Teenage Mutant Ninja Turtles - SPLITTER Collection: Band 1

Teenage Mutant Ninja Turtles - SPLITTER Collection: Band 1
Teenage Mutant Ninja Turtles - SPLITTER Collection: Band 1
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Marcel Scharrenbroich
10101

Comic-Couch Rezension vonDez 2023

Story

Vergesst die quietschbunte Zeichentrickserie aus Eurer Kindheit. Die Neuinterpretation ist deutlich tiefer und erwachsener… und ich liebe es!

Zeichnung

Stammen die stylish groben Zeichnungen der Hauptstory von Dan Duncan, kommen in den One-Shots unterschiedliche Künstler zum Einsatz. Besonders glänzt Valerio Schiti mit „Donatello“.

COWABU… ihr wisst schon.

Amphibien-Fieber

Im Sommer 1990 sah ich – wie viele meiner damaligen Altersgenossen – GRÜN! Wie aus dem Nichts schwappte das Turtles-Fieber auch nach Deutschland, wofür die Zeichentrickserie „Teenage Mutant Hero Turtles“ den Startschuss gab. Die vier Ninja-Kröten Leonardo, Raphael, Michelangelo und Donatello (allesamt benannt nach weltberühmten Renaissance-Künstlern) blödelten und prügelten sich höchst amüsant durch insgesamt 193 Episoden, die bis 1999 in zehn Staffeln auf verschiedenen Kanälen ausgestrahlt wurden. Anfänglich noch im Samstagsprogramm von RTLplus (heute bekannt als der Sender, der seine Werbung hin und wieder durch ein bisschen „Programm“ unterbricht). Der kindgerechte Aspekt wurde allerdings nur durch hartes Ringen mit den Schöpfern der Vorlage durchgekämpft.

Kevin Eastman und Peter Laird hatten 1984 eigentlich nur die Idee, eine Persiflage auf Superhelden-Comics von MARVEL zu produzieren. Für den als One-Shot geplanten Comic gründeten sie die MIRAGE STUDIOS. Allen Erwartungen zum Trotz, wurde das Heft ein riesiger Erfolg und zog eine Serie nach sich. Der Ton war rau, die Action hart und saftig. Ein düsterer Underground-Hit, der sich mit seinem schwarz-weiß-Look eher an Werken von Frank Miller orientierte, als an strahlenden Helden mit Superkräften. Kein Vergleich zu dem, was dann die spätere Animationsserie aus dem Stoff machte. Auch wenn man sich stark von den Ursprüngen entfernte, gab der Erfolg den maßgeblichen Änderungen recht. Rasend schnell wurde die Merch-Maschinerie angeworfen und schon nach kurzer Zeit sah man jedes erdenkliche Produkt mit Turtles-Motiv. So dauerte es auch lediglich bis 1990, bis ein erster Kinofilm am Start war. Der erste von drei Filmen, die bis 1993 mit echten Darstellern in Kostümen (aus der Schmiede des „Muppets“-Schöpfers Jim Henson) produziert wurden. Selbstverständlich ein Hit, obwohl für die deutsche Fassung ein wenig Ernsthaftigkeit entfernt wurde, indem comicartige Soundeffekte in die Fights implementiert wurden. Nicht die erste Entschärfung, denn schon für die Zeichentrickserie wurden aus den „Teenage Mutant Ninja Turtles“ die eher heroisch klingenden „Hero Turtles“. Der Begriff „Ninja“ war halt – nicht zuletzt durch die zahlreichen Genre Filme von Godfrey Ho oder den 80’s-Kloppern mit Shō Kosugi – gleichgesetzt mit Brutalität und wenig kindgerechter Unterhaltung.

Selbst wenn der erste Turtles-Hype Mitte der 90er abflachte, kehrten die mutierten New Yorker-Schildkröten immer wieder zurück. So z.B. in diversen Serien (eine etwas näher am Ursprungsmaterial angelegte Serie von 2003 oder computeranimierte Shows von NICKELODEON), dem animierten „TMNT“-Kinofilm von 2007, den beiden von Michael Bay produzierten Realfilmen von 2014 und 2016, sowie dem erst 2023 gestarteten „Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem“, welcher durch einen sehr interessanten Animationsstil auffällt. Videospiele in unterschiedlichen Genres waren ebenfalls stets präsent. Comic-Fans durften sich immer wieder über überraschende Crossover mit ihren Lieblingshelden freuen. So trafen die Turtles auf America’s Darling „Archie“ (wo im gleichnamigen Verlag eine eigene, langjährige Turtles-Reihe veröffentlicht wurde), diverse Male auf „Batman“ (bei PANINI), auf „Usagi Yojimbo“ (im DANTES VERLAG) oder auf die „Ghostbusters“ (bei DANI BOOKS). US-Leser kamen sogar noch häufiger in den Genuss. Neben zwei Volumes der „Saturday Morning Adventures“ (im klassischen Zeichentrick-Stil) gab es zuletzt Crossover mit den „Power Rangers“, „Street Fighter“ und den Kids aus dem NETFLIX-Hit „Stranger Things“.

