Shutter Island
- Schreiber & Leser
- Erschienen: Juli 2010
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Abstieg in die Dunkelheit
Eine flog aus dem Kuckucksnest
Die US Marshals Edward „Teddy“ Daniels und sein neuer Partner Charles „Chuck“ Aule werden zu einem Fall in der Hochsicherheits-Anstalt auf Shutter Island gerufen. Die Insel, die nur mit einer Fähre erreichbar ist, beherbergt in ihrer geschlossenen Einrichtung geisteskranke Schwerverbrecher. Eine dieser Insassen ist spurlos verschwunden, was die Verantwortlichen vor ein Rätsel stellt. Wie konnte die mehrfache Kindesmörderin Rachel Solando entkommen? Ihre Zelle: verschlossen. Die Fenster: vergittert… sogar ihre Schuhe sind noch vorhanden. Ohne Hilfe konnte die gestörte Frau unmöglich aus der Anstalt flüchten. Eine in der Zelle hinterlassene Notiz weckt das Interesse der beiden Marshals. Teddy macht sich an das Entschlüsseln der mysteriösen Botschaft und stößt beim Lösen des Zahlenrätsels auf weitere Ungereimtheiten. Die Notiz verweist auf einen 67. Patienten… obwohl alle Aussagen der Angestellten auf 66 Insassen schließen lassen. Das Klinikpersonal erweist sich als nicht sonderlich kooperativ und steht den Ermittlungen mehr im Wege, als es ihnen nutzt. Rachel Solandos behandelnder Arzt glänzt durch Abwesenheit und Teddy und Chuck sind bei ihren Nachforschungen auf sich allein gestellt. Doch auch Teddy spielt nicht mit offenen Karten und es stellt sich heraus, dass er nicht zufällig auf Shutter Island gestrandet ist. Er verfolgt persönliche Ziele, die ein dunkles Kapitel seiner Vergangenheit offenbaren könnten. Ein aufkommender Sturm zwingt die beiden US Marshals zu einem längeren Aufenthalt auf der geheimnisvollen Insel und macht sie selbst zu Gefangenen. Wo ist Rachel Solando? Wen oder was jagt Teddy Daniels… und wer ist der mysteriöse 67. Patient, der abgeschirmt in einem Trakt für besondere Härtefälle untergebracht scheint?
Triple-Trip
„Shutter Island“ stammt ursprünglich aus der Feder des amerikanischen Autors Dennis Lehane und wurde bereits 2003 veröffentlicht. Ihm verdanken wir auch den Roman „Spur der Wölfe“, der unter seinem Originaltitel „Mystic River“ meisterhaft von Clint Eastwood verfilmt wurde. Lehanes „Shutter Island“ verbeugt sich geradezu vor dem klassischen „Film noir“, dem Genre, das mit seinen düsteren Kriminalgeschichten das amerikanische Kino ab den frühen 40ern für gut zwei Jahrzehnte spannend beherrschte. Auch heute sind Abwandlungen des Genres noch gerne gesehen, werden allerdings als „Neo-Noir“ bezeichnet. Ähnlich wie zwei der bekanntesten Hardboiled-Autoren, Raymond Chandler und Dashiel Hammett, auf deren Konto die Ermittler Philip Marlowe und Sam Spade gehen, widmet sich auch Lehane dem klassischen Stoff und verfrachtet seine beiden US Marshals in die USA der 1950er. Daniels und Aule wirken, wie mit allen Wassern gewaschen. Typische, abgebrühte Charaktere, die den Geschichten damaliger Pulp-Magazine entsprungen sein könnten. Doch die Fassade – zumindest bei einem der beiden Marshals – fängt früh an zu bröckeln und der Autor entfesselt ein verwirrendes Katz- und Maus-Spiel zwischen Wahn und Wirklichkeit… und all dies vor der alptraumhaften Kulisse eines Irrenhauses auf einer abgelegenen Insel.
