Santas große Sause - Band 1: Dicke Nase
- Kult Comics
- Erschienen: Oktober 2021
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Warten auf den Weihnachtsmann
Knallvoll
Da will der gute Santa sich vor einer anstrengenden Schicht im Wirtshaus noch ein wärmendes Schlückchen in den kugelrunden Bauch gießen, da endet der Kneipenbesuch so, wie ihn viele von uns nach mühsamen Rekapitulieren am nächsten Tag schon mal zusammengepuzzelt haben: sturzbesoffen… inklusive Filmriss und mit einer Faust in der Visage. Im Gegensatz zu uns, die wir dann wissen, woher unsere Kopfschmerzen kommen, hat Santa unmittelbar nach der Keilerei aber ganz andere Probleme. Sein Gedächtnis wurde ihm nämlich dauerhaft aus der Rübe gedroschen. Alles weg… nix mehr da. Warum trägt er diesen komischen roten Mantel? Warum glüht seine Nase leuchtender als die von Rudolph dem Rentier? Und… wer zur Hölle IST eigentlich Rudolph???
Glücklicherweise nimmt eine tatkräftige Kneipenbesucherin den zer- und verstörten Santa in ihre Obhut. Soll heißen, dass sie sofort einen Narren an dem Dickerchen gefressen hat und ihn mit eindeutigen Absichten abschleppt. Nein, es soll kein weihnachtliches Tête-à-tête an Heiligabend sein… es ist gleich von Hochzeit die Rede! Mit der Situation gänzlich überfordert, kann der arme Kerl sich nicht an eine vermeintliche Verlobte erinnern und tut sich schwer, den Aussagen zu glauben, mit denen die resolute Dame ihn konfrontiert… ja, sogar manipuliert. Als dann auch noch eine bestürzende TV-Ansprache des Bundeskanzlers darüber informiert, dass der Weihnachtsmann in diesem Jahr auf das Austragen der Geschenke zu verzichten scheint, dämmert unserem Freund mit dem roten Kolben, dass da etwas nicht stimmen kann. Glücklicherweise folgt der Werbespot eines Quacksalbers, der angeblich behilflich bei Erinnerungslücken sein kann. Also… auf zum Doc!
Durchgesaust
„Santas große Sause: Dicke Nase“, aus der Feder von Michael Mikolajczak, ist ein waschechter Funny. Damit betritt der Autor Neuland, hat er uns doch zuvor düstere Titel wie „Ratten“, „Blutspur“, „Paradies“, die verschachtelte Graphic Novel „Sumi“, den poetisch-finsteren „Sandmann“ oder zuletzt die radikale Serienkiller-Biographie „Der Vampir von Düsseldorf“ beschert. Mikolajczaks Weihnachts-Comic ist da weitaus leichter zu verdauen, hat jedoch auch ein paar faule Eier im Sack. Ebenso zweideutig wie der letzte Satz, sind einige Anspielungen in der Geschichte. Es finden sich ebenso Pop-Kultur-Referenzen (Tokio-Stampfer „Godzilla“, der fleischgewordene Messias jedes Dental-Hypochonders „Dr. Best“ oder eine luftige Reminiszenz an „Die Frau in Rot“ vom Mann in Rot), wie Verweise auf die Politik und das Tagesgeschehen. Inhaltlich also breit aufgestellt, obwohl die eigentliche Geschichte um den Dicken vom Nordpol und sein verlorenes Gedächtnis eher einfach gestrickt ist. Daher wird nicht deutlich, wo die eigentliche Zielgruppe liegen soll. Ob der reichhaltige Alkoholgenuss und kiffende Rentiere unbedingt für die jüngste Leserschaft geeignet sind, sei mal dahingestellt. Dafür sind Anspielungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt für Ältere bestimmt, die sich dann allerdings nicht über umherfliegende Rotz-Fontänen wundern sollten. Da bleibt die „Sause“ leider ein überschaubares Vergnügen. Dass Michael Mikolajczak deutlich mehr auf dem Kasten hat, beweisen seine gehaltvolleren Geschichten, die dann auch länger im Gedächtnis bleiben… sogar in Santas angeschlagener Murmel.
Umgesetzt wurde die Story von André Lammert. Sein erstes Comic-Projekt. Das Character-Design sticht besonders heraus und der Cartoon-Look ist durchaus stimmig. Große Augen, knollige Nasen und schwungvolle Outlines. Trotzdem konnten mich sterile Panels und fehlende Hintergründe, die durch simple Farbverläufe kaschiert wurden, nicht zu vorweihnachtlichen Freudensprüngen animieren. Der größte Schwachpunkt ist ganz klar die Kolorierung. Nichts gegen eine bunte Optik, aber die digitale Einfärbung ist schlicht und erweist sich leider als Stimmungskiller. Schattierungen fehlen oft gänzlich. Sollten sie vorhanden sein, verhalten sie sich dann irgendwas zwischen unnatürlich und aufdringlich. Dass André Lammert aber zeichnerisch durchaus Tiefe vermitteln kann, zeigen seine Figuren- und Hintergrundskizzen im kurzen Bonusteil des Hardcover-Albums. Genau diesen Look hätte ich mir für den ganzen Band gewünscht. Gerne auch in schwarz-weiß und mit analoger Strichführung. Der eher nach „Handwerk“ aussehende Stil hätte viel mehr Atmosphäre verströmt, was bei einem Comic mit Weihnachts-Thematik das A und O sein sollte.
Wer trotz der genannten Defizite Interesse an dem schrägen und kurzweiligen Funny haben sollte, hat die Möglichkeit, eine limitierte Vorzugsausgabe von „Santas große Sause: Dicke Nase“ zu erstehen. KULT COMICS hat neben der regulären Ausgabe im Alben-Format 50 Exemplare mit alternativem Cover-Artwork und signiertem Exlibris im Programm.
Fazit:
So richtig zünden wollte „Santas große Sause“ nicht. Wer es kurzweilig und leicht amüsant mag, sollten einen Blick riskieren. Glühende Fans des christlichen Festes, die die funkelnde Deko schon beim ersten lauen Herbst-Lüftchen in den Baum werfen, könnten hingegen enttäuscht werden. Inhaltlich etwas zu seicht und in der künstlerischen Umsetzung mit ordentlichen Defiziten in der unnatürlichen Kolorierung.
Michael Mikolajczak, André Lammert, Kult Comics
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