Ein Fotograf auf der Suche nach den richtigen Bildern, ein Mann auf der Suche nach sich selbst.
Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren stellt die Menschen in Amerika vor große Herausforderungen. Fotograf John Clark hat Glück. Er wird von einer Regierungsbehörde eingestellt, um das Leben und die Begebenheiten in einer Region im Mittleren Westen zu dokumentieren, die unter extremen Bedingungen zu leiden hat. Im sogenannten „Dust Bowl“ machen es Sandstürme und Dürre den Farmern nahezu unmöglich ihre Existenz zu sichern. Zunächst froh einen Job zu haben, wird John aber schon bald vor eine unerwartete Entscheidung gestellt und dabei mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Feinfühlig und emotional packend
Aimée de Jongh hat schon mit „Sechzigmal Frühling im Winter“ bewiesen, dass sie feinfühlige und emotional packend erzählen kann. Vor dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Ereignisse um die Große Depression und die verheerende Situation im Herzen Amerikas, entwirft sie eine lebendige, einnehmende und facettenreiche Geschichte. „Tage des Sandes“ gerät dabei trotz stattlichem Umfang von über 280 Seiten äußerst kompakt, aber nicht weniger eindringlich.
Sand ist im „Dust Bowl“ allgegenwärtig und bestimmt den Alltag, durchdringt auch feinste Ritzen. Ernten bleiben aus. Die Lebensgrundlage der Menschen wird ihnen entrissen. Diese widrigen Umstände halten nun schon Jahre an. Die Menschen werden krank, auch Kinder sterben früh. Es gibt kaum Perspektive und so machen sich erste Familien mit wenig Hab und Gut auf, um dieser Hoffnungslosigkeit zu entfliehen.
Beinahe sanft erscheinen die Figuren von Aimée de Jongh im Kontrast zur harten Realität. Sie betonen aber die menschliche Seite in dieser Tragödie. Zunächst misstrauisch, später gar abweisend sind die Farmerfamilien, als John versucht sie und ihr Umfeld zu fotografieren. Er ist sich seiner anfänglichen recht gedankenlosen und wenig rücksichtsvollen Herangehensweise, um die erforderlichen Fotos für seine Arbeit zusammenzustellen, gar nicht bewusst. Bis er erkennt, dass er sich den Menschen annähern muss, ihre Situation verstehen muss. Immer mehr wird John selber ein Teil des Dust Bowl. Dann gibt es einen Menschen gibt, der ihm besonders ans Herz wächst. Und er wird an seinen Vater erinnert, dessen Namen er vererbt bekommen hat und dessen Berufung er ebenfalls weiterführt. Schmerzvoll sind die Erinnerungen.
In warmen, meist erdigen Farben setzt Aimée de Jongh die Ereignisse im Dust Bowl stimmungsvoll und detailreich in Szene. Wuchtig gestalten sich die Bilder, wenn Sandstürme erbarmungslos hereinbrechen, die Sicht versperren und das Land im Sand versinken lassen. Aimée de Jongh bleibt nah an ihren Figuren, lässt uns an Gutherzigkeit, Offenheit, Liebe, aber auch an Trostlosigkeit und Leid teilhaben, wenn schmerzhafte Verluste zu ertragen sind. Diese gehen auch an John nicht spürbar vorüber. Und er wird sein eigenes Handeln, seine Arbeit hinterfragen, gerät in einen inneren Konflikt. Das Titelbild zeigt den nachdenklichen und am persönlichen Scheideweg stehenden John Clark inmitten glutroter Hitze und Unmengen Sand.
Die Historischen Dokumentarbilder als Kapitel-Einleitung schaffen authentischen Bezug. Mit ihren eigenen Zeichnungen erzählt Aimée de Jongh ihre Geschichte weiter. Am Ende liefert ein informatives Dossier weitere Hintergründe, ergänzende Details und spannende Fakten zur damaligen Zeit.
Fazit:
Ein Fotograf auf der Suche nach den richtigen Bildern, ein Mann auf der Suche nach sich selbst. „Tage des Sandes“ ist ein gefühlvolles und mitreißendes Werk, um die Bedeutung und Macht der Fotografie, die unverfälschte Wahrheit von Bildern, aber auch den eigenen moralischen Kompass in herausfordernden Zeiten.
Aimée de Jongh, Aimée de Jongh, Splitter
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