Text:   Zeichner: Igor Kordej

Texas Kid, mein Bruder

  • Avant
  • Erschienen: September 2024
  • 0
Texas Kid, mein Bruder
Texas Kid, mein Bruder
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Marcel Scharrenbroich
7101

Comic-Couch Rezension vonJan 2025

Story

Starker Anfang und durchaus interessante Ansätze. Im späteren Verlauf verirrt sich Autor Kordej aber im wenig aufschlussreichen Szenario.

Zeichnung

Sehr schöne Tusche-Zeichnungen, die viel Abwechslung bieten und toll schattiert sind.

Ein Vater-Sohn-Metacomic

Der größte Comic-Held aller Zeiten heißt…

Nun, darüber ließe sich streiten. Für die einen sind es problembehaftete Superhelden, für andere wiederum schneidige Ritter, wilde Barbaren, intergalaktische Weltenretter oder Cowboys, die schneller als ihr Schatten ziehen. Reden wir über die erfolgreichsten Comics, kommen wir nicht an Disneys Micky Maus, Superman, Batman, Spider-Man, den X-Men, Tim und Struppi, Asterix, dem Cartoon-Dauerbrenner Peanuts oder den Manga-Überfliegern One Piece, Naruto und Dragon Ball vorbei. In der metafiktionalen Welt, die uns Igor Kordej und Darko Macan hier präsentieren, kann die Antwort aber nur TEXAS KID lauten.

Erdacht vom Altmeister Tomislav Brandt, der dutzende Bücher über seinen Western-Helden schrieb und zeichnete. Seit nunmehr 50 Jahren feiert sein Comic-Held enorme Erfolge. Keine Frage, dass dieses große Jubiläum gebührend gefeiert wird. Brandt gibt Interviews, steht auf Bühnen und legt eine große Show hin. Still beobachtet von seinem Sohn Radovan, der selbst Comic-Zeichner ist, jedoch schon seit Anbeginn seiner Karriere im Schatten seines berühmten Vaters steht. Erfolge konnte Radovan ebenfalls schon verbuchen, fühlt sich aber stets als „Sohn von“… was sein herrischer Vater ihn von frühauf spüren ließ. Im Rahmen der Feierlichkeiten geschieht dann etwas äußerst Mysteriöses… denn plötzlich steht TEXAS KID höchstpersönlich vor der Tür.

Traum und Albtraum

Radovan ist zuerst überzeugt, dass es sich um einen gut gecasteten Schauspieler handelt, der für die jubelnde Menge Kunststückchen auf dem Pferd und mit seinen silbernen Revolvern vollführt. So MUSS es sein, denn was wäre die Alternative? Dass die fiktive Figur, die Tomislav Brandt immer näherstand als der leibliche Sohn, urplötzlich zum Leben erwacht ist und nun mit breitem Zahnpasta-Lächeln leibhaftig auf der Türschwelle steht? Pah…, obwohl…

Irgendwie will die scheinbare Idealbesetzung des ach so perfekten Western-Helden nicht mehr verschwinden. Er nistet sich sogar im Hause Brandt ein, genießt die volle Aufmerksamkeit von Tomislav, kritisiert auf ekelhafteste Weise dessen Gattin und macht Radovan den Einzelkind-Status streitig. Wie ein Parasit, über den schützend die Hand gehalten wird. Radovan, der seit seiner Kindheit um die Aufmerksamkeit seines Vaters kämpfte, steht nun komplett auf dem Abstellgleis. Doch damit will er sich nicht abgeben. Nicht mehr.

Schwere Geburt

Igor Kordej ließ eine Kurzgeschichte von Darko Macan, mit dem er zusammen die Western-Serie „Marshall Bass“ (SPLITTER) schuf, nicht mehr los. Das war im Jahr 2002. Dennoch dauerte es bis 2009, bis Kordej die Bilder, die sich bis zu diesem Zeitpunkt in seinem Kopf angesammelt hatten, zu Papier zu bringen. Bis 2013 hatte er ungefähr die Hälfte seiner Geschichte fertiggestellt, unterbrach dann aber, um sich persönlichen Dingen zu widmen. Da er „Texas Kid, mein Bruder“ während seiner überschaubaren Freizeit texte und zeichnete, wollte er sich während der Schwangerschaft seiner Partnerin auf bezahlte Jobs konzentrieren. Außerdem war er sich noch nicht sicher, wo er mit seiner Geschichte überhaupt hinwollte. Erst 2020 nahm er die Arbeit daran wieder auf. Sich sicher, mit privaten Erinnerungen eingearbeitet, den richtigen Ton getroffen zu haben, beendete er die Graphic Novel im Frühjahr 2023. Im Nachwort schreibt Kordej, dass diese lange Pause auch der Grund dafür sei, dass der Zeichenstil sich ab etwa der Hälfte geändert habe.

So deutlich, wie man nun vielleicht meinen könnte, fällt dies nicht ins Gewicht. Eher ist es die Geschichte, die ab der Hälfte des Buches abflacht. Nimmt sich Kordej zu Beginn noch ausführlich Zeit, die Kindheit und Jugend von Tomislav Brand zu beleuchten, in der er mit Gewalt, Tod und Krieg konfrontiert wurde, was letztendlich dazu führte, dass die kindliche Liebe zu Comics den Weg ebnete, sich später als Schöpfer derer in ihnen zu verlieren, verläuft der Kampf der „Brüder“ erstaunlich unspektakulär. Zwar bekommen wir eine übertrieben epische Shootout-Sequenz, welche uns über gleich mehrere Seiten präsentiert wird, doch daraus wird nicht wirklich viel gemacht. Lediglich ein optisches Schmankerl, um dem Plot einen nächsten Schubser zu geben. Einen großen Showdown, der diesen Meta-Comic über einen fiktiven Western-Helden zugleich passend als auch augenzwinkernd hätte abschließen können, bleibt uns Igor Kordej letztendlich schuldig.

Fazit:

Zeichnerisch lässt die rein schwarz-weiß gehaltene Graphic Novel nicht viel vermissen, denn Kordej hat ein tolles Gespür dafür, wo und wie er Schattierungen setzen muss, um eine gelungene Atmosphäre aufzubauen. Inhaltlich bin ich da etwas kritischer. Welche persönlichen Erfahrungen er in „Texas Kid, mein Bruder“ verarbeitet hat, bleibt wohl Kordejs Geheimnis. Und neben den interessanten Meta-Ansätzen und dem Sezieren des Männlichkeitswahns früherer Helden-Geschichten bleibt lediglich ein Vater/Sohn-Drama, welches ich ohne dritte Komponente (in Form von TEXAS KID) schon deutlich besser gelesen habe.

Texas Kid, mein Bruder

Igor Kordej, Darko Macan, Igor Kordej, Avant

Texas Kid, mein Bruder

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