Alle Jahre wieder
Ebenezer Scrooge ist ein alter, griesgrämiger, verbitterter und überaus geiziger Mann. Für das Weihnachtsfest mit viel Ausgelassenheit und Freude hat er ganz und gar nichts übrig. Erst recht nicht, wenn es um Spenden oder die Unterstützung Hilfsbedürftiger geht. Im Gegenteil, am liebsten wäre ihm sogar, dass sein Gehilfe Bob Cratchit auch an den Festtagen arbeiten. Die Begegnung mit dem Geist seines ehemaligen Geschäftspartners Jacob Marley aber wird sein Leben für immer verändern…
Ein Geist ist hier genug
„A Christmal Carol“ von Charles Dickens ist sicherlich eine der bekanntesten Weihnachtserzählungen unserer Zeit. Das anrührende Märchen ist nicht nur mehrfach neu aufgelegt worden - als Buch, Hörbuch oder Hörspiel - sondern hat neben Theater- und Musicalfassungen vor allem auch zahlreiche Film- und Fernsehadaptionen, erfahren. Von letzteren sind mir vor allem „Die Geister, die ich rief…“ (1988) mit Bill Murray, „Die Muppets-Weihnachtsgeschichte“ (1992) mit dem wunderbaren Michael Caine und die sehr spannende, als 3D-Animationsfilm überaus atmosphärisch und durchaus gruselig inszenierte „Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“ (2009) von Robert Zemeckis in Erinnerung geblieben.
Während im Original und auch in den vorgenannten Filmen mehrere Geister dem alten Scrooge erscheinen, ihm sein wahres Ich und die aus seinem Verhalten resultierenden Konsequenzen aufzeigen, übernimmt diese Aufgabe hier der Geist von Jacob Marley allein. Entsprechend verkürzt und auch dramaturgisch komprimierter stellt sich die Wandlung vom unsympathischen Griesgram zum beliebtesten Mitbürger Londons in den 1840er Jahren dar. Dennoch bleibt die zentrale Botschaft erhalten und auch hier werden wir nach 48 Seiten mit einem herzerwärmenden und schönen Finale belohnt.
Estelle Meyrand taucht die Geschichte in ein passendes stimmungsvolles Gewand. Auch wenn es ernstere Passagen im Buch gibt und insbesondere der Blick in die düstere Zukunft doch recht schonungslos ist (immerhin muss Scrooge von seinem eigenen Tod - dem niemand nachweint - erfahren, sein Neffe will sich das Leben nehmen und der Tod des kleinen Tim, Sohn seines Gehilfen Bob Cratchit, erschüttert ihn ebenso sehr), so behält Meyrand stets das eher junge Publikum im Blick. Die Bilder sind harmonisch komponiert, Scrooge ist nicht wirklich richtig finster böse gezeichnet und auch der Geist von Jacob Marley hat wenig Schauderhaftes an sich. Alle anderen Figuren sind durchweg sympathisch, jedoch ebenfalls wenig markant. Gelungen ist das auf die Dramaturgie abgestimmte Wechselspiel aus dunkleren, tristen Passagen und Szenen mit kräftigen, leuchtenden Farben.
Fazit:
Alle Jahre wieder gehört Charles Dickens Weihnachtsmärchen zum Repertoire stimmungsvoller Weihnachtsunterhaltung. Auch diese Comic-Adaption hat nichts vom ursprünglichen Charme verloren und berührt mit Herzlichkeit und Wärme. Auch wenn mir persönlich doch die gesamte Geisterschar fehlt und mir insgesamt etwas zu sanftmütig zu Werk gegangen wird, dem jüngeren Zielpublikum wird der liebevollere Ansatz entgegenkommen. Dieses wird sich allerdings mit ein paar sperrigen Begrifflichkeiten arrangieren müssen. Wenn Scrooge den kleinen Tim am Ende fest in den Arm nimmt, freuen wir uns alle auf ein Wiedersehen. Spätestens im nächsten Jahr…
Charles Dickens, Rodolphe, Estelle Meyrand, toonfish
Deine Meinung zu »Scrooge - Eine Weihnachtsgeschichte«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!