Heimat der grünen Jungs ist der amerikanische Verlag IDW. Dort erscheint seit 2011 die fortlaufende „Teenage Mutant Ninja Turtles“-Hauptreihe. In diese Reihe mischen sich noch diverse Events und One-Shots, die nun erstmals in voller Pracht dem deutschsprachigen Publikum präsentiert werden sollen. Ein überaus ambitioniertes Projekt, denn der bisherige Output ist gewaltig. Es muss ausdrücklich erwähnt werden, dass trotz der langjährigen Turtles-Historie KEINERLEI Vorwissen vonnöten ist, da die Ursprünge der Figuren hier neu definiert werden. Die Herangehensweise ist deutlich erwachsener und auch ernster, was selbst Fans der ersten Stunde aufhorchen lassen sollte.

Alles auf Anfang

Die Studentin April O’Neil absolviert ein Praktikum in den Laboren von Stockgen Research. Unter der Führung des Wissenschaftlers Baxter Stockman wird dort an einem streng geheimen Projekt geforscht. Im Auftrag des Warlords General Krang soll Stockman ein Mutagen liefern, mit dessen Hilfe eine Art Super-Soldaten erschaffen werden können. Die Fortschritte sind schleppend, was den General wenig erfreut. April ahnt währenddessen noch nicht, was genau um sie herum vor sich geht. Dafür hat sie vier Labor-Schildkröten in ihr Herz geschlossen, denen sie gleich Namen verpasst (na ratet mal welche…). Nur der frei herumlaufenden Ratte Splinter steht sie noch etwas skeptisch gegenüber…

Als eines Abends plötzlich Maskierte das Labor stürmen, ist’s mit der entspannten Arbeit vorbei. Es scheint schnell klar, worauf die mit Schwertern bewaffneten Fremden es abgesehen haben. Eilig schnappen sie sich einige Reagenzgläser und stecken auch die Kröten ein. Den Rückzug treten sie einerseits an, da sie wohl kaum mit der Gegenwehr der mutigen April gerechnet hätten, andererseits aber auch, weil die clevere Ratte blitzgescheit den Feueralarm auslöst. Dennoch nimmt Splinter kurzentschlossen die Verfolgung auf. Und zumindest lässt sich ein Teilerfolg verbuchen. Während der Nager sich in einem der Ninja-ähnlichen Räuber verbeißt, lässt dieser einen Teil seiner Beute fallen… darunter auch eine leuchtende Flüssigkeit und die Schildkröten. Ebenso wie Splinter kommen auch sie mit dem Labormaterial in Berührung. Noch nicht ahnend, dass dies ungeahnte Folgen nach sich ziehen wird, verschwindet Splinter mit den Schildkröten in der New Yorker Kanalisation. Mit allen… bis auf einer. Diese hat sich ein Kater namens Old Hob geschnappt.

Achtzehn Monate später. Das Mutagen hat ganze Arbeit geleistet und aus den drei kleinen Schildkröten sind gestandene Teenager geworden. Aufrechtstehend, sprechend und äußerst wissbegierig auf das, was ihr weiser Sensei Splinter ihnen mit auf den Weg geben möchte. Aber eben auch… Teenager, mit allen typischen Interessen eines Heranwachsenden: Comics, Videospiele und PIZZA! Nichtsdestotrotz ist es Splinters Bestreben, seine Söhne zu waschechten Ninja auszubilden. Außerdem umtreibt die Jungs die Frage, was aus ihrem verschollenen Bruder geworden ist… Raphael.

Der ist seit jenem verhängnisvollen Abend im Alleingang unterwegs. Die Nacht ist sein Freund geworden und er schlägt sich so durch. Durch sein beherztes Eingreifen lernt er den jungen Casey Jones kennen, einen Studenten, der gerade mal wieder von seinem volltrunkenen Vater verprügelt wurde. Der Beginn einer Freundschaft. Raphaels einziger Freund… immerhin kann er sich an nichts aus seiner Vergangenheit erinnern.

