Steampunk-Krimi mit Hirn und Witz
Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort…
Ohne lästige Wartezeiten reisen. Ja, sogar ohne REISEZEIT! Von hier nach dort in Nullkommanix. Klimaneutral! Wer braucht da noch ein 9-Euro-Ticket oder „Tank-Rabatt“? Teleportation macht’s möglich. Marktreif und TÜV-geprüft.
Allerdings kann sich nicht jeder Dahergelaufene einfach kreuz und quer durch die Gegend teleportieren wie es ihm gerade beliebt, nein, nein. Kurztrips auf fremde Planeten wollen geplant und überwacht werden. Verantwortlich dafür ist die Galactic Teleportation Company, kurz GTC, das größte Privatunternehmen des bekannten Universums. Sollten Reisende sich mal nicht an die strengen Regeln halten und der Rück-Teleportation fernbleiben, werden ganz spezielle Agenten auf die Flüchtigen angesetzt. Lubia Thorel ist eine solche Rückholagentin, und zwar die beste ihres Fachs. Gerade erst von einem erfolgreichen Auftrag zurückgekehrt, wartet in der Zentrale auch schon der nächste. Der GTC-Abteilung für Rückführung wurden gleich fünf Abgängige gemeldet. Und alle sind auf ein- und demselben Planeten verschwunden. Zufall? Wohl kaum… Entführung? Möglich… oder es steckt ganz etwas anderes hinter dem Verschwinden.
Auf Noxien, dem besagten Planeten, will Lubia eigentlich umgehend ihre Ermittlungen aufnehmen, rasselt aber ungewollt mit einem Duagin zusammen, der ebenfalls für die GTC arbeitet. Der Alien, den man am ehesten als außerirdische Mischung aus Eidechse und Ross Antony umschreiben könnte, ist von der Abteilung Innere Sicherheit, verfügt aber über das außergewöhnliche Talent, sich selbst in unmögliche Situationen zu bringen. So rettet ihm Lubia kurzerhand den grünen Hintern, was das ungleiche Duo zu widerwilligen Partnern mit Konfliktpotential macht. Der Duagin war nämlich nicht zufällig auf Noxien, sondern höchst offiziell unterwegs. Er sollte Lubia unauffällig folgen, damit das Verfahren der erfolgreichsten Rückholagentin protokolliert und für zukünftige Effizienzsteigerungen ausgewertet werden kann. Hat ja fast geklappt…
Obwohl ab diesem Zeitpunkt mit offenen Karten gespielt wird, macht es die Lage um den aktuellen Fall der fünf Vermissten nicht einfacher. Die beiden sind nämlich mitten in eine große Verschwörung geraten, die weite Kreise zieht. So stolpern sie in mehr als brenzlige Situationen, die sie immer wieder das Leben kosten könnten… denn es geht um nichts geringeres, als die größte Entdeckung aller Zeiten!
Top-Debüt!!!
Fällt für Lesefreudige die Kaufentscheidung bei Romanen noch recht einfach aus, indem schlicht der Klappentext auf interessanten Stoff gecheckt wird, wird es für Comic-Liebhaber schon kniffliger. Da sollten im Idealfall zwei Faktoren stimmen: Story und Zeichnungen. Wie gesagt, im Idealfall. Es wird bestimmt nicht wenige Leserinnen und Leser geben - und da zähle ich mich dazu -, die über einen Makel-Faktor schon mal großzügig hinweggesehen haben, weil entweder Story oder Optik so herausragend waren, dass man trotzdem zugegriffen hat. „Teleportation Inc.“ hätte so ein Fall sein KÖNNEN, denn ein kurzer Blick auf die Bilder hat für mich gereicht, um angefixt zu werden. Ein Kontrollblick, und ich wusste, davon will ich unbedingt mehr sehen. Und es hat sich gelohnt. Verantwortlich für die durchgestylten Bilder ist Romain Sordet, der zuvor lediglich als Storyboard-Artist in Erscheinung trat. „Teleportation Inc.“, im französischen Original mit „Perdus en translation“ und „La vie galactique“ als Zweiteiler erschienen, ist sein Comic-Debüt. Sordet zeichnet mit unglaublich dynamischem Strich, lässt hier und da Manga-Elemente einfließen und lässt es dort krachen, wo die Action es verlangt. Es gibt keine Seite, auf der man nicht länger verweilen möchte. Stilistisch kreuzt er einen glatten Sci-Fi-Look mit altertümlich-viktorianischen Elementen. Eine stilisierte Steampunk-Dystopie mit cartoonigen Slapstick-Einlagen. Ganz besonders hat mir die Mimik gefallen, die oft mehr sagt als die zugehörigen Texte. Farblich bewegen wir uns meist im erdigen Spektrum, was dem Mix aus Alt und Neu gut zu Gesicht steht. Romain Sordet ist ein Künstler, dessen Schaffen ich definitiv im Auge behalten werde… unabhängig von der Story.
Faktor 2
Die eigentliche Geschichte wollen wir durch den bombastischen Look aber nicht unter den Tisch fallen lassen. Autor Dominique Latil („Morea“) liefert nämlich ebenfalls ab. „Teleportation Inc.“ ist im Kern eine klassische Buddy-Story, in der sich zwei ungleiche Charaktere zusammenraufen müssen. Das sorgt für Reibereien und viel Situationskomik, was Sordet künstlerisch wie einen Elfmeter ohne Torwart verwandelt. Die Dynamik zwischen Lubia und ihrem neuen Alien-Partner stimmt. Trotz einer Menge Action und jeder Menge Witz, kommt der Plot überraschend vielschichtig daher. Hier hat Latil Krimi- und Verschwörungs-Thriller-Elemente eingewoben, die die Tragweite der Geschichte erst Stück für Stück offenbaren.
SPLITTER hat erfreulicherweise gleich beide Alben zwischen die Buchdeckel gepackt, womit der ursprüngliche Zweiteiler als Double am Stück gelesen werden kann. Bonusmaterial liegt nicht vor.
Fazit:
Eine große Sci-Fi-Überraschung mit sympathischen Hauptfiguren und hervorragendem Look. „Teleportation Inc.“ ist spannend, humorvoll, rasant, sexy und macht einfach Spaß. Das ungleiche Duo könnte jederzeit in Serie gehen, denn die phantastische Welt würde problemlos Potential für weitere Abenteuer hergeben.
Dominique Latil, Romain Sordet, Splitter
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