CSI: Entenhausen
„Watson… fahr‘ schon mal die Kutsche vor.“
Wohl jeder kennt das detektivische Genie, das mit messerscharfem Spürsinn, detailgenauer Beobachtungsgabe und einem kongenialen Partner an seiner Seite auch die kniffligsten Fälle löst. Der Ermittler-Stereotyp, an dem sich unzählige Kriminalisten messen lassen müssen. Der Mann, dem ein Blick reicht, um sein Gegenüber zu durchschauen und der die Puzzleteile jedes noch so rätselhaftem Mysteriums zu einem passenden Gesamtbild zusammenfügt… DERRICK!
Eine andere Spürnase, die es ebenfalls weit gebracht hat – wenn auch nicht so weit, wie der Schnüffler, der die Tränensäcke lässig unter den sonnenbebrillten Augen trug, wie kein Zweiter -, ist ein gewisser… äääh, „Sherlock Holmes“.
Elementar
Die 1886 von Sir Arthur Conan Doyle ins Leben gerufene Romanfigur Sherlock Holmes erfreut sich auch heute – über 130 Jahre nach ihrem Debüt – noch größter Beliebtheit. Der Londoner Privatdetektiv, der mit seinem Partner Dr. John H. Watson die Baker Street 221b bewohnte, löste jedoch nicht nur verzwickte Fälle in zahlreichen Romanen und Kurzgeschichten. Neben unzähligen Film- und Serien-Adaptionen verschlug es Holmes auch in Computer- und Konsolen-Spiele, in denen der Spieler ins viktorianische London eintauchen und sein detektivisches Gespür beweisen konnte.
Schauspieler wie Robert Downey Jr. Verfrachteten den angestaubten Charakter erfolgreich ins neue Jahrtausend und so mutierte Holmes bereits zweimal auf der großen Leinwand zum Sprüche klopfenden Action-Helden. Im TV verhalf Benedict Cumberbatch der Figur zu neuem Glanz, indem die BBC die Handlung in die Gegenwart verlegte. Ein Experiment, das hervorragend gelang und sowohl bei Kritikern UND Publikum gleichermaßen erfolgreich ankam. Dies lag nicht zuletzt an den tollen Drehbüchern, die sich größtenteils an Arthur Conan Doyles Geschichten orientierten und natürlich an Cumberbatch und Martin Freeman, der als Dr. Watson glänzte.
Selbstverständlich ging Sherlock Holmes auch am Medium Comic nicht spurlos vorbei. Haufenweise wurden die Geschichten im Laufe der Jahre adaptiert, doch auch eigenständige Stories wurden ersponnen. So traten auch Charaktere wie Watson oder sogar Moriarty – Sherlocks ewiger und ebenbürtiger Widersacher – aus Holmes großflächigem Schatten heraus und überzeugten in ihren eigenen Abenteuern. Inspirierend wirkte Doyles fiktive Romanfigur auch auf andere Comics und die Autoren schneiderten die spannenden Detektiv-Geschichten ihren jeweiligen Charakteren auf den Leib. So hielt die Welt von Sherlock Holmes auch Einzug in den bunten Disney-Kosmos, auch wenn die amüsanten, kleinen Abstecher freilich nur noch wenig mit der literarischen Vorlage zu tun haben.
No-Go-Area
Was ist nur aus dem beschaulichen Entenhausen geworden? Diebstähle, Verschwörungen und Überfälle an jeder Ecke… da traut sich ja selbst der gestandendste, breitschultrigste Erpel nach Einbruch der Dunkelheit mehr vor die Tür! Und wo ist Fantomias mal, wenn man ihn braucht? Weit und breit keine Spur… doch glücklicherweise beheimatet Entenhausen auch einige, findige Spürnasen, die den Geist ihres literarischen Vorbilds atmen… oder es zumindest versuchen.
Nach der informativen und textlastigen Einführung „Sherlocks Erbe“ von Wolfgang J. Fuchs, die sich neben den Ursprüngen des Detektivs auch den Einflüssen in die Disney-Welt widmet, starten wir auch schon ungebremst in die launige Geschichten-Sammlung „Micky Holmes & Donald Watson“.
