Tausche Krönchen gegen Küsschen
Retter vom Dienst
Raowl ist nicht nur ein Biest, wenn es ums Aufmischen von Monstern und Schurken jeglicher Art geht, nein… er ist wortwörtlich ein Biest. Eine abstrakte Mischung aus einem ungehobelten Cubitus und einem orangefarbenen Pitbull… nur mit noch weniger Manieren. Der pausbäckige Fellball mit schlechtem Atem rettet hauptberuflich Prinzessinnen. Nicht ehrenamtlich, denn er hofft stets, das Herz eines hübschen Fräuleins zu gewinnen. Nicht ganz einfach, wenn man sich als 24/7-Grobian wie die Axt im Walde verhält und lieber erstmal draufloskloppt als Konflikte kultiviert zu lösen. Kulti…was? Ausgeweidete Orks und abgeschlagene Zyklopen-Köpfe hin oder her… ein Küsschen wird doch wohl drin sein, oder?
Nun, schwierig… denn die jüngst gerettete Prinzessin hat ihre ganz eigenen Vorstellungen von einem Märchenprinzen. Sehr exakte Vorstellungen sogar, und der gute Raowl weicht kilometerweit davon ab. Dankbarkeit sieht anders aus, denn das verwöhnte Prinzesschen möchte einen blondbeschopften Jüngling mit reichlich Muckis. Da fällt so ein dahergelaufener Haudrauf mit Stinkeatem natürlich gnadenlos durch. Allerdings kommt man nach ein wenig hin und her doch noch auf einen gemeinsamen Nenner: Raowl bringt Mrs. Wählerisch in die Stadt der Märchenprinzen und bekommt als Belohnung einen dicken, königlichen Schmatzer. Deal! Doch der ideale Traumprinz muss erst noch gefunden werden… falls Raowl ihn nicht vorher zu Brei schlägt.
Da eh nicht alles Gold ist was glänzt, wagt unser neuer Lieblings-Aufmischer nach erfolgloser Mission einen weiteren Versuch. Neues Glück, neue Prinzessin. Die kleine Belle hat sich ihren Retter aber ebenfalls anders vorgestellt und reagiert noch etwas distanziert, als ihr Helfer in der Not sie in seinen magischen Garten verfrachtet. Raowl gibt sich redlich Mühe das Herz von Belle zu erweichen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten wirft der angehende Charmebolzen alles in die Waagschale… mit Erfolg! Nach der zufälligen Offenbarung des Geheimnisses um seinen Familien-Fluch (ne, ne… das wird hier nicht verraten!), weiß sie seine raubeinige Art durchaus zu schätzen. Doch gerade als es auf ein mögliches Happy End zusteuert, wird Prinzessin Belle entführt. Das schreit nach… RACHEEEEE!!!
Kampf-Klops mit Humor und Herz
Trotz einer Leseempfehlung ab 10 Jahren würde ich „Raowl“ nicht unbedingt als Comic für die Kleinsten einstufen. Der Stil von Frédéric Thébault, alias Tébo, ist zwar sehr cartoonig und bunt, dafür ist der Comic aber nicht zimperlich, wenn es den Widersachern an die Kragen geht. Die Zeichnungen des im französischen Caen geborenen Künstlers sind denkbar einfach, verfehlen aber ihre Wirkung nicht. Der Humor ist herrlich schwarz und ebenso schräg. So mancher Dialog ist pures Comedy-Gold und ich musste mehrfach lautstark loslachen. Kein Schmunzeln, sondern ein ausgewachsenes Lachen.
Tébo kennen die einen oder anderen vielleicht schon von seinem Disney-Hommage-Band „Die jungen Jahre von Micky“ (EGMONT). Dort ging er zwar noch etwas aufwendiger zu Werke, was dem positiven Gesamteindruck aber in vertretbaren Maßen schmälert. Mit „Die stinkende Prinzessin“ ist bei CARLSEN auch ein zweiter Band von „Raowl“ verfügbar. Erst kürzlich, im Juni 2022, erschien mit „Die Methode Raowl“ eine Gebrauchsanweisung für die Märchenwelt, in der Raowl die Leserinnen und Leser in über 40 Lektionen höchstpersönlich an die Pfote nimmt, um sie zu Survival-Experten in Ländern voller Orks, Drachen und schnöseligen Prinzessinnen zu machen.
Fazit:
Ein Funny aus dem Märchen-Genre. Wer einen respektlosen Comic-Happen für Zwischendurch sucht, macht mit „Raowl“ nicht viel falsch. Hinter dem bunten Cartoon-Look verbirgt sich eine waschechte Genre-Parodie mit Wortwitz und einem warmherzigen Raubein im Körper eines warmherzigen Raubeins, das auf der Suche nach dem wirklich Wichtigem im Leben ist: dem Küsschen einer Prinzessin.
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