Magda magdat schon…
Bibi wird erwachsen
Wer bei Hexen an schrumpelige und faltige Damen fortgeschrittenen Alters denkt, die nächtlich gerne schrill krakeelend im Wald um einen dampfenden Kessel tänzeln und dampfgegarten Kindern im Pfefferkuchen-Häuschen die formschöne, behaarte Warze auf der Nase vor die ausgemergelt blickenden Augen halten, ist entweder bei den Gebrüdern Grimm kleben geblieben, oder jagt nachts mit der brennenden Fackel noch jede Omi durchs Dorf, die eine schwarze Katze im Schlepptau hat.
Auch die ewig junggebliebene „Hex-hex“-Hexe Bibi Blocksberg, die mit ihrer BFF Tina täglich durch die Botanik galoppiert, dient nicht als Paradebeispiel für die Hexenzunft und begeistert wohl hauptsächlich ein junges, weibliches Publikum.
Dass es auch fescher und trendiger geht, bewiesen die taffen „Charmed“-Mädels für mehrere Jahre trashig (aber amüsant) im heimischen TV und dürfen sich auch in Comic-Form noch regelmäßig um Kopf und Kragen zaubern.
Auch Teenie-Hexe „Sabrina“ verlässt in Zukunft die laschen Sitcom-Pfade und darf sich in einer neuen Netflix-Serie mit dunklen Mächten im „Riverdale“-Universum herumschlagen. Kein Wunder, entspringt Fräulein Spellman doch ebenso wie die „Riverdale“-Crew den langjährig erscheinenden „Archie“-Comics des gleichnamigen Verlages.
In der dritten Staffel der langlebigen Horror-Anthologie-Serie „American Horror Story“ mit dem Beinamen „Coven“ (zu Deutsch: „Zirkel“) wurden ebenfalls Hexen in den Fokus gerückt, welche in der aktuell achten Staffel erneut herumspuken sollen.
Ähnlich moderne Wege geht auch Jung-Hexe „Magda Ikklepotts“… auch, wenn ihr Name dies nicht unbedingt vermuten lässt. Die liebe Magda hat es trotz ihres jungen Alters allerdings faustdick hinter den Ohren und ist mit allen (Weih-)Wassern gewaschen…
„Buffy“ meets „Harry Potter“
Magda ist zwar bereits mit Magie aufgewachsen, beherrscht aber trotzdem nicht die volle Bandbreite des Zauberns. Für simple Tricks - allerdings deutlich über Taschenspieler-Niveau - reicht es aber mehr als aus. Nachdem ihre Eltern starben, wurde Magda von ihrer Tante adoptiert. Diese weigerte sich allerdings das Mädchen in die Zerstörungs-Magie einzuweihen. Magie geht im Grunde locker von der Hand… und das ist nicht nur so dahergeredet, denn Zaubern ist wirklich eine Fingerübung: Berührt eine Hexe mit ihrem Daumen zwei weitere Finger, aktiviert sie einen Grundzauber. Durch die kryptischen Symbole auf den Fingerkuppen entsteht die Magie. Unterschiedliche Finger, unterschiedlicher Zauber… so weit, so gut. Jeder weitere hinzugefügte Finger verfeinert den gewünschten Effekt. Die linke Hand ist dabei für Wahrnehmungs- und Schutzzauber gedacht. Die rechte Hand hat zerstörerische Auswirkungen. Magda verfügt über die sogenannte „Doppelglyphe“, ein unter Hexen extrem seltenes Phänomen. Ohne entsprechendes Wissen könnte ein Zauber mit der rechten Hand ungeahnte, zerstörerische Auswirkungen haben, weshalb Magda diese stets mit einem Handschuh bedeckt… sie will sich nämlich nicht mit einem Fingerschnipp selbst in den Orkus blasen.
In Paris ist die junge und eigensinnige Hexe weitestgehend auf sich allein gestellt. Ihr ständiger Begleiter ist die sprechende Elster Magpie. Mit dem Jungen Driss hat sie ein rein freundschaftliches Verhältnis, obwohl man ein gewisses Knistern meilenweit gegen den Wind hören kann. Magie ist in dieser Welt zwar kein Mythos mehr und offiziell anerkannt, jedoch müssen Hexen und Zauberer sich registrieren lassen. Seit einem dramatischen Zugunglück im Jahr 1998, bei dem 154 Menschen ums Leben kamen, stehen sie unter besonderer Beobachtung der Regierung. Angetrieben von der fanatischen Rachel Saint-Ange, die einen persönlichen Verlust bei dieser Tragödie zu beklagen hatte, formiert sich ein wachsender Widerstand gegen die magische Minderheit. Es brodelt in der Stadt und Paris gleicht einem Pulverfass… und mittendrin eine noch ahnungslose Magda.