Solch eine visuelle Geschichte schreit natürlich geradezu nach einer Verfilmung und kein geringerer als Alt-Meister Martin Scorsese nahm sich des Stoffes an. Der oscarprämierte „Taxi Driver“-Regisseur konnte für seinen Psycho-Thriller ein beachtliches Aufgebot an Stars gewinnen und so verwundert es auch nicht, dass die Hauptrolle an seinen Haus-und-Hof-Darsteller Leonardo DiCaprio ging. Er schlüpfte authentisch in die Haut von Marshal Teddy Daniels, unterstützt vom unglaublichen „Hulk“ himself, Mark Ruffalo. Hinzugesellen durften sich Größen wie Ben Kingsley („Gandhi“), Max von Sydow („Der Exorzist“), Michelle Williams („Manchester by the Sea“), Emily Mortimer („The 51st State“), Jackie Earle Haley (Rorschach in „Watchmen“) und Ted Levine (Buffalo Bill aus „Das Schweigen der Lämmer“/Chef von Adrian „Monk“). Herausgekommen ist ein düsterer, atmosphärischer Trip in die dunklen Abgründe der Psyche, dessen Finale Freiraum für Spekulationen lässt. Visuell eindringlich und extrem spannend. „Shutter Island“ startete im Jahr 2010 in den Lichtspielhäusern und wurde weltweit positiv aufgenommen. Der Psycho-Thriller spielte bei einem Budget von rund 80 Millionen Dollar gut 295 Millionen ein.
Im gleichen Jahr erschien bei uns auch die Comic-Adaption im Schreiber & Leser Verlag… also nach dem erfolgreichen Kinostart. In Frankreich wurde Christian De Metters Werk bereits 2008 publiziert, orientierte sich inhaltlich also an der Roman-Vorlage. Inhaltlich ein wenig gestrafft, büßt seine Graphic Novel auch nicht das kleinste Bisschen an Atmosphäre ein. Meisterhaft lenkt er seine Charaktere durch die bedrohlichen Gemäuer der Anstalt und lässt sie buchstäblich durch die Hölle gehen. De Metter passt sich mit seinen düsteren Zeichnungen dem unheilschwangeren Ton der Vorlage an und verleiht den Figuren ein realistisches Äußeres, was die Authentizität gelungen unterstreicht. Die dunkle Sepia-Kolorierung verfehlt ihre Wirkung nicht und scheint als perfekte Wahl, um die Stimmung gekonnt zu projizieren. Eine natürliche und realistische Farbgebung kommt nur in Traumsequenzen zum Einsatz und hebt sich so angenehm von der harten, rauen Wirklichkeit ab. Der großflächige Einsatz von Schattenwürfen wirkt ebenfalls gut platziert und effektiv.
Das Softcover mit Klappenbroschur von Schreiber & Leser erfüllt seinen Zweck und liegt gut in der Hand. Hier würde ich mir sogar ein schön gestaltetes Hardcover wünschen, das den meisterhaften Inhalt würdig einrahmt. Dafür würde ich sogar erneut zuschlagen. Im Anhang der Graphic Novel findet sich noch der Prolog des Romans von Dennis Lehane und man bekommt kurze Informationen zu Autor und Zeichner.
Fazit:
“Shutter Island” funktioniert grandios… und zwar in allen Medien. Auch Kennern der Roman- oder Film-Vorlage sollte die Graphic Novel mit den atmosphärischen Illustrationen von Christian De Metter unbedingt einen Blick wert sein. Ein abgründiges Verwirrspiel, das den Leser packt und zum erschütternden, unausweichlichen Höhepunkt schleift.. quer durch die Hallen der bedrohlichen Anstalt. Die Story konzentriert sich auf die wesentlichen Dinge der Vorlage, ohne wichtige Passagen zu verschlucken. Sie funktioniert inszenatorisch perfekt, was nicht nur am Erzählerischen liegt, sondern auch an den stimmigen Bildern. Aber auch hier gilt:
Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Inhaltsangabe und fragen Sie Ihren Händler oder Rezensenten.
Dennis Lehane, Christian De Metter, Schreiber & Leser
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