„Tötet ihn…“
„Einige Leben sind wertvoller als andere.“
Bei diesem Satz verschlägt es dem feinen Herrn Doktor aber fast die Sprache! Und er stammt auch noch aus dem Mund seiner Verlobten! Im Gegensatz zu seiner Partnerin, die gleichzeitig die Tochter seines Vorgesetzten ist, vertritt Dr. Kenzo Tenma erfreulicherweise den Standpunkt, dass jedes Menschenleben gleich viel wert ist. Deshalb hadert er auch mit sich, da er nachts zu einem Notfall gerufen wurde, um einen verunglückten Fabrikarbeiter zu operieren, im letzten Moment jedoch abgezogen wurde, um einem populären Opernsäger das Leben zu retten. Der Fabrikarbeiter verstarb, was dem aufstrebenden Neurochirurgen arg zu schaffen macht. Beim nächsten Mal wird alles anders…
Tatsächlich entscheidet Tenma bei der nächsten Zwangslage eigenmächtig und zieht die Operation eines kleinen Jungen der des Düsseldorfer Bürgermeisters vor. Der Junge, dessen Eltern kaltblütig ermordet wurden, hat eine Kugel im Kopf und ringt mit dem Tod, während sonst nur seine traumatisierte Zwillingsschwester das Massaker überlebte. Dem Arzt gelingt es, den Jungen zu retten. Gleichzeitig stirbt der Bürgermeister auf dem OP-Tisch… und mit ihm Dr. Tenmas Karrierechancen an der Düsseldorfer Eisler-Klinik. Die Aussicht auf den Chefarzt-Posten, eine mögliche Zukunft als Direktor, die Verlobung mit Eva… alles futsch. Die Luxus-gewohnte Dame gibt sich nämlich nicht mit einem schnöden Doktor ab. Da muss schon was Besseres kommen.
Dennoch hat Kenzo Tenma eine reine Weste und kann sich nichts vorwerfen… was sich aber noch ändern soll. Als nämlich drei hochrangige Angestellte des Krankenhauses zeitgleich das Zeitliche segnen und zudem der frisch operierte Junge spurlos verschwindet, ruft dies das BKA auf den Plan. Mit Kommissar Runge wurde ein mit allen Wassern gewaschener Spürhund auf den Fall angesetzt, der Tenma unverzüglich im Visier hat. Zweifelsohne hätte dieser nämlich vom plötzlichen Tod seiner Kollegen und Vorgesetzten profitiert.
9 Jahre später, 1995, ermittelt Runge in einer mysteriösen Mordserie und ein wichtiger Verdächtiger, der die Ermittlungen voranbringen könnte, landet im Krankenhaus. Geradewegs unter dem Skalpell von Kenzo Tenma, der es doch noch zum Chefarzt brachte, nachdem die Konkurrenz 1986 dem Giftanschlag zum Opfer fiel. Die ersten Worte des Verdächtigen nach dem erfolgreichen Eingriff sind „Das Monster… kommt“. Auch dieser Patient verschwindet plötzlich aus dem Krankenhaus. Dessen blutiger Spur folgend, steht Dr. Kenzo Tenma dem „Monster“ bald leibhaftig gegenüber… und muss erkennen, dass die Vergangenheit ihn eingeholt hat.
Lassen sie mich durch, ich bin Arzt…
…und versuche eine Mordserie aufzuklären, in der ich gleichzeitig der Hauptverdächtige bin. So (oder so ähnlich) irrt Dr. Kenzo Tenma durch verschiedene deutsche Städte und versucht etwas Licht in die Angelegenheit zu bringen, die ihn - dem hippokratischen Eid zwar nach bestem Wissen und Gewissen folgend - schon 1986 in Teufels Küche brachte. Dabei schlägt die packende Story einige Haken und man blättert mit schweißnassen Händen gebannt weiter. Unbedingt möchte man wissen, wie die Geschichte des sympathischen Arztes aus Japan weitergeht und wie er die Spur des Serienkillers weiterverfolgt, ohne dem langen Arm des Gesetzes ins Netz zu gehen. Die weiteren Irrungen und Wirrungen der spannenden Hatz werden an dieser Stelle natürlich noch nicht vorweggenommen. Diesen „Spaß“ sollte jeder Leser für sich haben.
Naoki Urasawa, Schöpfer von „20th Century Boys“, „21st Century Boys“ und „Billy Bat“, schrieb und zeichnete diesen Thriller der Spitzenklasse bereits 1995. Seit diesem Zeitpunkt erschien die Geschichte bis 2001 im japanischen Magazin Big Comic Original, bevor sie in 18 Sammelbänden gebündelt veröffentlicht wurde. Ab 2002 erblickte „Monster“ erstmals deutsches Licht und wurde komplett vom Manga-Imprint des Egmont Verlags in den Handel gebracht. Nur noch schwer – bis gar nicht – zu bekommen, ist es nun an der Zeit, diesem Meisterwerk einen erneuten Auftritt zu spendieren.
Perfect
Und zwar in allen Belangen! Nicht nur, dass der Carlsen Verlag „Monster“ nun in neun doppelbändigen Wälzern und im einheitlichen Design auf den Markt bringt. Nein, die sogenannte Perfect Edition kann auch qualitativ voll und ganz überzeugen. Auf blütenweißem und hochwertigen Papier heben sich die gestochen scharfen Zeichnungen (einige davon in Farbe) von ihren Manga-Kollegen deutlich ab. Auf 14,6 x 21cm kann man Urasawas Werk im für Mangas ungewohnt großen Format genießen, was eine echte Freude ist. Die Zeichnungen selber sind sehr aufwendig und detailliert geraten, was sich besonders in den Darstellungen der Umgebung zeigt. Gebäude, Landschaften und die langen Flure des Krankenhauses verfügen über eine enorme Tiefe, was dem oft westlich anmutendem Zeichenstil von Mangaka Urasawa sehr gut zu Gesicht steht. Das Softcover mit Klappenbroschur ist somit außen und innen ein echter Hauptgewinn.
Fazit:
Ich bin nicht der größte Manga-Fan und -Experte unter der Sonne und die Titel, die mich auf Anhieb begeistern konnten, lassen sich vermutlich an (höchstens) zwei Händen abzählen… darunter Klassiker wie „Akira“ oder „Death Note“. „Monster“ hat mich allerdings eiskalt erwischt! Quasi aus dem Nichts hat die Story mich nach wenigen Seiten in ihren Bann gezogen. Damit kann ich diesen „monster“mäßigen Auftakt auch Comic-Freunden empfehlen, die nicht unbedingt im Manga-Genre heimisch sind. Genießer packender Thriller-Kost sollten UNBEDINGT zugreifen.
Naoki Urasawa, Naoki Urasawa, Carlsen
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