Ein überaus gelungener Jubiläumsband
Wenn eine Berühmtheit ein Jubiläum feiert, so wird diese Persönlichkeit gerne mit einer Rückschau der bisherigen Lebensleistungen geehrt. Einer, der ewig jung bleiben wird, auch wenn er dieses Jahr (2021) sein 75jähriges Jubiläum feiert, ist kein geringerer als der Mann, der schneller schießt als sein Schatten: Lucky Luke. Ersonnen im Hirn des belgischen Zeichners Maurice De Bevere, genannt Morris, und in den ersten 40 Alben mit Texten von René Goscinny, der auch für Asterix verantwortlich war, ist der Cowboy längst eine Legende. Grund genug für einen Jubiläumsband, der den Cowboy, seine Entstehung und seine Geschichten würdigt.
Der Band aus dem Hause Egmont - in der Reihe Comic Collection - kommt als großzügiges, 128 Seiten starkes, großformatiges Hardcover daher und bietet alles, was das Fan-Herz nur begehren kann. Treue Leser der Lucky Luke-Comics, die in Deutschland direkt in Komplettform und nicht (mehr) als Fortsetzungsgeschichten erscheinen, finden gelegentlich am Ende einer Geschichte immer eine Seite, die den Bezug zur „wahren“ Wilden Westen herstellt, sei es ein Originalbild einer Figur aus dem Heft, ein paar Zeilen über Stacheldraht oder die Verlegung der Eisenbahn. In diesem Jubiläumsband sind all diese Geschichten zusammengefasst und bilden so ein Lexikon des Hintergrundwissens der Comics. Allein hieran kann man erkennen, dass hinter den Geschichten mehr steckt als nur einfache Storys, in denen der Held die Bösen besiegt.
Keine Fragen bleiben offen
Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie genau es die Erfinder von Lucky Luke mit der Wahrheit genommen haben. Einzelne Kapitel beschäftigen sich mit dem Wilden Westen an sich, den Landschaften, dem Bau der Eisenbahn, dem Goldrausch, die Aufteilung des Indianerlands, Emigranten, Berühmtheiten der Zeit und den Indianerstämmen, dabei wird immer mit alten Fotos dargestellt, wie es wirklich aussah, und daneben eine Zeichnung, wie es in den Comics umgesetzt wurde.
Dies ist gerade bei den Menschen interessant, die, Gut und Böse, in den Comics auftauchen. Von Joshua Norton (dem Kaiser von Amerika), Buffalo Bill, Jesse James, Calamity Jane und schließlich den Daltons freut man sich auf die Umsetzung und staunt, wie viele oder wie wenige Ähnlichkeiten es gibt.
Detailreiche Umsetzungen der Realität in den Comic
Eine großzügige Landkarte von Amerika zeigt, welche Staaten wann zu den USA dazukamen, und welches für Lucky Luke bedeutende Ereignis wann wo stattgefunden hat und wo er dabei war. Er ist schon herumgekommen, unser Cowboy, und ob das chronologisch alles so Sinn macht, ist völlig egal. Eine Linie auf der Karte zeigt sogar an, wo die Grenze zwischen der Union und den Konföderierten während des Bürgerkriegs lag, hier hat man also eine wertvolle Karte vorliegen, die zumindest bis 1912 den aktuellen Stand der Dinge aufzeigt.
Am Ende des Buches findet man das, was einige Comic-Fans vielleicht zu Beginn vermutet hätten: Die Geschichte, wie Morris Lucky Luke erfand und abschließend ein Interview mit den beiden derzeitigen „Vätern“ von Lucky Luke, Achdé und Jul, die nach dem Tod von Morris im Jahr 2001 schließlich 2003 das Zepter übernahmen.
Dieser Jubiläumsband verbindet alle Elemente der Comics miteinander, die dem Fan am Herzen liegen, und er beantwortet Fragen, die man vielleicht gar nicht hatte, die aber trotzdem spannend und lehrreich sind. Ausführlich und mit dem eigenen Wild West-Humor beschreibt der Band die Zeit der Cowboys und Banditen und Indianer und ihre Umsetzung in den Comics und streift dabei natürlich auch das eine oder andere Klischee, aber dafür lieben wir die Bände ja auch. Sowohl Idee als auch Umsetzung des Bandes sind vollauf gelungen, woran sich so manches Franchise eine Scheibe von abschneiden kann. Und natürlich reitet Lucky Luke im letzten Bild wieder in den Sonnenuntergang.
Fazit:
„Die Eroberung des Westens“ erschien 2021 zum 75. Jubiläum von Lucky Luke, dem Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, und er erzählt nicht nur seine Geschichte, sondern auch die des Wilden Westens in bunten (bzw. schwarz-weiß-fotografierten) Details und deren Umsetzung in die Comic-Form. Hier erkennt man, wie akribisch Zeichner und Texter arbeiten und wie detailreich und doch humorvoll die Vorlagen umgesetzt werden. Ein Sammelsurium voller Anekdoten und interessanten Geschichtchen, wie man es sich nicht besser wünschen könnte. Hut ab und Herzlichen Glückwunsch, auf die nächsten 100 Comic-Bände! Nicht nur für Luke-fans, sondern für Comic-Fans an sich geeignet, dieser Band gehört in den Schrank jeden Comic-Fans.
Jean-Baptiste Michel, Antoine Bourguilleau, Francisque Oeschger, Morris, Achdé, Egmont
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