Reiche Ernte III

  • Panini
  • Erschienen: September 2020
  • 0
Reiche Ernte III
Reiche Ernte III
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2020

Story

Alle noch mal einsteigen in die Gefühls-Achterbahn! Ein wahres Auf und Ab für Tage, an denen es einem ZU gut geht. Meine Highlights im Abschlussband: DER ABSCHIED DES GENERALS und DIE RICHTIGE ATMOSPHÄRE.

Zeichnung

Grandios… Scheuer halt. Ich mag seinen wilden, kräftigen Stil einfach.

Lieber ein Ende mit Schrecken… Punkt.

Okkultisten, Ratten, Psycho-Trips

Im abschließenden Band der „Reiche Ernte“-Trilogie von Matthias Bauer und Zeichner Chris Scheuer ist derart viel los, dass die Grenzen zwischen Traum und Realität immer wieder verschwimmen, Nager ungewöhnlichen Berufen (und Hobbys) nachgehen und altes Eisen langsam brüchig wird. Gleich zwei Geschichten widmen sich älteren Herren, die eines gemeinsam haben: Sie können die Vergangenheit nicht loslassen… oder wollen es nicht.

Den Anfang macht aber ein namenloser Mann, der IM HOTEL eincheckt. Bei strömendem Regen durchschreitet er die imposanten Pforten des Hauses, ohne eigentlich zu wissen, wo er hinwill. Der nette Herr an der Rezeption weiß aber anscheinend mehr und gibt dem irritierten Neuankömmling noch mit auf den Weg, dass er schon finden wird, wonach er sucht. Komisch nur, dass der Rezeptionist aussieht, als wäre er dem Londoner East End des späten 19. Jahrhunderts entsprungen und es auch nicht verwunderlich wäre, wenn er gut mit dem Skalpell umgehen könnte. Diese Begegnung wirkt kaum mehr verwunderlich, als ein diebisch grinsender Charly Manson über den Hotelflur huscht, John und Yoko mit weisen Ratschlägen aus dem Bettchen grüßen und Jim Morrison sich einen Drink an der Bar genehmigt. In welche „Hölle“ ist der Namenlose denn da hineingeraten???

Als „späte Rache“ könnte man die Pointe der zweiten Geschichte interpretieren. Oder unter dem Vermerk „Karma is a Bitch“ in den „Alles kommt zu dir zurück“-Aktenschrank einsortieren. Und nicht vergessen die „Arschkarte“ dranzutackern! Denn was Rudi und seine Kameraden mit einem jungen Soldaten auf dem Schlachtfeld des Zweiten Weltkriegs veranstalteten, verfolgt ihn bis heute. Heute, wo er blind, gebrechlich und einsam bis zur Sperrstunde in einem Lokal hockt und ohne Zuhörer von vergangenen Zeiten schwadroniert. Davon, dass die Russen die Wehrmacht zusammenschossen und seine Einheit auf ein Minimum dezimierten. Davon, dass der ehemalige Universitäts-Professor Koppitsch sie anstachelte, ihnen in ihrer ausweglosen Lage nur eine Option bot… ein OPFER! Davon, dass sie sich unter seiner Anleitung mit dunklen Mächten verbündeten… und davon, dass anschließend die Hölle losbrach. Für manche nur kurz, für andere… bis heute.

Manchmal muss man sich nur DIE RICHTIGE ATMOSPHÄRE schaffen, um in dem zu glänzen, was man gut kann. Das ist bei Schriftstellern nicht anders. Manche begeben sich unter Leute. Studieren, beobachten, lassen sich inspirieren. Andere wiederum bevorzugen absolute Stille. Ziehen sich zurück und fahren aufs Land oder an den See. Wie gesagt, Atmosphäre ist alles, damit es flutscht. Gefährlich wird es nur, wenn man sich von der Handlung seiner eigenen Werke inspirieren lässt und sich dort den nötigen Antrieb holt. Alles kein Problem, wenn Du Autor von Liebesromanen bist. Ha, im Gegenteil! Oder Du Kochbücher oder Unterhaltungsliteratur über ferne Länder schreibst. Lecker und spannend! Aber wenn Du Thriller über Serienkiller verfasst? Hmmm… ich weiß ja nicht. Mark Ratzioni ist einer jener Schriftsteller, die immer möglichst tief im Thema sein müssen, um an sprudelnden Ideen-Quellen eimerweise Wasser für die Plot-Sprossen zu schöpfen. Und er schreibt Thriller über Serienkiller. Und… hatte ich erwähnt, dass Mark Ratzioni eine Ratte ist? Also nicht nur charakterlich, sondern tatsächlich eine Ratte? Nicht? Gut. Er ist eine Ratte.

