Text:   Zeichner: Goran Sudžuka

Marjorie Finnegan: Temporal Criminal

Marjorie Finnegan: Temporal Criminal
Marjorie Finnegan: Temporal Criminal
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Marcel Scharrenbroich
7101

Comic-Couch Rezension vonApr 2023

Story

Wer mit wildem Gefluche im Panel-Takt keine Probleme hat, wird bestens bedient. Inhaltlich holprig, ist „Marjorie Finnegan“ nicht Ennis‘ größter Wurf.

Zeichnung

Solide und ohne große Highlights. Die Cover-Motive der amerikanischen Exclusive-Variants sind eine nette Zugabe.

Heilloses Chaos durch Raum und Zeit

„Entficken“ für Fortgeschrittene

Huch… hat er das wirklich geschrieben??? Ja, hat er. Wem es bei diesem Wort schon die Schamesröte ins Gesicht treibt, sollte einen gaaaaanz großen Bogen um Marjorie Finnegan machen. Denn wo und vor allem wann sie auftaucht, wird geschimpft und geflucht, bis selbst beim letzten Kern-Asi die Schwarte kracht. Marj reist durch die Zeit. Meist nicht auf einer wichtigen Mission, die den Fortbestand der Erde sichert, sondern just for Fun. Hier mal ins antike Ägypten, dort mal in die Zeit, in die ein gewisser Herr Christus ans Kreuz gezimmert wurde. Auf ihren Trips ist sie stets darauf aus, sich die Taschen mit allem möglichen wertvollen Klimbim vollzustopfen. Kurz gesagt: Marjorie Finnegan ist eine zeitreisende Kriminelle.

Wenn uns unzählige Zeitreise-Filme aber eines gelehrt haben, dann dass man nicht folgenlos in den Lauf der Dinge eingreift. An falscher Stelle Mist gebaut, könnte man vielleicht für die nächste Eiszeit oder – Gott bewahre – einen neuen Hitler verantwortlich sein. Damit so eine Scheiße nicht passiert, nutzt Marjorie einen sogenannten K-2001 Neuausrichter, welcher nach jedem Eingriff in die Zeitlinie eine neue Realität zurechtbastelt und Kollateralschäden ersetzt… und von denen gibt es viele. Marj nennt ihn liebevoll den „Entficker“. Damit wäre der Zerfall des Universums schon mal vermieden, doch die Zeit-Polizei mag es gar nicht, wenn irgendjemand in den Geschichtsverlauf eingreift und quer durch die Epochen Amok läuft…, denn nichts anderes macht Marjorie Finnegan im Grunde.

Ja, unsere Marj ist ein ganz schlimmer Finger, weshalb die Cops ihre erbarmungsloseste Ermittlerin auf sie angesetzt haben: Harriet. Harriet Finnegan… Marjories jüngere Schwester.

Damit aber noch nicht genug, denn die mehr als ungleichen Schwestern müssen unfreiwillig zusammenarbeiten, da ein teuflischer Widersacher plant, die Geschichte von Anbeginn nach seinen Wünschen umzuschreiben. Hilfe bekommt er ausgerechnet vom zweischwänzigen Stan Zanzibar… Marjs verhasstem Ex!

Drüber und schräg… Ennis halt.

Wo der Name Garth Ennis draufsteht, ist auch meistens Garth Ennis drin. Aus seinem verdrehten Hirn stammen Erfolgsserien wie „Preacher“ oder „The Boys“. Beides Reihen, die den Sprung auf die weltweiten Bildschirme gemeistert haben. Die Idee zu „Marjorie Finnegan: Temporal Criminal“ schoss Ennis erst nach und nach durch die Rübe. Zuerst hatte er den Titel… was schon recht ungewöhnlich erscheint. Liest man den Comic aber, kann man durchaus bemerken, dass die Story etwas holprig und unausgegoren wirkt. Viel Stückwerk, welches sich mit übermäßigem Gebrauch von Schimpfworten von Szene zu Szene hangelt. So richtig rund will das nicht anmuten. Irgendwann hängen einem die Schimpftiraden aus unteren Regionen dann auch zum Hals raus, doch dann hat man es auch fast schon geschafft. Trotz erzählerischer Mankos ist „Marjorie Finnegan: Temporal Criminal“ nämlich ein kurzweiliges Lesevergnügen mit ziemlich abgedrehten Einfällen. Zum Kult-Titel reicht es nicht, mit derbem Humor unterhalten kann der Comic aber. Falls man auf sowas steht…

Der kroatische Zeichner Goran Sudžuka, bekannt für seine Arbeiten an „Wonder Woman“, „Y: The Last Man“ und „Hellblazer“, setzt die Story mit klaren Linien und dicken Outlines um. Das wirkt hin und wieder steif und erinnert an aktuelle Comics aus der ARCHIE-Schmiede. Gradlinig, aber ohne den nötigen Schwung. Einen Bonuspunkt gibt es für die eingefügten Variant-Motive der US-Ausgaben. Hier sieht man tolle Werke von Frank Cho, Mike Deodato, Tula Lotay oder Elias Chatzoudis.

Marj has been optioned!

