Die Verkörperung des Sherlock Holmes durch Hans Albers
Der berühmte Privatdetektiv Nick Knatterton ist eine Erfindung des Comic-Zeichners Manfred Schmidt, der die Abenteuer seines Helden zwischen 1950 und 1959 in der damaligen Illustrierten „Quick“ erzählte. Von ihm stammen sowohl die Geschichten als auch die Zeichnungen. Im wöchentlichen Abstand wurden jeweils zwei Zeilen schwarz-weiße Comic-Zeichnungen abgedruckt, wobei die Länger der jeweiligen Abenteuer zwischen 11 und 38 variierte.
Entworfen wurde Nick Knatterton als deutsche Parodie auf die Superman-Comics, wobei Knatterton keine Superkräfte hat und auch kein Alter Ego hat wie Superman, der als Clark Kent im normalen Leben in einer Zeitungsredaktion arbeitet. Er selbst bezeichnete seinen Helden als „Die Verkörperung des Sherlock Holmes durch Hans Albers“. Dennoch hat Schmidt seinen Helden mit einigen außerordentlichen Fähigkeiten ausgestattet, die ihresgleichen suchen. Neben dem schärfsten Gehör des Planeten kann Knatterton sehen wie ein Teleskop, kann schnell rechnen und findet aus jeder misslichen Situation einen Ausweg.
Gesamtausgabe aller Detektivgeschichten
In der Bibliothek der Comic-Klassiker präsentiert der Carlsen-Verlag alle 18 Abenteuer des Helden, beginnend mit dem ersten Auftreten in der Geschichte „Der Schuss in den künstlichen Hinterkopf“, wobei schon der Titel verrät, dass Knatterton immer auf alles vorbereitet ist, sich selten überraschen lässt und wirklich für alles immer eine Lösung bereithält. Die Millionärstochter Evelyn Nylon wird entführt und Nick soll sie wiederfinden. Dabei begegnet er einschlägigen Verbrecherbanden und kann seine Verkleidungskünste ausspielen, zudem einige Gimmicks wie einen in einem Bart versteckten Fallschirm oder einer roten Lampe im Schuhabsatz präsentieren.
Dass die Geschichten nie langweilig werden, liegt nicht nur daran, dass ja auf jeder Seite etwas passieren muss, damit die Leser die Spannung bis zu nächsten Folge in der kommenden Woche beibehalten. Schmidt zeigt viel Fantasie, wie Knatterton mit technischem Gerät, Kostümen und Masken umgeht, er ist sportlich und intelligent und weiß auch wie man Frauen verführt.
Kalauer und Herrenwitze
Ach ja, die Frauen. Autor Manfred Schmidt zeichnet die meisten Frauen mir deutlichen weiblichen Attributen und spart auch weder an Herrenwitzen noch an Kalauern und Klischees. Heutzutage würde man seine Comics gar als sexistisch verteufeln, in den 1950ern dürften die Flachwitze und Seitenkommentare für so manchen hochroten Kopf gesorgt haben, was die Comics zum Geheimtipp machten und bestimmt den Auflagen der „Quick“ zugutekam.
Dialoge wie der Kommentar einer Dame, nachdem Nick einem Schlag auf den Kopf bekommen hat: Sie: „Endlich kommen Sie zu sich! Hoffentlich ist es keine Gehirnerschütterung…“ Nick: „Mein Gehirn ist nicht zu erschüttern, ich bin seit 25 Jahren Rundfunkhörer!“ ziehen sich durch alle Geschichten und berieten dem Leser das eine oder andere Kopfschütteln. Ein Maharadschah sagt zur gut gebauten Dame: „Ich schenke Ihnen so viel Diamanten, wie ich ihr Ihre Bluse schütten darf…“, beantwortet sie mit: „Wegen Maßarbeit unmöglich!“. Dergestalt aus heutigen Augen flache, wenngleich auch irgendwie originellen Dialoge finden sich auf jeder Seite, natürlich optisch unterstützt durch entsprechende Zeichnungen, die gerade bei den Damen nicht mit eindeutigen Zweideutigkeiten spart.
Ein normaler Superheld
Neben den inhaltlichen Kommentaren von Nick kommentiert auch der Zeichner immer wieder sein Tun, nicht nur was die Geschichte angeht, sondern auch erklärende Kommentare und Pfeile und Hinweisschilder, um kleinen Seitengags zu erklären. Zudem kommen immer wieder politische Kommentare von Nick wie „Ich stecke meine Nase in das Telefon anderer Leute – wie das Verfassungsschutzamt!“ (und dreht die Wählscheibe mit seiner spitzen Nase…), die immer wieder zeitgeschichtliche Hinweise auf die Adenauer-Ära geben, in der diese Comics entstanden sind. Diese Seitenhiebe sind amüsant und könnten teilweise auch heute noch bestehen. Nicks berühmtes „Kombiniere…“ hat immerhin Einzug in den deutschen Sprachegebrauch gefunden.
Auffällig sind neben den tatsächlich manchmal unerträglichen Wortspielen auch die Namen der Personen. Frauen haben immer irgendwelche Kalauer-Namen wie Virginia Peng, Tilly Tipp, Waltraut Will, Carmen del Pesetas, Daisy Spitz, die Liste ist unendlich. Bei den Herren ist es nicht besser mit Namen wie dem Skispringer Sepp Hupf, Gottfried Knacker, Emil Redlich, Max Wachs, Juwelen-Jupp, Tresor-Theo usw. Jeweils fünf dieser Personen werden als Figuren den jeweiligen Comics vorangestellt und vorgestellt, damit man weiß, mit wem man es in dieser Geschichte zu tun hat.
Der Lesetipp des Autors (der 1999 starb) für eine frühere Gesamtausgabe lautete: „Lesen Sie, wenn Sie können, nie mehr als eine Geschichte auf einmal.“ Der Empfehlung folgt die Begründung, dass die Abenteuer damals innerhalb von zweihundert Wochen erschienen und sich daher so manche Scherze auf Dauer irgendwann wiederholen. Schlusskommentar des Autors: „Auch in der Politik wiederholt sich alles.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, außer der Bemerkung, dass es wirklich schwer erträglich ist, den geballten Humor des Autors länger als eine Geschichte über sich ergehen zu lassen. Das ist nicht falsch zu verstehen, die Geschichten sind originell und auch witzig, machen es dem Leser aber auch leicht, mal abzuschweifen und sich erst etwas später wieder der Lektüre zu widmen.
Fazit:
Die Comics von Nick Knatterton sind ein witziges Zeitdokument, in dem der Autor und Zeichner Manfred Schmidt die Adenauer-Ära, in der die Geschichten entstanden sind, präsentiert und gleichzeitig aufs Korn nimmt. Die Texte und Geschichten rangieren zwischen Kalauern, alten Herrenwitzen und Spannungsgeschichten und bieten damit die ganze Palette der Möglichkeiten des Comics aus den Augen der 1950er Jahre. Ein Muss für den Schrank jedes Comic-Liebhabers, nicht ganz ernst zu nehmen und vor allem mit einem zugedrückten Auge zu lesen. Aber immer nur eine Geschichte.
Manfred Schmidt, Manfred Schmidt, Carlsen
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