Spannend erzählt. Fantastisch inszeniert. Das ist wahrlich großes Comic-Kino!
Ein Flugzeugabsturz in einer US-Kleinstadt fordert zahlreiche Tote und Verletzte. Inmitten der Katastrophe: ein Unbekannter, der ein achtjähriges Mädchen, das aus dem Flugzeug geschleudert wurde, retten kann. Nicht nur, dass das Mädchen völlig unversehrt überlebt, sondern auch dass dieser Unbekannte nackt und blutüberströmt war und sich an nichts erinnern kann, macht den Umstand der Rettung merkwürdig. Nach einem unbeobachteten Moment im Verhörraum der Polizei – lediglich ein aus Zigaretten geformtes „Sorry“ bleibt zurück - verschwindet der Unbekannte und ist nicht mehr auffindbar...
Während Polizei und Presse auf der Suche nach dem Unbekannten sind versucht dieser selber seine eigene Identität zu ergründen und nimmt Kontakt mit der Journalistin Cassandra Hale auf. In der Forschungseinrichtung des Verteidigungsministeriums fragt man sich hingegen, was die genaue Absturzursache war, warum noch immer ein Großteil der Leichen nicht entdeckt wurde und warum sechs Sekunden lang im Umkreis von 30 Meilen um die Absturzstelle keine Elektronik und kein Sender funktionierten. Die Ereignisse spitzen sich dramatisch zu, als Malcolm Trent – ein junger Mann, der in der Gesellschaft nicht so recht seinen Platz gefunden und durch den Flugzeugabsturz zwei Freunde verloren hat - seinen Lebenssinn darin sieht, der Welt eindrucksvoll zu beweisen, wer der Unbekannte in seinen Augen ist. Und er ist zum Äußersten bereit...
Erzählerisch und visuell kraftvoll
Um es direkt vorweg zu nehmen: „Savior“ ist ein beeindruckender Comic! Die Autoren Todd McFarlane und Brian Holguin (beide u.a. bekannt als Autoren der SPAWN-Reihe) sowie die digitalen Bilder von Clayton Crain haben hier gleichermaßen ihren Verdienst. Das kreative Trio zeigt eindrucksvoll auf, welche erzählerische und visuelle Kraft in einem Comic entfaltet werden kann. Dennoch sind es zunächst die Bilder, die einen förmlich in die Handlung hineinziehen. Das gesamte Layout überzeugt und schafft eine filmische Atmosphäre, die nicht zuletzt von der hervorragenden Kolorierung getragen wird. Variierende Panel, dynamische Perspektivwechsel und geschickte Verwendung von Schärfe und Unschärfe betonen dabei Tempo und Dramatik.
Das geheimnisvolle Ambiente weckt Erinnerungen an Fernsehserien wie Akte X. Nur, dass es keine Figuren wie Scully und Mulder in „Savior“ gibt. Der Spannungsbogen der Geschichte enthält sorgfältig akzentuierte Höhepunkte und wartet mit einem gelungen Plot auf. Und nach dem Ende wird sich jeder ausmalen können, mit welchen Entwicklungen und Konsequenzen zu rechnen ist… Ob es jemals eine Fortsetzung geben wird?
Religion, Fanatismus, Medienkritik und die Sehnsucht nach einem modernen Super-Helden
Savior bedeutet Erlöser und gleich im Intro wird die zentrale Frage an den „Mystery-Man“ – wie der Unbekannte zwischenzeitlich von den Medien getauft wurde – gestellt. Die Frage, die auch den Leser im Laufe der Erzählung weiter beschäftigen wird. Die entsprechende Szene ist ein Zeitsprung kurz vor das Ende der Geschichte. Eine Journalistin fragt dort in einer Live-Übertragung: „Halten Sie sich für Gott?“ Und in der Tat gibt es zahlreiche Szenen – neben der wunderhaften Rettung des Mädchens - die diese Frage als nur zu verständlich erscheinen lassen: Eine Zigarette, die nur mit Gedankenkraft angezündet wird. Stigmata auf den Handflächen, die an die Kreuzigungsmale Jesus erinnern. Eine Lichterscheinung, die das Verschwinden des Unbekannten einleitet. Ist wirklich ein neuer Messias auf der Erde erschienen?
Doch Savior ist damit noch lange kein religiöser Comic. Zu vielschichtig und komplex entwickelt sich die Geschichte. Es entsteht ein durchaus polarisierender Blick auf unsere moderne Gesellschaft, die durch ein besonderes Ereignis aufgerüttelt ihre unterschiedlichen Gesichter zeigt. Die Medienlandschaft hat ihre Top-Story, eine radikale religiöse Gruppe nutzt die Beerdigung der Absturzopfer für eigene Zwecke. Die Politik hingegen braucht Antworten und Kontrolle. Und da gibt es zwischen Sensationslust und Fanatismus den einfachen Glauben und die Sehnsucht an das göttliche Gute oder - um im Comic-Jargon zu bleiben – einen modernen Super-Helden, der unvorstellbare Dinge vollbringen kann und auch die Sterblichkeit zu überwinden vermag….
Fazit
Wenn Zeichnung und Text eine derart intensive Symbiose eingehen, dann entsteht ein Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Einmal angefangen, konnte ich "Savior" nur schwer aus der Hand legen und fieberte der Auflösung entgegen. Spannend und intelligent erzählt, mit intensiver Atmosphäre und zu jedem Zeitpunkt fantastisch inszeniert, „Savior“ ist wahrlich großes Comic-Kino!
Brian Holguin, Todd McFarlane, Clayton Crain, Panini
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