Willkommen in Stumptown
Der Fall
Charlotte Suppa ist verschwunden. In ihrer Wohnung sieht alles nach einer hastigen Abreise aus: Ein paar Klamotten fehlen, alles ist durcheinander und ihr Shampoo scheint sie auch mitgenommen zu haben. Doch ihr Auto – ein Mini – steht noch vor der Tür. Charlottes Großmutter Sue-Lynn, eine Casino-Besitzerin, denkt, sie sei mit einem Mann durchgebrannt. Deswegen will sie unbedingt, dass Dex Parios ihre Schnüfflernase einsetzt und Charlotte findet. Privatdetektivin Dex hat nicht gerade die Wahl, ob sie den Fall annimmt oder nicht. Denn sie ist zwar ein Ass, wenn es um ihre Arbeit geht, das Würfelglück hat sie aber nicht für sich gepachtet. Deswegen bietet ihr Sue-Lynn an, Dex ihre knapp 18 Riesen Schulden zu entlassen, wenn sie ihre Enkelin findet. Doch Sue-Lynn ist nicht die einzige, die nach Charlotte sucht. Auch der Großunternehmer – und angeblicher Kopf der örtlichen Mafia – Marenco will wissen, wo Charlotte ist. Und was haben die beiden Kinder von Marenco mit Charlotte zu tun? Hat sich Dex da in was reinziehen lassen, was eine Nummer zu groß für sie ist?
Greg Rucka auf den Punkt gebracht
Realistische, nüchterne, aber trotzdem spaßige – und etwas dreckige – Krimi-Geschichten: Das ist für mich das, was eine Story von Greg Rucka ausmacht. Egal ob er sich den Polizisten von Gotham widmet, die Investigativjournalistin (und Superman-Geliebte) Lois Lane zu seiner Protagonistin macht oder sich ganz vom Superhelden-Genre abwendet, schafft Rucka in seinen Werken interessante und hochgradig spannende Detektivgeschichten.
Und genau das ist „Stumptown“! Dex ist gut in ihrem Job und liebt ihren Bruder, mit dem sie zusammenlebt. Doch das alles steht gefühlt kurz davor, auseinander zu brechen. Sie trinkt gerne und flirtet noch lieber – egal ob Mann, Frau, verheiratet oder Single. Das allein beschert ihr regelmäßig Probleme. Dass sie auch keine Übersicht über ihre Finanzen hat, macht ihr das Leben nicht gerade leichter. Doch sie ist eine sehr kompetente Privatdetektivin und hat ein gutes Gespür für das große Ganze. Diese beiden Seiten ihrer Figur machen Dex für mich zu der perfekten Protagonistin einer solchen Krimi-/Detektiv-Story. Denn sie ist krass und cool, aber die Dinge passieren nicht immer so, wie sie sie geplant hat und ihre Entscheidungen haben Konsequenzen, die nicht immer positiv sind.
Die Stadt – die versteckte Protagonistin?
Das erste Mal, als ich die Stadt Portland, Oregon, als Stadt wahrgenommen habe, war durch die TV-Serie „Grimm“. In der Serie muss ein Polizist sich mit paranormalen Wesen herumschlagen, die wie aus einem der Märchen der Gebrüder Grimm zu entstammen scheinen. Vielleicht liegt es daran, dass Portland in der Pop-Kultur nicht so präsent ist wie New York oder Los Angeles, aber so einen richtigen Sinn für die Stadt habe ich mit „Grimm“ nicht bekommen. Das ist auch bei „Stumptown“ der Fall. Zwar bürgt Comic-Autor und Portland-Einwohner Matt Fraction für die wahrheitsgetreue Abbildung seiner Heimat, aber die Geschichte gibt nicht viele Einblicke in die Stadt als Ganzes. Was aber nicht bedeutet, dass die Bilder von Matthew Southworth langweilig wären. Das sind sie nämlich überhaupt nicht! Der Fokus liegt aber eindeutig bei den Figuren und der Geschichte.
Starre, aber dennoch dynamische Seiten
Die Panels zeigen sehr oft die Gesichter der Figuren in Großaufnahme oder wie sie sich in der Umgebung bewegen. Es gibt wenige volle Bilder der Stadt oder der Umgebung. Demensprechend klein sind die Panels. Die Seiten sind meistens in etwa sechs Panels aufgeteilt, die relativ akkurat nebeneinanderstehen. Was aber nicht bedeutet, dass die Seiten langweilig sind. Auch wenn die Seitengestaltung auf den ersten Blick starr erscheint, schafft Southworth es, die Bilder dynamisch zu halten und das Lesen funktioniert sehr flüssig.
Die sehr einheitliche Seitengestaltung führt auch dazu, dass Abweichungen stärker auffallen. Etwa, wenn Dex einen über den Schädel gezogen bekommt und die Panels entsprechend rotieren und ineinandergreifen. So, als würde auch der Leser desorientiert und wackelig durch die Gegend laufen, bis sich die Panels wieder etwas ordnen.
Tolle Kolorierung, zu grobe Striche
Ähnlich wie die Panelgestaltung funktioniert auch die Kolorierung von „Stumptown“. Die „normale“ Alltagskolorierung besteht hauptsächlich aus matten Braun- und Grautönen. Zwischendurch aber kommt die Nacht und die Wohnung von Dex wird in ein kränkliches blau-grünes Licht getaucht oder sie wird an einem dunklen Strand von bewaffneten Männern konfrontiert. Das einzige Licht kommt vom Strahl ihrer Taschenlampe. Das ergibt dann einen stilsicheren, atemberaubenden Noir-Look, bei dem Schatten und Licht toll ineinandergreifen.
Das Einzige, was mir am Zeichenstil etwas stört, sind die dicken Striche. Wenn die Gesichter sehr groß und prominent im Panel gezeigt werden, ist das nicht so schlimm. Aber wenn viele Sachen in den Panels gezeigt werden, verlieren vor allem die Figuren an Details.
Fazit:
Greg Rucka liefert mal wieder das, was er am besten kann: Einen spannenden Krimi mit einer perfekt unvollkommenen Protagonistin. Sie ist für mich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Ihre Beziehung zu den anderen Figuren ist sehr komplex, aber verständlich dargestellt. Aber vor allem, dass sie trotz all ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten sympathisch ist und – was vielleicht am wichtigsten ist – sehr kompetent in ihrem Job. Bei den Bildern bin ich geteilter Meinung. Mir sind die Striche zu grob und dadurch fehlen den Figuren oft Details. Dadurch sind mir die Charaktere etwas fremd geblieben. Auch die Seitengestaltung ist manchmal etwas langweilig. Dass der Lesefluss trotzdem dynamisch ist, ist ein guter Pluspunkt. Auch das Spiel mit Licht und Schatten finde ich sehr gut, auch wenn das selten passiert.
Greg Rucka, Matthew Southworth, Splitter
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