Zwei Brüder, ein (fast) blinder Seefahrer und ein sprechender Papagei
Nachdem zunächst der zweite Mond am Horizont des Fischerdorfes Goëm verschwunden ist, folgt kurz darauf das Wasser. Die hohen Stadtmauern stemmen sich nun gegen das Nichts, nur Sand und Dürre, soweit das Auge reicht. Als uns die Brüder Vivian und Niels mit ihrem selbst gebauten Fluggerät einen Blick hoch aus der Luft gestatten, wird das Ausmaß der Katastrophe nur zu deutlich. Schon seit langer Zeit müssen sich die Bewohner mit diesen beschwerlichen Umständen arrangieren. Mehrere Expeditionen zur Aufklärung des Phänomens scheiterten. Nun aber wollen die Brüder ohne Wissen und Unterstützung des Dorfrates selbst aufbrechen. Dafür heuern sie den blinden Kapitän O‘Gregg und seinen sprechenden Papagei Merlin an.
Anfänglich wie ein richtiges Seeabenteuer - nur ohne Wasser…
Nachdem ich vor kurzem noch mit dem Künstler-Gespann Leo und Rodolphe in Schottland war, geht es nun also mit Letzterem mal wieder solo weiter. „Der Mann, der die Welt erfand“ hat mir seinerzeit gut gefallen und auch in „Sprague“ stellt Rodolphe sein Talent als Geschichtenerzähler wieder unter Beweis. Er erzählt ein geradliniges Seeabenteuer, bei dem nur über weite Strecken kein Wasser in Sicht ist. Die Schiffe fahren hier auf Rädern über den trockenen Sand.
… aber mit Piraten ...
Die Spannung wird dadurch aufrechterhalten, dass auch wir nicht wissen, was die Ursache für den Rückgang des Meeres ist. Auf ihrem lang dauernden Weg begegnen den Abenteurern manche Gefahr und seltsame Lebewesen. Es gibt echte Piraten und actionreichen Kämpfe mit Säbel und Kanonen. Ein seltsames Insekten-Volk hätte hier allerdings sicher noch mehr Möglichkeiten geboten, zusätzlich Spannung und Dramatik aufzubauen.
… und einer ordentlichen Prise Romantik…
Olivier Roman fängt in seinen Bildern die Küstenlandschaft und die Weite stimmungsvoll ein. Mit feinem Strich werden Gebäude, Sandkreaturen, Wüstenfahrzeuge und Figuren ansprechend in Szene gesetzt. Dank der wunderbaren Farben von Denis Béchu versprühen die Panels mit ihren kräftigen Pastelltönen auch immer wieder exotisches Flair. Bei sengender Hitze wird die Geduld der Brüder und ihrer Weggefährten auf die Probe gestellt, in eisigen Nächten kommt auch mal Lagerfeuerromantik auf. Dann endlich kommt die Tapinoir - so der Name von O‘Greggs Schiff - an ihr Ziel und die Brüder dem Rätsel um das verschwundene Meer auf die Spur.
… vor allem zum Ende.
Zugegeben manche Passage gerät bis dahin ein wenig unspektakulär und auch die Auflösung ist am Ende doch etwas dünn, aber trotzdem gelungen. Rodolphe dreht seine Geschichte mit einem Ruck in Richtung Science-Fiction und lässt uns mit einem beinahe sehnsuchtsvollen, verträumt romantischen Ende noch einen Moment in Goëm verweilen.
Fazit:
„Sprague“ ist ein schöner und gut erzählter Abenteuer-Oneshot, dem lediglich etwas an Raffinesse fehlt, um noch höher zu punkten.
Rodolphe, Olivier Roman, Splitter
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