Der Stoff, aus dem blutrote Märchen sind
„Liebe und Begierde können ein Übermaß haben.“
- Baruch de Spinoza (niederländischer Philosoph; 1632 – 1677)
Um den katastrophalen seelischen Zustand seiner Mutter zu lindern, nimmt Grenoy einige Strapazen in Kauf. Auf der Suche nach einer besonderen Frucht, die ihre Krankheit lindern könnte, durchstreift er die schwer zugängliche Sumpflandschaft im Königreich Flyn Yord. Gerade als er denkt, er habe das Ziel seiner Suche erreicht, schießt eine Schlange aus dem Dickicht hervor und Grenoy verliert den Halt. Er stürzt in die Tiefe, mitten in den reißenden Fluss, dessen Strömung ihn mit sich nimmt. Am Ende seiner ungewollten Flussfahrt kriecht er erschöpft aus dem Wasser. Das Bild, das er dann sieht, wird sich für immer in sein Gedächtnis brennen: Das ruhige, hüfthohe Wasser in Ufernähe, wohin den Jungen die Gewalt des Flusses gezogen hat, schimmert rot… blutrot, gefärbt vom Lebenssaft toter Soldaten, die dort grausam zugerichtet ihr Ende fanden. Inmitten der Leichen steht eine schwarzhaarige Schönheit. Im Blut badend und wie Gott sie schuf. Ob Gott jedoch wirklich etwas mit ihrer Schöpfung zu tun hatte, steht noch auf einem ganz anderen Zettel. Denn urplötzlich fährt die schöne Unbekannte herum und stürmt in Begleitung von zahlreichen Schlangen auf Grenoy zu. Starr vor Angst und zugleich fasziniert von ihrer Erscheinung, lauscht er den unverständlichen Worten, die ihm die Fremde ins Ohr zischt. Als er wieder zu Sinnen kommt, liegt Grenoy wieder in einem leichter begehbaren Teil des Sumpfes. Keine Toten mehr. Kein Blut, keine Schlangen, keine… Layla.
Verstört und vor Leidenschaft aufgewühlt, jedoch auch mit reichlich Beute im Gepäck, tritt der Junge den Heimweg Richtung Nosgrey, Hauptstadt des Königreichs, an. Hier regieren Armut und Elend. Während der König Ragnar Falx in Überfluss und Prunk lebt, geht die Stadt immer mehr vor die Hunde. Und der komplett abgehängte Teil der Gesellschaft fristet sein Dasein unterhalb von Nosgrey… in der Unterstadt, wo raue Sitten herrschen und nur das Überleben zählt. Tagein, tagaus zieht es Grenoy in die Sümpfe von Flyn Yord. Stets in der Hoffnung, die Frau, die ihm den Verstand geraubt hat, wiederzufinden. Doch seine Suche bleibt vergebens. Keine Spur von der betörenden Layla. Nicht eine… in dreizehn Jahren.
Inzwischen wurde aus dem Frosch, wie Grenoy scherzhaft genannt wurde, ein stattlicher Kerl. Seine Mutter war mittlerweile ihrem Kummer erlegen und das Häuschen, das sie mit ihrem Sohn bewohnte, wurde von Gläubigern beschlagnahmt. Ohne Perspektive und finanzielle Mittel, kletterte Grenoy wortwörtlich die Leiter hinab, bis er die Unterstadt seine neue Heimat nannte.
Einem Zufall ist es zu verdanken, dass Edith, die Grenoy schon seit Kindheitstagen kennt, wieder in sein Leben tritt. Die Tochter des örtlichen Krämers bietet ihm ihre Hilfe an und es kommt, wie es kommen muss: Sie verlieben sich, heiraten, erwarten ein Kind. Zudem wartet auf Grenoy am königlichen Hofe eine Anstellung als Koch. Klingt nach Happy End und wäre dies ein waschechtes Märchen, würde die kleine Familie wohl auch glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben. Ist es aber nicht. Obwohl Grenoys Leben einen gewaltigen Richtungswechsel gen Sonnenseite eingeschlagen hat, kann er die laszive Unbekannte aus den blutroten Sümpfen nicht vergessen. Und tatsächlich taucht die mysteriöse Layla eines Tages in den königlichen Gemäuern der Hauptstadt auf. Und dort verdreht sich nicht nur Grenoy den Kopf. Mit ihr ziehen Tod und Verderben durch die Straßen von Nosgrey.
Mord, Verrat, Lust und Liebe…
…eingebettet in ein phantastisches Szenario. Was sich in der groben Umschreibung beinahe wie ein „Game of Thrones“-Setting anhört, ist tatsächlich in bestimmten Punkten zutreffend, jedoch näher an einem Märchen als an einem Machtkampf verschiedener Königreiche. Trotzdem geht es hier nicht minder blutig zu als in der mittlerweile auserzählten HBO-Serie. Eine düstere, brutale Fantasy-Erzählung von Szenarist Jérémy, der als Zeichner schon für Alben wie „Ritter des verlorenen Landes“ und „Die Ritter von Heliopolis“ verantwortlich war. An sich eine Geschichte, die sich nur schwer aus einem wahren Meer an Fantasy-Storys freischwimmen kann. Kein erzählerisches Meisterstück, aber im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus zufriedenstellend. Der finale Twist, der nach einem blutrünstigen und durchaus beeindruckenden Showdown unverhofft reingrätscht, ist dann das Zünglein an der Waage, womit „Layla – Die Legende der blutroten Sümpfe“ doch noch länger in den Köpfen der Leser rotieren dürfte.
Halbsteif
Die Bilder des Zeichners Mika sind durchaus gefällig und dem Genre angemessen. Keine Meisterleistung des scheinbar noch recht unbeschriebenen Blattes am Künstlerhimmel, aber mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt. Oftmals fehlt es den etwas steifen Charakteren jedoch an Schwung und die Inszenierung gerät ein wenig ungelenk. Hier hätte ich mir eine flüssigere Leichtigkeit gewünscht, anstatt beliebig austauschbare Figuren, die nur wenig Charakterstärke in Mimik und Gestik erkennen lassen. Abseits der Figuren, ist das Rundherum aber sehr ansehnlich, was in großen Teilen auch der atmosphärischen Kolorierung zu verdanken ist. Hier hat Mika zusammen mit Hamo und Alexandre Boucq ganze Arbeit geleistet. So wird die Stimmung in jeder Situation und an jedem Ort farblich gebührend eingetaucht. Dies lässt sich bereits auf dem grandiosen Cover des Hardcover-Albums erkennen.
Fazit:
Unterm Strich bleibt „Layla – Die Legende der blutroten Sümpfe“ ein unterhaltsamer Genre-Beitrag, dessen märchenhafte Atmosphäre immer wieder durch einen Schuss Erotik und saftige Splatter-Einlagen gekillt wird… was nicht unbedingt negativ zu bewerten ist. Zum Überflieger reicht es nicht, dafür entschädigt die Schlusspointe.
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