Ein etwas anderer Reisebericht
Ein Italiener in Japan
Igort hat als einer der ersten europäischen Comicautoren für japanische Verlage gearbeitet. In „Kokoro – Der verborgene Klang der Dinge“ erzählt er einige Episoden aus seinem Leben und über seine Arbeit als Mangaka in Japan. Aber anders als „normale“ Reiseberichte, in denen der Autor von Orten erzählt und man passende Bilder dazu anschaut, ist „Kokoro“ mehr eine Art Tagebuch, in der Igort seine Gedanken festhält. Gleichzeitig aber bietet er Einblicke in die japanische Kultur – sowohl was alte Traditionen als auch moderne Gewohnheiten betrifft.
Form follows function
„Kokoro – Der verborgene Klang der Dinge“ ist ein sehr außergewöhnliches Buch. Erst einmal ist die da die Form: 26,8 x 19 cm. Schon ärgerlich, dass man das Buch in kein normales Bücherregal stecken kann. Die Form folgt aber ganz nach Bauhaus-Tradition der Funktion, denn durch die querformatigen Seiten können die Bilder von Igort in ihrer Reinform gezeigt werden. Denn das Buch hat das Format eines Aquarellblocks, dem bevorzugten Medium Igorts für seine Kreationen. Dadurch bekommen wir seine wunderschönen Aquarellzeichnungen in ihrer vollen Pracht zu sehen.
Die Seiten in „Kokoro“ sind fast immer gleich aufgebaut: auf der linken Seite gibt es Text, auf der rechten ein ganzseitiges Bild. Diese Anordnung verleitet einen dazu, sich erst mit dem Bild auseinanderzusetzen, bevor man den Text liest. Mal zeigen sie Gegenstände oder Figuren, die dann im Text eine wichtige Rolle spielen. Wie etwa Szenen aus einem Film, über dessen Regisseur Igort gerade schreibt. Manchmal haben die Bilder aber sehr wenig mit dem Geschriebenen zu tun, sondern vermitteln eher das Gefühl, das gerade über den Text vermittelt wurde. An einer Stelle fragt sich Igort, seit wann japanische Frauen nicht mehr scheu wegschauen, wenn er sie ansieht, sondern ihn ohne Scham mustern. Dabei sieht man – über zwei ganze Seiten – eine einsame Figur, die durch Tokyo wandert und an zwei jungen Frauen vorbeigeht.
Wunderbar unkonkret
Die Themen, die Igort in „Kokoro – Der verborgene Klang der Dinge“ zu Papier bringt, haben zwar alle mit der Kultur Japans zu tun - es geht um Mangas und ihre Schöpferinnen und Schöpfer, um Filme aus der Nachkriegszeit, usw. - aber einen richtig roten Faden hat das Buch als Ganzes jedoch nicht. Deswegen kann man „Kokoro“ einfach aufschlagen und die Kapitel einzeln oder durcheinander lesen.
Jedes Kapitel folgt lose einem Thema. Manche sind eine Art Erklärung, wieso weshalb warum etwas in der japanischen Kultur so ist, wie es ist. Er erklärt, welche mythischen Figuren es in der japanischen Folklore gibt und zieht dann den Faden zu den Werken von Hayao Miyazaki. Die für mich spannendsten Kapitel sind jedoch die, in denen Igort von seinen Begegnungen mit verschiedenen Mangaka (Manga-Autorinnen und -Autoren), wie z.B. Katsuhiro Otomo oder der „Prinzessin des Mangas“ Rumiko Takahashi berichtet. Da Igort selber als Mangaka in Japan gearbeitet hat, bekommt man durch ihn einen sehr interessanten Einblick in die japanische Verlagswelt, die zwar wunderbare Titel herausbringt, die aber auch ihre Schattenseiten hat.
Fazit:
„Kokoro – Der verborgene Klang der Dinge“ ist eine spannende, etwas andere Form eines Reiseberichts. Durch seine einzigartige Position als ausländischer Mangaka in Tokyo hat Igort einen interessanten Blickwinkel auf Japan und seine Traditionen und Kultur. Dabei behandelt er in den einzelnen Kapiteln sehr unterschiedliche Themen und seine Erzählungen variieren. Mal werden bestimmte Traditionen oder ein Aspekt aus der Kultur erklärt, mal schildert er Begegnungen mit Menschen, die ihn inspiriert haben.
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