Text:   Zeichner: Julien Monier

RIP - 2. Maurice: Die Fliegen folgen immer dem Aas

RIP - 2. Maurice: Die Fliegen folgen immer dem Aas
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonMai 2023

Story

Nach dem starken Vorgänger bin ich überrascht, dass Band 2 sogar noch mehr in die Tiefe geht. Man darf gespannt sein, ob das hohe Niveau über die gesamte Länge der Konzeptreihe gehalten werden kann.

Zeichnung

Der semi-realistische Look federt die dargestellte Brutalität etwas ab. Nicht nur die bildliche Brutalität, sondern vor allem die der Story.

Dunkle Vergangenheit

Leichen, Leichen, immer nur Leichen…

Könnt Ihr euch einen Job vorstellen, gegen den selbst Al Bundys Latschenverkäufer-Laufbahn wie die Spitze der Karriereleiter erscheint? Nicht? Na dann kennt Ihr noch nicht die „lustige“ Truppe, die Wohnungen von Verstorbenen direkt nach deren Ableben nach wertvollen Gegenständen durchstöbert. Die Crème de la Crème des sozialen Abstiegs arbeitet im Auftrag dubioser Hintermänner, die die Polizei schmieren, um noch vor dem Leichenbeschauer am Tatort zu sein. Sollte sich ein „Kunde“ tatsächlich mal als dicker Fisch entpuppen, wandern wertvolle Funde selbstverständlich nicht in die Taschen der zwielichtigen Entrümpler. Nein, die Männer im Hintergrund sahnen schön ab. Damit dies auch so bleibt, werden die Tatort-Schnüffler nach jedem Einsatz gründlich gefilzt. Und um die oft gewaltbereiten Kollegen nicht gleich mit in Verruf zu bringen, würde es wohl niemand wagen, einfach gewinnbringende Fundsachen unbemerkt einzustecken. Zu dumm, dass kürzlich erst ein äußerst wertvoller Ring einfach so verschwand…

Derrick war derjenige, der das rund 800.000 Eier schwere Schmuckstück einsackte. Hah… Traum vom besseren Leben, bla, bla… wer hat das nicht? Zugeben würde er dies seinen Kollegen gegenüber natürlich nicht. Und erst recht nicht seinen raffgierigen Vorgesetzten beichten. Dann könnte er sich gleich sein eigenes Grab schaufeln. Apropos! Eines ist gerade erst wieder belegt. Der neue Mitarbeiter Ahmed hatte nur eine kurze Karriere in der Firma. Als die Situation sich unerwartet hochschaukelte, zog Ahmed, der es auf der internen Liste der Verdächtigen ganz nach oben schaffte, die wohl letzte Arschkarte seines kurzen Lebens…

Vom Gangsterkönig zum Leichenfledderer

Schrieb ich in der Rezension des ersten Bandes, „Derrick: Ich werde den Tod nicht überleben“, noch, dass Maurice, einer der Arbeitskollegen der dortigen Hauptfigur, noch zu den harmlosesten seiner Mitarbeiter gehört, muss ich da gleich mal zurückrudern. Band 2 rückt den schweigsamen Gesellen nämlich ins Rampenlicht und beweist, dass der Spruch „Stille Wasser sind tief“ wie eine perfekt sitzende Schablone auf die bewegte Vergangenheit des alten Mannes passt.

Maurice war einst eine große Nummer in der Unterwelt. Drogen, Geldwäsche, Wettbetrug, Hehlerei, Schutzgelderpressung und Gewaltdelikte aller Art. Also die ganze Palette einmal rauf und wieder runter. Allerdings kannte man ihn da noch unter seinem richtigen Namen… Marcello Loretti. In gewissen Kreisen genoss er einen zweifelhaften Ruf, umgab sich mit Schlägern, die erst zulangten bevor sie fragten, und galt als skrupellos. Dennoch konnte eine Frau sein vermeintlich steinernes Herz erweichen und er gründete eine Familie. Das endete tragisch, denn bei einem Attentatsversuch geriet seine hübsche Gattin in die Schusslinie. Die Cops, die schon lange ein Auge auf die Machenschaften Lorettis hatten, nahmen in hops und boten ihm überraschend einen Deal an. Er sollte die Behörden vom Knast aus mit Informationen versorgen. Als Gegenleistung bekäme er eine frische Identität und außerdem die Möglichkeit, wieder mit seiner Tochter vereint zu sein. Nur fair, doch die Vergangenheit lässt sich nicht so leicht abschütteln. Marcello mag schon vor Jahren gestorben sein, doch Maurice ist seinem ausgelöschten Ich schon dicht auf den Fersen…

„RIP“ ist…

…sowohl Charakterstudie, Drama und knallharte Crime-Story in einem. Das wird in Band 2 nur noch deutlicher. Die Zeitsprünge in die Vergangenheit sind clever eingestreut, sodass man als Leser förmlich an den Seiten klebt. Charaktere mit Identifikationspotential sucht man zwar vergebens, aber mehr über die bewegten Vergangenheiten der Protagonisten zu erfahren, ist unglaublich spannend. Dreckig, düster und trostlos. Diese drei Begriffe ziehen sich durch die gesamte Geschichte. Und wenn man denkt, dass es die tragischen Figuren nicht noch tiefer reißen könnte, setzt Autor Gaet's (bürgerlich Gaëtan Petit) noch eins drauf und setzt zum nächsten Treffer unter die Gürtellinie an. Ich bin unglaublich gespannt, wie die Story weitergeht und fiebere Band 3 entgegen, der für den Juni 2023 gelistet ist.

Die Zeichnungen von Julien Monier als „schön“ zu bezeichnen, klingt anhand der teils siffig-morbiden Bilder schon fast etwas bizarr. Aber das sind sie. Sie fangen die bedrückende Atmosphäre perfekt ein. Das Charakterdesign kann ich nicht genug loben, denn jede Figur besticht durch bestimmte optische Merkmale. Im Zusammenspiel mit erdigen und rostigen Farbtönen ein wahrer Leichen… äh, ich meine Augenschmaus.

Fazit:

Solltet Ihr bereits mit dem ersten Band der Reihe vertraut sein, greift unbedingt auch bei „Maurice: Die Fliegen folgen immer dem Aas“ zu. Der Blick in die tragische Vergangenheit des Alten riss mich noch mehr mit als Derricks trostloser Alltag.

RIP - 2. Maurice: Die Fliegen folgen immer dem Aas

Gaet's, Julien Monier, Splitter

RIP - 2. Maurice: Die Fliegen folgen immer dem Aas

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