Hommage an Rudyard Kipling und Jules Verne vor dem Hintergrund historischer Ereignisse.
Großbritannien und Russland streiten um die Vorherrschaft in Indien. Ausgerechnet im Hafen von Bombay treffen hochrangige Würdenträger bei einer Gala an Bord eines Luxusdampfers aufeinander. Als das Schiff kurz darauf von einem Torpedo getroffen wird und untergeht, gerät Kimball O’Hara - Agent der englischen Krone - ins Visier der Behörden.
Wo ist Nemo?
Ganz bewusst bedient sich Mathieu Mariolle für seine Hauptfiguren bei zwei bekannten literarischen Vorlagen. Zum einen bei Rudyard Kiplings „Kim“ und seinem Titelhelden Kimball O’Hara, sowie bei Jules Verne und einem seiner bekanntesten Werke „20.000 Meilen unter dem Meer“ mit den Abenteuern um Kapitän Nemo und seinem Schiff Nautilus. Im Nachwort schildert Mariolle ausführlicher seine Beweggründe und führt zu der Idee aus, gerade diese beiden in einer gemeinsamen Geschichte aufeinandertreffen zu lassen.
Man muss nun allerdings keine der Vorlagen kennen, denn „Nautilus - Das Schattentheater“ geht seinen ganz eigenen Weg. Für Kim O’Hara gestaltet der sich allerdings äußerst beschwerlich. Denn als Verdächtiger wird der Agent zum Gejagten. Und nicht nur das. Die Ereignisse in Bombay verschärfen den politischen Konflikt. Russland und Großbritannien stehen am Rande eines Krieges. Auch hier greift Mariolle auf die Vergangenheit zurück und verankert seine Comic-Serie in der Zeit, als Russland und England die Vorherrschaft in Zentralasien für sich beanspruchen wollten. Dieser Konflikt dauerte bis 1907 und ging als „Das große Spiel“ in die Geschichte ein.
Wo ist die Nautlius?
Doch der politische Unterbau und etwaige vertiefende Aspekte geraten dann doch in den Hintergrund und es entfaltet sich ein ebenso kurzweiliges, wie spannendes und temporeichen Spionage-Abenteuer. Denn Kim weiß um Geheimdokumente, die in einem Tresor an Board der „HMS Northampton“ liegen. Sie könnten seine Unschuld beweisen und ebenso den Konflikt der Großmächte beeinflussen. Diese Dokumente allerdings liegen nun am Grund des Hafens von Bombay im zerstörten Schiff. Um hier in die tiefen Gewässer abtauchen zu können, benötigt Kim die Hilfe eines besonderen U-Bootes - der Nautilus. Wo diese aber liegt, weiß nur Kapitän Nemo persönlich - und der ist verschwunden.
Fortan begleiten wir Kim auf einer riskanten Suche nach dem berüchtigten Kapitän, bei der auch die Action nicht zu kurz kommt. Wenn durch eine Eisschicht in gefrorene Gewässer gesprungen und anschließend eine Weile nass durch eisige Kälte geritten wird, ohne wirklichen Schaden davon zu tragen, dann müssen wir eben auch mal das eine oder andere Auge zudrücken. Ebenso schmunzeln wir über einen kauzigen, etwas griesgrämigen Nemo, der trotz vorangeschrittenen Alters und - sagen wir mal nicht optimaler Ausgangslage - offenbar über hervorragende Gedächtnisleistungen verfügt.
Mit „Nautilus“ liefert Guénaël Grabowski offenbar sein Debüt als Comic-Zeichner ab. Und das ist überaus gelungen. Sein eher rauer Stil entfaltet ein atmosphärisches und authentisch anmutendes Setting im Jahre 1899. Durch intensive Schatten und einen detailreichen Strich, der sich auch gegen das ausgewogene Farbspiel durchsetzt wirken die Bilder äußerst kraftvoll. Toll inszenierte Einzelszenen, wie die Explosion des Passagierschiffes und Schauplatzwechsel über Ländergrenzen bieten viel Abwechslung. Schön auch, dass die Panels da nicht zu klein geraten. Wer die Nautilus allerdings in voller Größe bewundern möchte, muss sich bis zur letzten Seite gedulden. Doch in den noch folgenden Bänden dürfen wir sicherlich einiges mehr von dem Sagenumwobenen U-Boot zu Gesicht bekommen und dann ganz sicherlich auch an Bord gehen.
Fazit:
„Nautilus“ ist eine schöne Hommage an Rudyard Kipling und Jules Verne vor dem Hintergrund historischer Ereignisse. Mathieu Mariolle und Guénaël Grabowski lassen die bekannten Figuren ihrer Vorbilder neu aufleben und verstricken sie in ein unterhaltsames Abenteuer voller Gefahren und politischem Zündstoff.
Mathieu Mariolle, Guénaël Grabowski, Splitter
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