Sketch Every Day

Sketch Every Day
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonJan 2021

Story

Wer hätte gedacht, dass Lernen solch einen Spaß machen kann? Die Tipps und Tricks der Expertin laden zum sofortigen Ausprobieren ein.

Zeichnung

Anhand ihres ganz eigenen Stils bringt Simone Grünewald – alias Schmoe – haufenweise Inspirationen und wunderschöne Zeichnungen mit.

Learning by Doing… and Reading… and Drawing

Für die Comic-Zeichner von Morgen

Hier könnt Ihr euch inspirieren lassen! Und wie, denn die Hamburger Illustratorin Simone Grünewald plaudert ganz offen aus dem Nähkästchen und hat wertvolle Tipps und Tricks im Gepäck, wie Ihr spielend Eure Skills am Stift optimieren könnt. Dabei ist es ganz egal, ob Ihr klassisch mit Bleistift auf Papier zeichnet oder den digitalen Weg am Grafik-Tablet einschlagt. Mit Digi-Pen und Tablet habt Ihr natürlich Vorteile, da sich (zum Beispiel in Photoshop) mit Layern arbeiten lässt, auf denen Ihr über Eure ersten groben Skizzen einfach drüber zeichnen und nach und nach an den Feinheiten arbeiten könnt. Aber die vorgestellten Techniken lassen sich auch (mit ein wenig Geschick) mit einem Meißel und einer Felswand umsetzen, weshalb die Wahl des Werkzeuges eigentlich eher sekundär ist.

Nach einer kurzen Einleitung erzählt Simone Grünewald aber erstmal etwas über ihren künstlerischen Werdegang. Begleitet von charmanten Zeichnungen startete ihre kreative Reise bereits in den 80ern. Die Zeitleiste reicht von beruflichen Momenten – darunter ihre langjährige Arbeit für den Spiele-Entwickler DEADALIC (unter anderem für die „Deponia“-Adventures bekannt) und ihrer Arbeit als Freelancerin – bis hin zu privaten Entwicklungen. Da darf die Hochzeit ebenso wenig fehlen, wie die Geburt des gemeinsamen Sohnes Remus, der so ziemlich alles im Leben des glücklichen Paares auf den Kopf stellte. So ist es nicht verwunderlich, dass der Kleine auch in manchen Zeichnungen der stolzen Mama auftaucht. Danach geht es dann ans Eingemachte…

Simone Grünewald kann auf langjährige Erfahrung zurückgreifen und teilt diese auch mit uns. Sie erzählt von ihren eigenen Angewohnheiten, Inspirationen und Kniffen, wie man eine zeichnerische Routine entwickeln kann. Wir erfahren, mit welchen Tools wir gewünschte Effekte erzielen oder wie wir unseren eigenen Stil überhaupt erstmal finden können. Nicht unerheblich, denn es kommt natürlich immer drauf an, WAS wir aufs Papier bannen wollen. Dass ein bewegendes Kriegsdrama in quietschbunter Micky Maus-Optik eher suboptimal wäre, brauche ich ja nicht extra zu erwähnen, nicht wahr? Dabei ist es sogar ganz egal, welchen Stil Ihr bevorzugt, da Simone zeigt, dass sich anhand einfacher Ausgangspunkte so gut wie jeder Zeichenstil formen lässt. Dabei spielt natürlich auch die Anatomie eine große Rolle. Hat man diese erstmal verinnerlicht, kann man nach Belieben beim ganz eigenen Character-Design variieren.

Keine Angst, trotz vieler anatomischer Beispiele ist „Sketch Every Day“ alles andere als staubtrocken. Ihr lernt was über Schattierung und Beleuchtung, Körperhaltung, Mimik und Gestik, Bewegung und Faltenwurf verschiedener Stoffe. Natürlich auch über Kolorierung und wie Ihr die passenden Farben für Eure Charaktere findet, ohne dass sie aussehen, wie Lieschen Müller beim Spargelstechen. Color-Blocking kann ja mal ganz schön sein, aber wenn die Augen permanent bluten, ist ja auch niemandem geholfen, gelle? So folgt eine hilfreiche Lektion nach der anderen, was dieses Buch zur wichtigen Stütze bei der kreativen Selbstfindung macht.