Obwohl Leonardo, Michelangelo und Donatello nur selten einer Meinung sind, eint sie doch der Wunsch, ihren verschollenen Bruder wieder in ihren kleinen Familienkreis aufzunehmen. Tatsächlich gelingt es ihnen, Raphael wieder in die Arme schließen zu können. Doch nicht nur er muss mit der Vergangenheit aufräumen. Meister Splinter kämpft mit seiner ganz eigenen Vergangenheitsbewältigung, die nicht nur eine ungeheure Tragweite besitzt, sondern ihn selbst in der Gegenwart mit einem lägst vergessen geglaubten Gegner konfrontiert. Und General Krang sowie die mysteriösen Ninja-Einbrecher sind noch immer auf der Suche nach der verschwundenen Ratte, deren Blut für ihre Zwecke von äußerster Wichtigkeit ist. Schon bald werden die Straßen von New York City zum Schlachtfeld für Mutanten, Ninja und totgeglaubte Geister aus längst vergessenen Zeiten.

Grünes Licht

Die Ankündigung, dass die Turtles ein neues – aller Voraussicht nach langjähriges – Heim im SPLITTER Verlag bezogen haben, kam überraschend. PANINI versuchte sich ab 2013 schon an der IDW-Serie, die es bis 2016 immerhin auf zehn Paperbacks brachte. Wohl ohne den gewünschten Erfolg, da die Leser nach „Shredder greift an“ unbefriedigt in die Röhre schauten.

Den neuen Anfang machte der abgeschlossene Einzelband „Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin“, der es in Rekordzeit in die dritte Auflage schaffte! Ein voller Erfolg, dem gleich das inhaltliche Prequel „Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin - Lost Years“ folgte. Zwei Ableger aus dem düsteren „Ronin“-Verse von Kevin Eastman und Tom Waltz, zu dem sich aktuell sogar ein Videospiel in Entwicklung befindet.

Dass es nicht bei den „Last Ronin“-Bänden bleibt, sondern gleich ganz in Vollen geht, ist nicht zuletzt Matthias „Mattes“ Penkert-Hennig zu verdanken, den Comic-Freunde als fachkundigen Comic-Blogger von DeinAntiheld kennen sollten. Mattes ist nicht nur ausgewiesener Turtles-Fan, der die Materie bereits seit den Anfängen kennt, er betreut die Reihe auch redaktionell und ist für die Übersetzung zuständig. Und man merkt, dass dabei jemand am Werk war, der die Kröten aus dem Effeff kennt. Er weiß genau, wie die Turtles angemessen klingen müssen. Bei weniger fachkundigem Personal hätten manche Konversationen schnell in die Hose gehen können, denn immerhin sind die Turtles Teenager, die sich nicht selten auch wie welche verhalten… und dementsprechend reden. Ebenso verhält es sich mit Splinter, dem weisen Sensei der Jungs. Die Worte sind hier gut gewählt, was der epischen und überraschend tiefgründigen (und ebenso textlastigen!) Story verdammt gut zu Gesicht steht. Man kann den Verlag und alle Beteiligten nur beglückwünschen, denn hier wurde ALLES richtig gemacht. Nun bleibt nur zu hoffen, dass die gebotene Qualität vom Publikum auch ausreichend gewürdigt wird. Mein innerliches Kind springt jedenfalls im Dreieck, da ich nicht gedacht hätte, dass mich die Turtles selbst mitten in meinen Vierzigern noch mal derart abholen können.

Der erste Band der „Teenage Mutant Ninja Turtles - SPLITTER Collection“ umfasst die ersten zwölf US-Hefte der IDW-Hauptreihe sowie die fünf One-Shots „Raphael“, „Michelangelo“, „Donatello“, „Leonardo“ und „Splinter“. Selbstverständlich in der optimalen Lesereihenfolge.

Fazit:

Wie man letztendlich auch zu den Turtles stehen mag (ob Fanboy/-girl der ersten Stunde, lediglich am Rande interessiert oder bislang unbefleckt), muss jeder mit sich selber ausmachen. Für die einen ein sicherer Blindkauf, für andere vielleicht ein heißes Eisen. Jedoch lässt sich nicht abstreiten, dass der SPLITTER Verlag mit diesem Mammutprojekt eine der besten Veröffentlichungen des Jahres 2023 auf den Markt gebracht hat. Rein qualitativ schon ein echtes Brett. Optimalerweise kann dieses schwere Brummer auch inhaltlich VOLL überzeugen. Es sind keinerlei Vorkenntnisse nötig, um in die Materie einzusteigen. Wir beginnen quasi bei null. Und die neue Interpretation der Ursprünge gefällt mir persönlich bislang am besten!

Teenage Mutant Ninja Turtles - SPLITTER Collection: Band 1

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