtig zu entscheiden, was sie wann und wo preisgeben wollen.
Die Grundlage von Professor Frawleys Arbeit, dem Pionier auf dem Gebiet der Paläobotanik, beruht auf der Untersuchung eines prähistorischen Ahornblatts, das 100.000 Jahre in einem Gletscher konserviert wurde. Frawley sequenzierte einst die DNA des Blattes und fand heraus, dass es Informationen enthielt, die 4,5 Millionen Jahre alt sind. Die Geschichte der Erde, weitergegeben und gespeichert in der Natur. Und laut des Professors, ist dieser entdeckte Kodex in allen Bäumen enthalten. Nachweisen ließ sich dies bisher nicht, da die Bäume sich gegen eine Offenlegung sträuben. Sie entscheiden, was der Mensch wissen darf, und was nicht. Alle bisherigen Versuche, der Natur das Erd-Tagebuch zu entlocken, schlugen fehl…
Eine faszinierende Theorie, die auch Theodor Fiato neugierig macht. Bei einem seiner ersten Ausflüge in den Wald, fallen dem Praktikanten merkwürdige Pilze auf, die wie… ja, Pilze aus dem Boden sprießen. Eine seltsame Art, die er bisher noch nie gesehen hat. Und dies nicht nur an einer Stelle. Hat etwa die angrenzende Forschungseinrichtung Pharmacorp etwas damit zu tun? Dem ehemaligen Aktivisten Theodor schwant böses und er verrennt sich darin, dem Konzern auf den Zahn zu fühlen.
„Of our elaborate plans, the end. Of everything that stands, the end.“ **
- Jim Morrison [1943 – 1971]; (THE DOORS) in „The End“ (1967)
„The End“ regt durchaus zum Nachdenken an. In einer Zeit, in der man dem lange vernachlässigten, politisch irgendwie aus den Augen verlorenen Schutz unserer Umwelt nicht mehr ausweichen kann. Mal friedlich, mal radikaler und ja, auch mal penetrant, besserwisserisch und nervend wird demonstriert, informiert und lauthals protestiert. Jedoch stets medienwirksam in Szene gesetzt. Die Art und Weise, wie dies aktivistisch umgesetzt wird, mag man so oder so sehen. Fakt ist aber, dass dieses Thema jeden von uns angeht. Ignorieren und Augen verschließen hilft hier nicht. So fängt „The End“ auch direkt mit dem Holzhammer an und zeigt, wie in den spanischen Pyrenäen nicht nur zwei wandernde Touristen plötzlich leblos zusammenbrechen, sondern auch ein angrenzendes Dorf bis auf ein Mindestmaß dezimiert wird. Neue Einwohnerzahl: Null.
Autor und Zeichner Zep trifft dabei den Nerv der Lage und präsentiert „The End“ zu einem Zeitpunkt, an dem die Graphic Novel wohl am meisten Gehör findet. Aber auch ohne den desaströsen Zustand, in dem sich unsere Welt befindet, wäre ihm ein verdammt gutes, brisantes und spannendes Werk gelungen. Lediglich die Wendung im letzten Drittel kam mir zu abrupt. Beziehungsweise wurde dem Handlungsteil, der noch mal alles auf den Kopf stellt, zu wenig Zeit eingeräumt.
Erd- und eintönig
Farblich geht Zep hier reichlich reduziert zu Werke. Überraschend ist, dass dies überhaupt nicht stört. Meist wird eine ganze Seite in Abstufungen des gleichen Farbtons getaucht. Nur in den seltensten Fällen gibt es zwei Farben. Aber niemals innerhalb eines Panels. Die Kolorierung ist dabei sehr zurückhaltend, was die Farbintensität angeht. Die Charaktere sind sehr fein und realitätsnah gezeichnet. In der Gesamtheit auf hohem Niveau, auch was Gestik und Mimik angeht.
Im Anhand des großformatigen Hardcovers gibt es noch eine kleine Vorschau auf „Paris 2119“, welches von Zep geschrieben und seinem Kollegen Dominique Bertail künstlerisch umgesetzt wurde. Die Science-Fiction-Dystopie ist, ebenso wie „The End“ bei Schreiber & Leser erschienen.
Fazit:
Der richtige Comic zur richtigen Zeit. „The End“ ist spannend, schnell einnehmend und vor allem eines: erschreckend nah an der Realität. Wer sagt uns, dass die Natur sich nicht länger auf der Nase rumtanzen lässt und irgendwann zum Rundumschlag ausholt? Wir tun ja alles dafür, dass sie irgendwann mal den Kanal voll hat. Wäre ja nicht das erste Mal… fragt mal die Dinosaurier.
* „Kannst du dir vorstellen, was sein wird? So grenzenlos und frei?“
** „Von unseren ausgefeilten Plänen, das Ende. Von allem, das besteht, das Ende.“
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