DER ABSCHIED DES GENERALS, die vierte und somit letzte Erzählung im Album, hat mich persönlich am meisten aufgewühlt. Dies ist dann auch die zweite Geschichte im Band, die sich mit einem Mann beschäftigt, der das Leben bereits gelebt hat, und die schattige Gegenwart gegen blühende Erinnerungen an andere Zeiten mit einem wehmütigen Blick zurück tauscht. David Shobar ist… war ein hochdekorierter General, der seinem Land fünfzig Jahre diente. Seine Uniform war vollgepflastert mit Orden, doch seine jetzige Kleidung degradiert ihn zum Spielball mächtigerer Hände… David Shobar befindet sich in einer Pflegeeinrichtung und ist hilflos einem sadistischen Pfleger ausgeliefert, der in ihm nur einen „Kriegstreiber“ sieht und entsprechend würdelos behandelt. Wie man zum Militär steht und wann und wie der alte General unter wessen Befehlen auch immer gedient hat, lässt die Geschichte offen. Das steht hier auch gar nicht zur Debatte, denn es geht um Vorurteile, Respekt und Mitgefühl. Eigenschaften, die dem brutalen Pfleger gänzlich zu fehlen scheinen. Aber wie hieß es weiter oben schon: „Karma is a...“

4 + 1

Der Band wird erneut mit einer Vorstellung der beiden Künstler, Matthias Bauer und Chris Scheuer, beendet und es gibt auch wieder Work in progress-Material von Scheuer zu bewundern. Charakter-Entwürfe, Vorzeichnungen und Skizzen. Besonders gelungen sind die drei verworfenen Cover-Entwürfe für „Reiche Ernte III“.

Mehr als nur ein Goodie ist die beigelegte Bonus-Geschichte FRÜHER. Diese kommt im ausklappbaren Leporello-Format (Faltbuch) und erzählt in einer durchgehenden Illustration von blühender Landschaft bis zum göttlichen Chaos. Lässt man den Blick also langsam von links nach rechts schweifen, kann man förmlich dabei zusehen, wie es einem die Mundwinkel nach unten zieht. Eine sehr schöne Idee, die im Gegensatz zu den Erzählungen im Buch komplett koloriert wurde. Dort hat Scheuer meist nur ganz dezent in die Farbtöpfe gegriffen und lässt seine kräftigen Tusche-Zeichnungen einfach für sich sprechen. Lediglich bei IM HOTEL war er wohl in seiner „gelben Phase“, was der Story aber gut zu Gesicht steht.

Alles hat ein Ende…

…nur die „Reiche Ernte“ hat insgesamt dreizehn. Und nur selten gibt es ein Happy End für die Protagonisten von Matthias Bauers Geschichten. Selten? Gab es überhaupt eines? Moment… ich schaue noch mal schnell nach… *dum-di-dum-di-dum* So… da bin ich wieder: Ne, gab keines.

Neben der regulären Ausgabe, die Panini erneut im hochwertigen und Illustrationen-schmeichelnden Alben-Format auf den Markt gebracht, gibt es „Reiche Ernte III“ zusätzlich in einer Edition mit Schuber. In diesem finden dann alle Alben der morbiden Trilogie Platz. Dezent aber dennoch aussagekräftig designt, gerade für Sammler interessant, die ihre Schätzchen gerne ansprechend präsentieren. Ein Konzept, das Panini auch bei der aktuellen Comic-Wiederveröffentlichung von Stephen Kings „The Stand – Das letzte Gefecht“ verfolgt. Dort erscheint der Sammelschuber zur Deluxe-Trilogie allerdings direkt mit dem ersten Band.

Fazit:

Horror- und Mystery-Freunde, die einen Faustschlag in die Fresse einem Alle-haben-sich-lieb-Ende vorziehen, kommen an den Storys, allesamt geschrieben vom Autor Matthias Bauer und basierend auf seinen Kurzgeschichten, nicht vorbei. Ein weiteres Pro-Argument ist Ausnahme-Zeichner Chris Scheuer. Eine hervorragende, ideen- und abwechslungsreiche Trilogie, die ihren absoluten Höhepunkt im Mittelteil mit Band II hat, aber durch die Bank weg unterhält, schockiert, zum Nachdenken anregt und einen manchmal sogar mit einem schadenfrohen Grinsen zurücklässt (…und man sich selber dabei erwischt, wie man sich fragt, ob einen dieses dämliche Grinsen jetzt zu einem schlechten Menschen macht).

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