Eine meditative Reise in Grün
Liebesschnulze, Soap, Krimi, Reportage – für jeden was dabei (?)
Bei Puffi und Aldi läuft nicht mehr alles gut. Vater und Sohn (oder Mutter und Tochter?) streifen durchs Land, mit nichts als Pfeil und Bogen bewaffnet. Arbeiter lehnen sich gegen die Wachstumsideologie ihrer Bosse und streiken. „Sumpfland“ von Moki versammelt viele unterschiedliche Geschichten, die nicht so recht zusammen zu passen scheinen. Das einzig verbindende Element ist die Farbe Grün – und der sehr markante Zeichenstil der Künstlerin.
Auf einer Doppelseite ordnet sie den Geschichten bestimmte Genres zu, die teilweise wie die Faust aufs Auge passen, teilweise habe ich die Zuordnung aber nicht recht verstanden. Das war aber nicht das einzige, was mich rätselnd und verwirrt hinterlassen hat.
Was hat sich die Künstlerin dabei gedacht?
In der Schule wurde diese Frage oft gestellt, in der Uni aber wurde oft vom „Tod des Autors“ geredet: Man sollte den Text an sich analysieren und sich nicht viele bis gar keine Gedanken machen darüber, was der Autor wohl mit seinem Text beabsichtigt hat. Das fällt mir bei „Sumpfland“ sehr schwer. Der Comic ist nämlich überhaupt nicht eindeutig. Das ist zwar für sich genommen keine schlechte Eigenschaft. Wenn man keinen Interpretationsspielraum hat, wird jede Geschichte– egal ob Roman, Comic oder Film – relativ schnell langweilig. Und das musst man dem Comic lassen: „Sumpfland“ lässt dem Leser sehr viel Raum für eigene Interpretationen.
Es fängt schon mit der allerersten Seite an. Dabei spricht eine körperlose Stimme die Worte: „Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, und ein mysteriöser Nebel zieht auf. Wer spricht da? Eine der Figuren? Die Autorin? Oder das titelgebende Sumpfland? Für ein Interpretationsseminar an der Uni oder für den Deutschunterricht eignet sich der Comic sehr gut, da er viele Diskussionen ermöglicht. Nicht, dass ich missverstanden werde: Ich mag diskussionsfreudige, uneindeutige Comics. Aber „Sumpfland“ habe ich als eine Ansammlung vieler guter Ideen empfunden, die aber überhaupt nicht zusammenhängen. Teilweise reiht sich ein Bild nach dem anderen, ohne dass ich ein „Warum“ entdecken konnte.
Wenn eine Handlung, dann richtig
Aber nicht alle Geschichten sind meiner Meinung nach wirr. Der Comic beinhaltet Handlungsstränge, mit denen ich richtig mitgefühlt oder mitgefiebert habe. Das Familienzweigespann (welches Geschlecht die Figuren haben ist nicht eindeutig), das umherwandert, hat ein herzzerreißendes Ende. Der Strang mit den Fabrikangestellten, die sich gegen Konsumwahn und Wachstumsgeilheit wehren, ist auch sehr schön erzählt. Es hilft sehr, dass die Figuren– wie alle anderen, mit Ausnahme von zwei – Fantasiewesen sind. Dadurch schafft Moki eine schöne Abstraktionsebene, die aber sehr eindeutig für unsere Gesellschaft relevante Themen anspricht.
Am interessantesten ist für mich aber die Geschichte um Puffi und Aldi. Der „Fuchs“ – ob die Figur tatsächlich ein Fuchs ist, ist (wie vieles in „Sumpfland“) nicht eindeutig – und der Mensch leben zusammen und ihre Beziehung bröckelt langsam, aber sicher auseinander. Im Laufe dieser Geschichte verkrachen sie sich immer mehr, um am Ende sich aber die eigenen Fehler einzugestehen und somit mehr Zeit haben für die wirklich wichtigen Fragen. Wie z.B. warum manche glauben, dass man Konflikte mit Gewalt lösen könne oder warum fliegen teilweise billiger sei als Zug zu fahren.
Ruhige, meditative Bilder
Was „Sumpfland“ für mich aber zu etwas ganz Besonderem macht, sind die Bilder. Zwar wirken sie teilweise ein bisschen ohne Zusammenhang, trotzdem schaffen viele davon, Geschichten ohne Wörter zu vermitteln. Die gesamte Geschichte des Familienzweigespanns wird komplett stumm erzählt. Trotzdem schafft Moki es, dass ich als Leserin eine Verbindung zu diesen Figuren aufbaue und es mir das Herz zerbricht, als – und vor allem wie – diese zu Ende geht.
Die Farbgebung ist auch einfach nur schön. Wer hätte gedacht, dass Grün sich so sehr als Hintergrundfarbe eignet. Die Seiten haben alle einen einheitlichen Grünton, die Figuren und die Szenerien sind mit schwarzen Strichen gezeichnet, wobei die Figuren teilweise unterschiedlich Grün schattiert, teilweise sogar ganz weiß, sind.
Was mir auch sehr gefällt, ist die unglaubliche Kreativität, die in den Seiten von „Sumpfland“ steckt. Die Kreaturen sehen alle unterschiedlich aus, haben aber alle doch etwas gemeinsam, als ob sie alle unterschiedliche Spezies einer gemeinsamen Welt seien. Es hilft aber auch, dass sie alle sehr süß aussehen.
Fazit:
Bildgewaltig, aber ein wirres Durcheinander – das ist das, was mir zu „Sumpfland“ einfällt. Die Bilder sind allesamt schön gezeichnet und an vielen Stellen so aussagekräftig, dass man auch keine Worte braucht. Sie erzählen ihre Geschichten auch so. Mein größtes Problem mit „Sumpfland“ ist, dass mir im Comic eine rote Linie, ein übergeordneter Zusammenhang fehlt. Für mich konnte der Comic leider sein Potential nicht voll entfalten, weil ich ihn teilweise einfach nicht verstanden habe. Wer aber auf etwas seltsame Geschichten steht, sollte „Sumpfland“ auf jeden Fall eine Chance geben. Und mir bitte sagen, was die Autorin wollte!
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