Wie Sand am Meer…

…finden sich für die angehende Zeichnerin oder den angehenden Zeichner unterstützende Lernhilfen auf dem Ratgeber-Markt. Mal mehr mal weniger ins Detail gehend, kann man dort einiges lernen, um seine künstlerischen Fähigkeiten zu erweitern oder sich die kreative Arbeit deutlich zu erleichtern. Fast schon als Standardwerk kann man Scott McClouds „Comics machen“ (ebenfalls bei CARLSEN erschienen) betrachten. Dieses steht auch in meinem Regal und wird gerne mal zur Hand genommen, wenn mal wieder Leerlauf auf dem Papier herrscht. Ebenso die beiden Werke der niederländischen Künstlerin Lois van Baarle, die unter ihrem Künstlernamen nicht nur die lesenswerten Bücher „The Art of Loish“ und „The Sketchbook of Loish“ (beide beim Verlag 3DTOTAL PUBLISHING erschienen, wo auch „Sketch Every Day“ zuerst in englischer Sprache publiziert wurde) herausgebracht hat, sondern sich vor allem durch ihr Variant-Cover zum US-Comic „Blackbird“ #3 (IMAGE) in meine Netzhaut gebrannt hat. Comic-Kunst in den leuchtendsten Farben. Die Arbeiten der Dänin Pernille Ørum muss ich da im gleichen Atemzug nennen, da ihr modern-cartooniger Stil einfach absolut frisch wirkt, wie sie bereits in der Mini-Serie „Hit-Girl in Hollywood“ (als deutscher Sammelband bei PANINI) an der Seite von Autor Kevin Smith bewiesen hat. Deswegen ist ihr aktuelles Artbook „The Art of Pernille Ørum“ eine weitere Empfehlung.

Umso erfreulicher, dass sich zu meinen ganz privaten Inspirationsquellen und Nachschlagewerken nun ein weiterer Vertreter gesellen darf. Simone Grünewalds „Sketch Every Day“ würde ich nämlich jeder und jedem in die Hand drücken, die/der Spaß am Zeichnen hat und ernsthaft an seiner Technik feilen möchte. Zahlreiche Tipps sind Gold wert und können derart simpel umgesetzt werden, dass es fast schon ZU einfach erscheint. Ein kleiner Strich an einer anderen Stelle und das Ergebnis verblüfft. Dabei scheut sich Simone Grünewald auch nicht, die häufigsten Fehler in Wort und Bild aufzuzeigen. Sie gibt sogar offen zu, dass auch sie in einige künstlerische Fettnäpfchen getreten ist, was einerseits sehr sympathisch ist und auf der anderen Seite zeigt, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Damit nimmt sie den Lesern direkt mal die Angst vor zu hoch gesteckten Zielen, denn nur wer am Ball bleibt, kann sich verbessern.

Schmoedraws

Wenn Ihr diesem Künstlernamen schon mal irgendwo begegnet seid, dann kennt Ihr auch Simone Grünewald. Unter dem Namen Schmoedraws ist sie nämlich sehr erfolgreich in den sozialen Medien unterwegs und präsentiert dort regelmäßig ihre abwechslungsreiche und doch unverkennbare Kunst. Eine große Freude, dass der CARLSEN Verlag sich ihres Ratgebers angenommen hat und diesen nun auch für ein deutschsprachiges Publikum zugänglich macht. Das Buch kommt dabei in gebundener Form. Jedoch nicht im festen Einband, sondern als Flexcover mit angenehm weicher Oberfläche. So macht sich das gute Stück auch schön im Regal, obwohl man es beim Zeichnen nicht zu sehr außer Reichweite legen sollte. In meinem Exemplar sind schon einige Post-Its verstaut, da mir in ähnlich angelegten Ratgebern nicht auf derart detaillierte UND einfache Art und Weise Abhilfe bei Problemen verschafft wurde.

Fazit:

Ihr möchtet Euren kreativen Horizont erweitern? Eure Charaktere sehen aus wie ‘n Schluck Wasser in der Kurve und haben Wurstfinger, die in alle Richtungen zeigen, nur nicht dorthin, wo Ihr sie haben wollt? Ihr braucht Beispiele, wie Eure Kreationen den richtigen Gesichtsausdruck aufsetzen oder die passende Körperhaltung einnehmen, ohne dass es aussieht, wie der Elefantenmensch kurz vorm Abflug? Bitteschön: „Sketch Every Day“.

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