Ganze 14 Stories hält das edel designte Hardcover-Buch bereit. Den Anfang macht direkt Daisy Duck, die in ihrer Funktion als Hauslehrerin einen lernfaulen, jungen Schützling auf spielerische Art für Wissen begeistern kann. Anschließend lernen Micky und Goofy den Hund von Basketville kennen. Auch Donalds Neffen Tick, Trick und Track versuchen sich als Jung-Detektive und lassen sich auch nicht von ihrem aufdringlichen Onkel aus der Ruhe bringen. Direkt danach übernehmen Micky und Goofy wieder das Ruder und machen sich auf die Suche nach dem verschwundenen Teufelsauge. Selbst unser Lieblings-Choleriker Donald hat seine detektivische Leidenschaft entdeckt und hat für alle möglichen Fälle das passende Handbuch parat, während Onkel Dagobert verzweifelt, weil ihm während einer Ausstellung sein wertvoller Opal abhandenkommt. Selbst der Original-Sherlock Holmes wird aus seiner Zeit ins gegenwärtige Entenhausen gebeamt, um unterstützend tätig zu werden… Daniel Düsentrieb sei Dank. Zudem widmet sich noch eine Geschichte dem chaotisch-sympathischen Dussel Duck und es gibt sogar ein doppeltes Wiedersehen mit Basil, dem großen Mäusedetektiv und seinem beleibten Nager-Assistenten Dr. Wasdenn.
Im Einzelnen setzt sich „Micky Holmes & Donald Watson“ aus den folgenden Erzählungen zusammen:
- „Aus den Tagebüchern der Daisy Holmes: Das rote Zimmer“
- „Der Hund von Basketville“
- „Das Detektivspiel“
- „Das verschwundene Teufelsauge“
- „Die Aufspüragentur“
- „Die Reise nach No-istan“
- „Ein Fall für Sherlock Bohns (Teil 1 und 2)“
- „Die Kor-i-door-Affäre“
- „Shergluck Goof und der Kichergeist von Notteny Moor“
- „Ein Mann sieht rot!“
- „Ein musikalischer Fall“
- „Ein Fall für Goofy“
- „Die verschwundene Erbin“
- „Der Fluch der Cheeseburgers“
Bei den Geschichten „Die Kor-i-door-Affäre“, „Ein musikalischer Fall“, „Ein Fall für Goofy“ und „Der Fluch der Cheeseburgers“ handelt es sich zudem um deutsche Erstveröffentlichungen.
In Maßen genießen…
…lautet bei „Micky Holmes & Donald Watson“ die Devise, denn anhand der doch recht einseitigen Thematik kann es passieren, dass sich Abnutzungserscheinungen einstellen, sollte man das Buch in einem Rutsch lesen wollen. Der Egmont Verlag hat zwar so gut wie möglich versucht, die Charaktere und Handlungen abwechslungsreich zu gestalten, jedoch gelingt dies nur bedingt. Dosiert man die Geschichten auf Eine bis Zwei am Tag, kann man dem aber gut entgegenwirken.
Inhaltlich wird gewohnt-amüsante Disney-Kost mit atmosphärischem Krimi-Flair geboten. Wo manche Story eher seicht und gemächlich daherkommt, können andere wiederum stimmungsvoll punkten. Direkt die Auftakt-Geschichte mit Daisy Duck weiß zu gefallen und auch das Wiedersehen mit Dussel Duck überzeugt. „Shergluck Goof“ und „Die verschwundene Erbin“ stechen ebenfalls sehr positiv heraus.
Ähnlich wie beim Erzählerischen verhält es sich auch mit dem künstlerischen Aspekt. Einige Inhalte sprühen vor Dynamik und kreativem Charme, während andere Erzählungen deutlich unter Durchschnitt rutschen. Glücklicherweise halten sich diese optischen Ausrutscher in Grenzen und die mit schwungvollem und sicherem Strich gezogenen Charaktere überwiegen.
Überzeugend ist in jedem Fall die Verarbeitung des gebundenen Buches und auch die tolle Aufmachung seitens Egmont begeistert auf ganzer Linie. Der feste, grüne Einband ist strukturgeprägt und erinnert so – passend zur Thematik – an vergangene Zeiten. Die glänzende Goldschrift ist sowohl auf der Front, der Rückseite und dem Buchrücken eingestanzt und rahmt zudem das Hochglanz-Motiv auf dem Cover ein. Sehr edel und hochwertig.
Fazit:
Für Krimi- und Disney-Freunde ist „Micky Holmes & Donald Watson“ gleichermaßen zu empfehlen. Wenn man sich die einzelnen Geschichten gut einteilt, kann man lange Spaß mit der umfangreichen Sammlung haben. Einzig so manche träge Geschichte und gelegentliche Zeichner-Ausfälle trüben den sonst recht positiven Gesamteindruck ein wenig. Hervorheben sollte man noch, dass der Band über vier deutsche Erstveröffentlichungen verfügt.
Cover-Abbildung © 2018 Disney
Carl Barks, Vic Lockman, Claudia Salvatori, Carl Barks, Stefano Intini, Tony Strobl, Egmont
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