Diese schlägt sich zunächst noch mit kleinen Gaunereien durch. Vertreibung von angeblichen Poltergeistern und ähnlichen Störenfrieden… natürlich gegen Bares. Ihre Betrügereien noch im Hinterkopf, ergreift sie auch Hals über Kopf die Flucht, als der lange Arm des Gesetzes unangemeldet an die Tür hämmert. Nach kurzer (aber rasanter) Flucht findet Magda sich dennoch auf dem Polizei-Revier wieder, wo der zuständige Ermittler Maulincourt der angepissten Hexe erklärt, dass nicht ihre Betrügereien sie ins Visier der Ordnungshüter gebracht haben, sondern andere seltsame Vorkommnisse. In einem nahegelegenen Senioren-Residenz beginnen die Leute zu halluzinieren und kritzeln scheinbar wahllos Zeichen an die Wände… Hexenmale! Magda willigt ein, die Ermittlungen mit Rat und Tat zu unterstützen… aber nur, wenn Maulincourt das ZKA (Zaubereikontrollamt) aus der Sache raushält. NOCH mehr Ärger kann die junge Hexe nämlich wirklich nicht gebrauchen.
Die Geschehnisse im Altenheim sind allerdings nur der Anfang. Als sich ein ganzer Straßenabschnitt plötzlich wie aus dem Nichts verändert und wie ein Portal in die Vergangenheit wirkt, wird Magda klar, dass sie knietief in der Scheiße steckt. Während der (äußerst realistischen) Vergangenheits-Vision erblickt sie eine Leiche, die an einem Galgen baumelt. Eine Leiche, die aussieht wie ihre Mutter! Kein Zweifel: Die Hexe mit der seltenen Doppelglyphe spielt hier eine zentrale Rolle. Die wiederkehrenden Träume aus der Nacht, in der sie ihre Eltern verlor, sind ein weiteres Puzzleteil, welches sich noch nicht ins Gesamtbild einfügen will. Doch es kristallisiert sich heraus, dass der mysteriöse Vitali Petrov, ein angeblicher Freund von Magdas Eltern, welcher in der schicksalhaften Nacht ebenfalls zugegen war und anscheinend von der jungen Hexe bei einem merkwürdigen Ritual unterbrochen wurde, Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Vorkommnisse ist.
Ein >SCHNIPP!< und Du bist drin!
Ja, tatsächlich geht es manchmal schneller als man denkt. Nur wenige Seiten hat es gebraucht, um mich vollkommen in die Story zu ziehen. Die reale Welt, in der ECHTE Zauberei nicht für staunende Augen und offene Münder sorgt und Teil des Alltags geworden ist, kommt überraschend bodenständig daher und übertreibt es nicht. Hier wird dezent gehext, dafür aber sachlich und gesellschaftlich thematisiert und diskutiert. Ein durchaus interessanter Aspekt, der den Leser nicht optisch überfordert, das Auge aber dennoch mit den wunderbar magischen Zeichnungen von Krystel verwöhnt. Natürlich gibt es auch actionreiche Panels und sogar ganze Seiten, die atemlose Konfrontationen zeigen, dennoch behält der angenehm spannende Mystery-Faktor die Oberhand.
Die digitale Kolorierung ist angemessen düster und durchbricht die stimmige Atmosphäre hier und da mit leuchtenden Farb-Akzenten. Dies kommt besonders gut durch das großformatige Alben-Format des Splitter Verlags zur Geltung. In den detailreichen Illustrationen der Zeichnerin, die auch schon für die Bilder im düsteren Fantasy-Comic „Ash“ (nicht zu verwechseln mit „ASH – Austrian Superheroes“) verantwortlich war, blitzt zudem konstant ein leichter Manga-Einfluss durch, der in wenigen Panels sogar bewusst auf die Spitze getrieben wird. Meist, wenn eine knuffige Manga-Magda dem Leser wissenswertes über die Hexerei mit auf dem Weg gibt… oder ihren Polizisten-Begleiter Maulincourt bei dessen Aussagen verbessert.
Fazit:
Buch 1 von „Magda Ikklepotts“ (Gott… wer kommt nur immer auf solche Namen?) macht bereits eine Menge richtig und startet direkt in eine spannende Geschichte, an deren Ende man unweigerlich weiterlesen möchte. Gut, dass im Splitter Verlag bereits der zweite Band erschienen ist und für März 2019 schon ein dritter Teil angekündigt ist. Okkultismus-Fans, denen der abendliche Gang zum örtlichen Friedhof in der jetzigen Jahreszeit zu frisch wird und Freunden der spannenden Mystery-Unterhaltung sei die rotzfreche Jung-Hexe gleichermaßen ans Herz gelegt.
François Debois, Krystel, Splitter
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