Landleben in Japan
Ich bin kein Manga, ich bin ein Gekiga
Manga verbindet man meistens mit großen Schlachten, actionreichen Kämpfen und mystischen Welten. Wer im Buchhandel aber nach „Roter Schnee“ greift und eine Geschichte à la „Dragonball“ oder „Demon Slayer“ erwartet, der hat sich gehörig in seiner Auswahl vergriffen. Denn „Roter Schnee“ ist kein Manga, sondern ein Gekiga.
Gekiga und Manga unterscheiden sich mehr oder weniger in der Form, wie sich Comics und Graphic Novels voneinander unterscheiden. Die Gekiga-Bewegung wollte realistischere und ernsthafte Geschichten erzählen.
Und so ungefähr lassen sich die Geschichten, die im Sammelband „Roter Schnee“ zusammengetragen wurden, im Groben beschreiben. Katsumatas Geschichten handeln vom ländlichen Japan und seiner Bewohner.
Magischer Realismus auf Japanisch
Dabei unterscheiden sich die zehn Geschichten sehr voneinander. Während einige durchaus zum realistischen Setting von Gekiga-Storys passen, triefen andere wiederrum von japanischer Folklore. Zum einen haben wir Geschichten, in denen zwei Kinder sich zanken und man darin das Schicksal eines jungen Mädchens auf der Schwelle zum Frau-Werden betrachtet. Zum anderen erzählt Katsumata in „Torajiro Kappa“ von einem kleinen Jungen, der die Hilfe eines Kappa – ein Geschöpf der japanischen Mythologie – ersucht, um eine Frau vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu retten. Trotzdem würde ich sagen, dass Katsumatas Geschichten bodenständig bleiben. Auch bei den verrücktesten Ideen (ein Mädchen ist in einem Baum verliebt?!) behandelt Katsumata seine Figuren, als wären sie echte Menschen. Ich hatte in keiner Geschichte das Gefühl, dass er auf das ländliche Leben hinabschaut oder dieses verherrlicht.
Zeichenstil aus dem Archiv
Wer „Roter Schnee“ lesen will, muss sich bewusst sein, dass die darin veröffentlichten Kurzgeschichten schon fast ein halbes Jahrhundert alt sind. Erschienen sind diese nämlich ursprünglich in verschiedenen Zeitschriften zwischen 1976 und 1985. Dementsprechend „alt“ sind auch die Zeichnungen. Die Figuren sind sehr cartoonig gestaltet. Die Frauen haben weiche Züge, während die Männer eckigere Gesichter haben. Auch die Emotionen zeichnet Katsumata sehr cartoonig überzeichnet. Wenn der kleine Junge bei seinem ersten Rettungsversuch vom gewalttätigen Ehemann eine auf die Zwölf bekommt, kauert er da mit einer fetten Beule auf seinem Kopf und ganz viele Tränen umrahmen den kleinen Jungen. Im Kontrast dazu stehen manchmal sexuell etwas aufgeladenere Bilder. Es gibt hier und da (nicht explizite) Sexszenen und an der einen oder anderen Stelle werden Frauen oben ohne gezeigt.
Fazit:
Die Geschichten in „Roter Schnee“ sind sehr kurzweilig und bieten einen interessanten Einblick in das ländliche Japan. Mir hat die Mischung aus Folklore und Realismus sehr gut gefallen. Auch der cartoonige Stil hat sehr schön zu den teilweise humorigen Geschichten gepasst. Richtig empfehlenswert ist „Roter Schnee“ vor allem für Manga- bzw. Gekiga-Fans, denn Reprodukt liefert mal wieder ordentlich Zusatzmaterial. Im Nachwort gibt es Infos zu den einzelnen Storys, deren Veröffentlichungsgeschichte und manchmal gibt es sogar ein paar Worte vom Autor selbst.
Susumu Katsumata, Susumu Katsumata, Reprodukt
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