Wenn man sich durch internationale Branchenseiten scrollt, wird man immer mal wieder über den Satz stolpern, Titel „XY has been optioned by XY“. Soll heißen, dass ein Studio oder Streamingdienst sich die Verwertungsrechte an einem Stoff gesichert hat. Bei den großen Häusern MARVEL und DC ist man Kino- und TV-Adaptionen am Fließband gewohnt, sind Werke dieser Comic-Schmieden doch fest in DISNEY- bzw. WARNER-Hand. Independent-Comics wie „Spawn“ oder der fantastische „The Crow“ von James O’Barr schafften dies unter wenigen Ausnahmen bereits in den 90ern, aber heutzutage vergeht fast kaum eine Woche, in der nicht neue Indie-Stoffe von Studios und Produzentin erworben werden. Nicht selten gibt es einen regelrechten Bieterkrieg unter den Interessenten. So wurde erst kürzlich bekannt, dass die „Dark“-Schöpfer Jantje Friese und Baran bo Odar für NETFLIX die Erfolgsserie „Something is Killing the Children“ (in Deutschland bei SPLITTER) umsetzen, der BLACK MASK-Comic „Destiny, NY“ eine Serie erhält und sich „Indigo Children“ (noch vor US-Veröffentlichung!), „The Normals“, „The Good Asian“, „Geiger“ (CROSS CULT) oder der Überraschungshit „Eight Billion Genies“ ebenfalls schon in trockenen Tüchern befinden.

Da nach dem erfolgreichen Kinofilm „Uncharted“, der gelobten TV-Serie „The Last of Us“ und dem grandiosen Kinostart von „Der Super Mario Bros. Film“ erstaunlicherweise mal profitable Beispiele aus dem Bereich der Game-Adaptionen aufblitzen, sollte es kaum verwundern, dass Studios sich gerade auf alles stürzen, was Pixel hat. Das Studio LEGENDARY ENTERTAINMENT hat sich gleich mal die Serien- und Film-Rechte an CAPCOMs „Street Fighter“ gesichert. Und immer, wenn so etwas bekannt wird, geht ein ordentlicher >RUMMS!< durch die Collector-Gemeinde. Meist schneller als man reagieren kann, stürzen sich sowohl Sammler als auch Spekulanten auf Erstausgaben zugehöriger Comics. So ging nun der Run auf den MALIBU-Comic „Street Fighter“ #1 aus dem Jahr 1993 los. Das wiederholt sich in der Regel, nachdem ein Trailer veröffentlicht wurde, bevor ein Comic irgendwann wieder abkühlt. Ich spreche mich von solchen „Jagden“ nicht frei, vermeide es aber, Unsummen für eine Nummer 1 oder einen Charakter-Erstauftritt (first appearance) auszugeben. Nicht selten knallt ein Titel nämlich wieder über Nacht ins Bodenlose. Sei es, weil ein Projekt in der Produktionshölle verschwindet, oder weil das Ergebnis letztendlich schauderhafte Scheiße ist und in der Luft zerrissen wird. Was meint Ihr, was los war, als James Gunn die geplanten DC-Projekte für die nächsten Jahre angekündigt hat? Alle stürzten sich beispielsweise auf „Supergirl: Woman of Tomorrow“ #1 (als deutsches Paperback bei PANINI), da ein neuer Film auf der Tom King-Story basieren wird. Schlimmer wird es, wenn in Trailern Charaktere aus dem Golden- oder Silver-Age auftauchen. Solche Comics sind per se schwer in gutem Zustand zu finden, was die Jagd auf Erstauftritte von Figuren zusätzlich erschwert und entsprechend kostspielig werden lässt.

Im Falle von „Marjorie Finnegan: Temporal Criminal“ konnte ich mich jedoch nicht zurückhalten. Die #1 der AWA-Mini-Serie (ARTISTS WRITERS & ARTISANS) wanderte schnell zum Cover-Preis in die Privatsammlung, denn die gute Marj soll ebenfalls verfilmt werden. Niemand geringeres als Ruben Fleischer („Zombieland“, „Venom“, „Uncharted“) soll als Produzent und Regisseur fungieren. Hundertprozentig überzeugt bin ich noch nicht, denn es drängt sich mir die Frage auf, wer eine freilich notwendige Stange Geld in die Hand nimmt, um die höchstwahrscheinlich effektgeladene atemlose Hatz werkgetreu umzusetzen. Sollte sie denn wirklich werkgetreu sein, wäre ein R-Rating (entspricht bei uns entweder FSK 18 oder FSK 16… je nach Laune der Prüfer) wohl unausweichlich. Und bekannterweise versuchen Studios eine hohe Alterseinstufung zu vermeiden. Wie man es richtig macht, zeigten „Deadpool“ und „Logan“ (R-Rating). Wie man es vergeigt, sah man in „Venom“ (PG-13). Naja… abwarten, ob das Projekt überhaupt irgendwann mal Gestalt annimmt oder jämmerlich in der Development-Hell verrottet.

Fazit:

Nicht der größte Wurf von Garth Ennis, aber dank des zotigen, derben Humors für ein paar kurzweilige Stündchen gut. Sollte einen die überraschend politisch und religiös angehauchte Story abfucken, hat man abschließend wenigstens ein paar neue Klopper für die hauseigende Schimpfwort-Bibliothek erstanden. Fuckfuckfuckfuckfuck… so.

Marjorie Finnegan: Temporal Criminal

Garth Ennis, Goran Sudžuka, Cross Cult

Marjorie Finnegan: Temporal Criminal

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