Sightseeing+
Drei sind eine zu viel…
Danielle und Zoe kennen sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit in Kanada. Nun studieren die damals besten Freundinnen allerdings an unterschiedlichen Universitäten, was für eine gewisse Distanz zwischen ihnen sorgte. Ein gemeinsamer Trip nach New York, von dem beide schon lange träumten, soll das große Wiedersehen werden. Am Newark-Airport in New Jersey treffen die Studentinnen wieder aufeinander, und wir zu erwarten war, gibt es ein großes HALLO! Dani reiste aber nicht alleine an, sondern hat mit Fiona gleich noch eine Kommilitonin im Gepäck, mit der sie sich einige Kurse und den Flur im Studentenwohnheim teilt. Dani hofft, dass ihre BFF und ihre Neu-Freundin sich gut verstehen werden, sind sie doch komplett gegensätzlich. Während die burschikose Zoe mit ihrem kurzgeschorenen Schopf und der stets schwarzen Kleidung eher geerdet und introvertiert erscheint, ist Fiona das krasse Gegenteil. Flippig, frech und mit allen Wassern gewaschen, nörgelt sie hochnäsig vor sich hin, pfeift sich Joints rein und lässt auch den einen oder anderen Whiskey nicht lange unberührt. Überraschenderweise scheint die Chemie aber irgendwie zu stimmen. So sehr, dass Zoe und Fiona sich rasch näher kommen… und nach kurzer Zeit sogar im Bett landen. Und Dani? Die hatte sich den Kurztrip etwas anders vorgestellt. Zwischen dem obligatorischen Sightseeing und dem Hüpfen zwischen New Yorks Hotspots fühlt sie sich plötzlich sehr einsam… und irgendwie von ihren Freundinnen im Stich gelassen.
Aller guten Dinge sind… drei
Die preisgekrönten Tamaki-Cousinen haben es wieder getan. Nach der genialen Wohlfühl-Lektüre „Ein Sommer am See“ und dem in Deutschland vier Jahre später veröffentlichen Erstling „Skim“ (beide ebenfalls bei REPRODUKT erschienen), haben sich Jillian und Mariko Tamaki erneut zusammengetan, um eine schöne Mischung aus Coming-of-Age- und Slice-of-Life-Story auf die Beine zu stellen. Auch wenn ich selbst mit den Figuren nicht hundertprozentig warm wurde und vor allem Fiona mit ihrer „sassy attitude“ als störend/nervig empfand, muss man den kanadischen Schöpferinnen lassen, dass sie wieder einmal nah am Leben erzählen. Zwischen Freundschaft+ und der Einsicht, dass Menschen sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln, steht das Gerüst sowohl auf wackeligen als auf nachvollziehbar soliden Beinen. Wackelig für die Konstellation der Protagonistinnen, solide in Form des Wiedererkennungswertes, der sie auf die Leserschaft überträgt. Wer alte Schulfreunde nach längerer Zeit wiedertrifft, wird bestätigen können, dass die Zeit während der Abwesenheit nicht einfach stehenblieb. Dieses Gefühl fängt „Roaming“ hervorragend ein.
Auch die Titelwahl ist auf ihre doppeldeutige Art mehr als passend. Da die Handlung 2009 angelegt ist, wird der eine oder andere sich bestimmt noch an die teuren Gebühren erinnern, die fällig wurden, wenn man während eines Auslandsurlaubs mal mit den Lieben daheim plaudern wollte. Das ist auch in der Graphic Novel ein wiederkehrendes Thema. Übersetzt bedeutet „Roaming“ aber auch „herumwandern“ oder „streunen“, und damit trifft der Titel den Nagel noch direkter auf den Kopf. „Roaming“ ist nämlich eine absolute Liebeserklärung an New York, wo Mariko Tamaki laut Nachwort bereits viele tolle Tage verbrachte.
Ihre Cousine Jillian, wohnhaft in der kanadischen Millionenstadt Toronto, hat währenddessen alles gegeben, um bekannte Touri-Locations und abseitige Orte gleichermaßen stilvoll einzufangen. Besonders bei den Collage-artigen Doppelseiten ist es bedauerlich, dass der Verlag sich nicht für ein größeres Format entschieden hat, um den ausschweifenden Bildern mehr Raum zu bieten.
Fazit:
Authentische Dialoge und real existierende Örtlichkeiten machen diesen Schwank aus dem Leben zu einem gelungenen Leseerlebnis. Das Gefühlschaos auf dem Weg zum Erwachsensein ist ehrlich, hautnah und sehr schön erzählt. Obwohl ich mit den Figuren nur wenig Berührungspunkte hatte, machte das Erkunden der US-Metropole mit ihnen durchaus Spaß und bescherte eine gute Zeit… auch wenn für New York fünf Tage schon arg knapp bemessen sind.
Jillian Tamaki, Mariko Tamaki, Jillian Tamaki, Reprodukt
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