Small Favors - Kleine Gefälligkeiten (Gesamtausgabe)
- Cross Cult
- Erschienen: November 2020
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Let’s (not only) talk about Sex, Baby!
Schlüpfriges Scheißerchen
Die 21-jährige Annie steht auf ihre heiße Nachbarin. Während sie diese beobachtet, kann sie nicht anders, und legt selbst Hand an sich an. Kein Einzelfall. Genauer gesagt, masturbiert Annie derart oft, dass sich ungewollt ihr Gewissen meldet. Nicht nur das Gewissen, sondern gleich die „Königin ihres Gewissens“! Entsetzt von Annies schamloser Obsession, soll ihrem Lieblingshobby nun ein Riegel vorgeschoben werden. Laut der Königin hat sie – trotz ihres jungen Alters – bereits ihr Masturbationslimit erreicht. Da die „hohen Mächte“ es so beschlossen haben, soll Annie nun eine „Hüterin des Gewissens“ an die Seite gestellt werden, um ihr lasterhaftes Treiben im Auge zu behalten und sicherzustellen, dass die junge Frau die Hände ÜBER der Bettdecke behält. Ihre „Hüterin“ tritt in Form der quirligen Blondine Nibbil in Erscheinung. Selber gerade einmal so groß, dass sie in eine Hand (oder andere Stellen) passt. Als „strenge Zuchtmeisterin“ bedrohlich von der Königin angepriesen, entpuppt Nibbil sich allerdings als ebenso nymphoman veranlagt, wie Annie selbst. Schon bald fallen die beiden hemmungslos übereinander her und werden trotz des Größenunterschieds durchaus erfinderisch, was die gegenseitige Befriedigung angeht. Tatsächlich hat Nibbil noch so manche Überraschung in petto. Eine davon ist, dass sie sich auf Menschengröße zaubern kann, womit der ungezügelten Sause in Annies vier Wänden (und Umgebung) absolut nichts mehr im Wege steht. Und es bleibt nicht beim Liebesspiel zwischen den beiden, denn schon bald wächst das Tête-à-Tête zu einem munteren Partnertausch mit Orgien-Qualität heran.
Und von vorne! Und von hinten!
Wie sich unschwer heraushören lässt, geht es in „Small Favors“ reichlich frivol zur Sache. Die amüsanten Story-Episoden sind dabei freilich nur der Aufhänger, um es richtig krachen zu lassen und durch die Federn zu tollen. Trotzdem folgen wir lose einem roten Faden. Und mit zunehmender Lesedauer freut man sich sogar über die Entwicklungen der Charaktere…, wenn die feucht-fröhlichen Orgien dieses denn zulassen. Kein Grund, dass einem dabei die Schamesröte ins Gesicht steigt, denn trotz der ausschweifenden Sexkapaden der liebestollen Protagonistinnen, steht immer der Spaß im Vordergrund. Obszön? Wie man’s nimmt. Sexy? Wir reden hier noch immer über Comic-Figuren, die auch deutlich als solche zu erkennen sind, aber… ja. Bumsfidel? Aber hallo!
Hier geht es nicht nur sprichwörtlich über Tische und Bänke. Alles dreht sich um Sex, Sex und noch mal Sex. Ja, „Small Favors - Kleine Gefälligkeiten“ ist ein waschechter Porno und genau das will der Comic sein. Der besondere Pfiff kommt durch den Fantasy-Aspekt, mit dem so ziemlich nichts unmöglich erscheint. Das anfängliche Duo um Annie und Nibbil wächst im Laufe der Zeit an und es gesellen sich weitere Mädels zum ausgiebigen Liebesspiel. Sie alle eint der Spaß am Sex, was herrlich unverkrampft und ebenso sympathisch geraten ist. Keine Eifersuchts-Dramen, verzwickte Dreiecksbeziehungen oder unschöne Bitch-Fights. „Small Favors“ ist ein verdammt unterhaltsamer Gute-Laune-Comic. Zwar einer, bei dem man die Altersempfehlung (18+) unbedingt ernst nehmen sollte, aber er versprüht Charme, Witz, Lebensfreude und ehrliche und frivole Geilheit. Zu keiner Zeit schamhaft, dafür lustvoll, ungezügelt und leidenschaftlich. Frei nach dem Motto „Erlaubt ist, was gefällt“.
„Ihr seid die perversesten Mädels, die ich je getroffen habe!“
-Annie, 21, hat ihr Masturbationslimit bereits überschritten
Die US-Comic-Zeichnerin Colleen Coover ist der kreative Kopf hinter „Small Favors - Kleine Gefälligkeiten“, die im deutschsprachigen Raum erstmals 2003 bzw. 2004 in zwei Softcover-Bänden veröffentlicht wurden. Für den Web-Comic „Bandette“, der von ihr illustriert, ihrem Ehemann Paul Tobin geschrieben und später auch in einer gedruckten Fassung veröffentlicht wurde, erhielt Coover 2016 und 2017 den renommierten Eisner Award in der Kategorie Best Digital Comic. Mit „Small Favors“ wollte sie eine sex-positive Comic-Reihe schaffen, die auf unverblümte Weise - und aus weiblicher Sicht - lesbischen Sex thematisiert. Nun, dies ist ihr voll und ganz gelungen, was ihr auch viel Lob einbrachte. Über acht Kapitel begleiten wir die nimmersatte Annie, die feenähnliche Nibbil und weitere Freundschaften(+), die die beiden im Laufe der Story knüpfen.
Künstlerisch ist dabei durchaus - und auch ohne ungeübtes Auge - eine stilistische Entwicklung von Coovers Zeichenkünsten zu beobachten. Anfangs noch etwas steif (hihi…), werden die Formen später im Ganzen kurviger und flüssiger, was den Figuren noch mehr Cartoon-Charakter verleiht. Auch dezente Manga-Einflüsse sind zu erkennen, was am ehesten im knallbunten „Farbspecial“ auffällt. Dieses kracht mit kindlich-bunten Farben auch sehr ins Auge, was sich glücklicherweise auf nur wenige Seiten beschränkt. Der schwarz-weiß-Look steht „Small Favors“ nämlich deutlich besser zu Gesicht.
Im abschließenden Bonusbereich finden sich dann „Skizzen & Entwicklungsstudien“ sowie „Pinups“ und „Mini-Comics“. Eine runde Sache. Eingeleitet wird die Gesamtausgabe von der amerikanischen Comic-Autorin Kelly Sue DeConnick. Die selbsternannte Feministin ist bekannt für ihre Arbeiten an „Captain Marvel“, „Supergirl“, „Ghost“ und ihrer creator-owned-Reihe „Pretty Deadly“. Für die Gesamtausgabe von „Small Favors - Kleine Gefälligkeiten“ hat der CROSS CULT Verlag sich nicht lumpen lassen und ein hochwertiges Hardcover auf den Markt gebracht, welches mit Spotlack-Elementen auf der Front, dem Buchrücken und der Rückseite gleich noch edler wirkt. Da stimmt wirklich alles.
Fazit:
Auf den (G-)Punkt gebracht, ist es fast unglaublich, wie ein Porno-Comic so extrem explizit und gleichzeitig derart zuckersüß und ja, auch mal albern sein kann. Anfangs habe ich nicht schlecht gestaunt, dass es bei dem knuffigen Zeichenstil doch so heiß hergeht, was sich aber recht schnell wieder legte. Colleen Coover und „Small Favors“ zelebrieren lesbischen Sex als das, was er ist… spielerisch, kreativ, genussvoll und verdammt natürlich.
Colleen Coover, Colleen Coover, Cross Cult
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