Moonshine - Band 1: Familiengeheimnisse
- Cross Cult
- Erschienen: Juni 2019
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Beiß mich, …du Sau!
Lange Eckzähne und Haare aufm Rücken
Nein, wir befinden uns NICHT in der Fan-Kurve beim Heimspiel von… stopp, auf SO dünnes Eis will ich mich dann doch nicht begeben. Sagen wir einfach, wir befinden uns in den Vereinigten Staaten des Jahres 1929. Auch hier geht es sehr chaotisch zu, denn es herrscht die Zeit der Prohibition. Sich schön mit hochprozentigem Fusel einen anlöten ist also nicht. Es steht unter Strafe, Alkohol zu verkaufen und diesen herzustellen, was findige Sprit-Panscher natürlich antreibt, sich illegal ein goldenes Näschen zu verdienen. Beinahe unnötig zu erwähnen, dass das Geschäft floriert. Auch New Yorks Unterwelt hält ständig die Augen nach neuen Zulieferern offen, um das trinkfreudige Volk gewinnbringend mit Stoff zu versorgen.
Wir haben die typischen Unterwelt-Bosse, die aus sicherem Abstand die Fäden ziehen und wir haben deren Laufburschen, die sich in deren Auftrag die Finger schmutzig machen und die Drecksarbeit erledigen, ohne lästige Fragen zu stellen. Einer davon ist Lou Pirlo. Lou arbeitet für Joe Masseria, der von allen nur „Der Boss“ genannt wird und erhält die Anweisung, sich in die Appalachen zu begeben. Dort, in den tiefsten Wäldern Virginias, soll er den Schwarzbrenner Hiram Holt ausfindig machen. Holts Stoff ist von einer derart guten Qualität, dass er den restlichen Schnaps auf dem Markt wie billigen Fusel erscheinen lässt, weswegen Pirlo völlig freie Hand bei seinen „Überredungskünsten“ gewährt wird. Bereit, den Deal unter Dach und Fach zu bringen, macht der Handlanger sich auf den Weg in die unwirtliche Wildnis… wo er allerdings auf Granit beißt.
Lou Pirlo muss bald einsehen, dass der Hinterwäldler Hiram, der mit seiner hübschen Hinterwäldler-Tochter und dem schäbigen Rest seiner Hinterwäldler-Sippe hinterwäldlerisch und spartanisch im Hinterwald lebt, über Leichen geht, um sein Geschäft zu schützen und einen feuchten Scheißdreck auf einen Pisser wie Joe Masseria gibt. Da haben schon ganz andere Kaliber an seine Hinterwäldler-Tür geklopft! Zum Beispiel die FBI-Agenten, die auch schon ein bis zwei Augen auf die kleine Heim-Schwarzbrennerei geworfen haben und nun zerfleischt in einem Schuppen vor sich hingammeln. Pirlo denkt aber nicht daran aufzugeben und seinen Boss mit Holts „freundlicher“ Absage zu enttäuschen. So rutscht er immer tiefer in die dunklen Machenschaften des Holt-Clans und stellt schon sehr bald fest, dass etwas viel bedrohlicheres in den dunklen und verlassenen Wäldern umgeht…
Pirlos eigene Sauferei und die damit einhergehenden Blackouts sind auch nicht gerade förderlich, um Herr über die Situation zu werden und so sieht er sich schon bald mit dem nackten Grauen konfrontiert.
Heul doch!
Der doppeldeutige Titel „Moonshine“ ist durchaus kreativ gewählt, steht er doch sowohl für das Mondlicht, welches einer Werwolf-Thematik ja blendend zu Gesicht steht, als auch als englischer Begriff für schwarzgebrannten Schnaps, der während der Prohibition (1919 – 1933) vornehmlich bei Nacht in den zahlreichen Klein-Destillen hergestellt wurde. Ebenso kreativ ist es, eine Noir-Crime-Story in den ausgehenden 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts mit Horror-Aspekten anzureichern, was zu einer Kreuzung führt, die definitiv neugierig macht und nicht jeden Tag um die Ecke lünkert.
Was meinen persönlichen Geschmack angeht, war es das dann aber auch schon mit der Kreativität. Denn obwohl der Name Brian Azzarello auf dem Cover prangt, der neben seinen eigenen Kreationen „100 Bullets“, „Loveless“ und „Deathblow“ auch bei den beiden größten Playern im Comic-Business, MARVEL und DC, mitmischte und Storys zu „Hellblazer“, „Batman“, „Superman“ und „Spider-Man“ beisteuerte, kommt die Geschichte nur sehr schleppend in Fahrt und verheddert sich oft in wirren Dialogen. Auch die stereotypen Charaktere bleiben erschreckend blass, bedienen sich jedem geläufigen Klischee und schaffen es nicht im Ansatz, sympathisch zu wirken… was eine denkbar schlechte Ausgangslage ist, um die Augen des Lesers langfristig an ein Comic-Buch zu binden. An Noir-Atmosphäre mangelt es „Moonshine“ jedoch nicht, was aber maßgeblich dem Künstler Eduardo Risso zuzuschreiben ist.
Bisschen Farbe, ganz viel Noir (Schwarz)
Der Argentinier Risso („Vampire Boy“) arbeitete bereits mehrfach mit Autor Brian Azzarello zusammen (an „100 Bullets“, „Jonny Double“ und der „Broken City“-Storyline in den US-„Batman“-Comics #620 - 625) und darf auch gleich mehrere Harvey- und Eisner-Awards sein eigen nennen. In „Moonshine“ beschränkt sich Risso auf das Wesentliche: die Charaktere. Hintergründe und Örtlichkeiten sind – bis auf wenige Ausnahmen – spartanisch dargestellt und lenken somit nicht vom Hauptgeschehen ab. Noch besser hätte sich diese Wirkung entfalten können, wenn die Figuren besser geschrieben wären. Seinen klaren Linien, die oftmals auf steife Darstellungen hinauslaufen, hüllt er vorrangig in Schwarz, was durchaus angemessen und auch passend erscheint. Viel Schatten, wenig Licht. Meist sind ganze Seiten in einem Farbton gehalten, der sich nur in Nuancen vom Rest abhebt. Andere Seiten hingegen leben vom zweifarbigen Kontrast. Insgesamt kann man die Kolorierung als experimentell einordnen, da jeglicher Realismus missachtet wird. Für die Stimmung sehr förderlich, wenn auch ungewöhnlich.
Fazit:
Das empfohlene Lesealter (16+) wurde nicht umsonst auf die Rückseite gedruckt, denn in „Moonshine“ geht es alles andere als sonnig (dafür leider sehr schleppend) zu. Wäre auch ein bisschen blöd, eine Story über Werwölfe zu machen, die die Nacht nur nutzen, um übers Wetter zu philosophieren und Kochrezepte auszutauschen. Nein, hier geht es definitiv ordentlich zur Sache, was den düsteren Ton der Geschichte unterstreicht und auch treffend durch Eduardo Risso visualisiert (und in Zusammenarbeit mit Cristian Rosso auch koloriert) wird.
Das optisch gelungene und hochwertige Hardcover aus dem Hause Cross Cult beinhaltet neben den ersten sechs US-Ausgaben von Image Comics noch eine kleine Übersicht der Variant-Cover. Darunter Motive von Frank Miller, Jock und Lee Bermejo.
Brian Azzarello, Eduardo Risso, Cross Cult
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