Requiem

Requiem
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Marcel Scharrenbroich
10101

Comic-Couch Rezension vonAug 2021

Story

Einerseits eine gradlinige Story mit schon fast klassischem Verlauf… andererseits so viel mehr!

Zeichnung

Schwarze Striche und ein bisschen Aquarell. Klingt wenig? Bietet aber viel mehr als manch anderer Genre-Vertreter. Davon ab, sprengt „Requiem“ das Genre mit seiner Kreativität förmlich auf.

Der Weg ist das Ziel

Vom Suchen und Finden

Ein Schlachtfeld irgendwo im Nirgendwo. Leichenberge türmen sich meterhoch. Verwest, von unzähligen Pfeilen durchlöchert und vergessen. Doch ein gefallener Krieger schlägt plötzlich die Augen auf. Zumindest das, wo vorher mal seine Augen waren, denn unser namentlich nicht bekannter Held hat freilich schon bessere Tage gesehen und sieht ordentlich abgeledert aus. Die Rüstung schlackert an seinem knochigen Körper, doch bevor er sich die wichtigen Fragen, wie und warum er überhaupt noch auf Erden wandelt, stellen kann, versperrt ihm ein gigantisches Ungetüm die Sicht. Ein bulliger, gehörnter Dämon. Sich mit diesem herumzuschlagen, liegt nicht unbedingt in der Absicht des frisch Auferstandenen, doch der Gehörnte, der auf der Suche nach einem ganz bestimmten Buch weit gereist ist, lässt sich nicht von der fixen Idee abbringen, sich duellieren zu wollen. So bleibt dem wieder zum Leben erwachten Ritter nur die Flucht nach vorn…

Sein Weg führt in durch verlassene und entvölkerte Städte, verwitterte Ruinen. Als er unter einem Baum rastet, der in ihm ein seltsam vertrautes Gefühl weckt, erblickt er dort eine Krähe. Ähnlich der, die noch auf seinem Leichnam herumpickte bevor er wieder unter die Lebenden trat. Die Wanderkrähe, die den Jahreszeiten folgt, löst etwas in ihm aus. Erinnerungen an sein früheres Leben. An seine Kindheit. Wer er einst war und was seinen Weg bestimmte. Nicht mehr als ein kurzes Aufblitzen, möchte der Widergänger nun mehr über sein irdisches Dasein in Erfahrung bringen. Er nimmt den beschwerlichen Weg in Kauf und folgt dem Pfad der Krähe… in der Hoffnung antworten auf seine Fragen zu bekommen. Dabei ist ihm der gehörnte Dämon stets auf den Fersen.

Durch die Jahreszeiten

„Requiem“ ist ein Comic voller Besonderheiten. Und direkt zu Beginn entsteht der Eindruck, dass wir scheinbar zu spät dran sind! In etwa so, als würden wir bei „Game of Thrones“ oder einem beliebigen Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie zu spät eingeschaltet haben, und nun nach der größten Schlacht noch Highlights erwarten. Im Gegensatz zu den genannten Beispielen, folgt bei „Requiem“ allerdings nicht der Abspann (was am Anfang eines Comics auch reichlich komisch wäre), sondern es beginnt die große Helden-Reise. Da fällt es nicht sonderlich ins Gewicht, dass wir das muntere Metzeln auf dem Schlachtfeld nicht mitverfolgen konnten. Was dort vorher geschah, kann uns egal sein. Wichtig ist, wie wir mit unserem wiedererweckten Krieger langsam dessen Vergangenheit entschlüsseln.

Dabei ist es egal, ob gleich mehrere Seiten mit wenig oder gar keinem Text auskommen, denn die Bilder sprechen für sich. Es gibt nur einen Weg: vorwärts. Das wird schnell klar und erweckt manchmal das Gefühl eines Adventure-Games, bei dem wir uns Level für Level nach vorne kämpfen, Widrigkeiten trotzen und riesigen Endbossen taktierend gegenüberstehen, bis wir diesen aufs Maul gehauen haben, und unsere Reise schließlich fortsetzen können. Und das ist durchaus positiv zu verstehen! Zusätzlich gibt es in „Requiem“ noch einen feinen Meta-Kniff, der an dieser Stelle natürlich nicht vorweggenommen werden soll.

Schöne Schwärze

Trotz des Abenteuer-Charakters, der die gesamte Helden-Reise begleitet, zieht sich eine konstante Melancholie durch das Werk von Albert Mitringer. Der Tod ist schließlich ein zentrales Thema. Und so sind die Zeichnungen ebenso düster und schon fast brutal roh und in bester Hinsicht pur. Der Österreicher Mitringer, der sein Debüt mit seiner Diplomarbeit „Lila“ (erschienen im LUFTSCHACHT Verlag) vorlegte, zeichnet bildgewaltig mit schnellem, expressivem Strich und wechselt spielend in warme und hauchzarte Aquarelle, wenn Erinnerungsfetzen des Helden durchblitzen. So unterschiedlich diese Stile sind, Albert Mitringer beherrscht sie beide.

Philosophisch, warmherzig und brachial. Die leisen Momente überzeugen ebenso, wie die actionlastigen Abschnitte. Diese haben es in sich und sind einladend in Szene gesetzt. Schaut man sich die anfangs vielleicht einfach erscheinenden Zeichnungen genauer an, merkt man schnell, wie aufwändig diese letztendlich sind. Landschaften und Gebäude ziehen einen unweigerlich in die karge, fast ausgestorbene Fantasy-Welt. Höchst beeindruckend. Das rundum schöne Hardcover aus dem ZWERCHFELL Verlag ist mit seiner Goldfolien-Veredlung obendrein eine reine Augenweide.

Fazit:

Klassische Fantasy mit feinem Humor, brillant schraffierten Bildern und einer unheimlich gelungenen Atmosphäre. Die tragische Reise eines auf dem Schlachtfeld gefallenen Kriegers, dessen Weg ihn zu seinem ungewöhnlichen Ziel führt… zum Anfang.

Requiem

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