Etwas Gemütliches und Buntes… aber mit Dildos.
Lizzy in the City
Die frischgebackene Studentin Lizzy hat sich gerade von ihrem langjährigen Freund getrennt und ist neu in der Stadt. Moment… Single? Großstadt? Hmmm… Single. SINGLE! YAYYYY!!! Eine neue Beziehung ist aber das Letzte, woran sie gerade denken möchte, muss Lizzy sich doch ausgiebig um die Finanzierung ihres Studiums kümmern. Allerdings bringt ihre neue Mitbewohnerin Elva unbewusst einen Stein ins Rollen, der sich bald nicht mehr aufhalten lässt. Lizzy muss nämlich gestehen, dass die weitläufige Wiese der sexuellen Vielfalt für sie noch Neuland ist. Ein Besuch in einem Sexshop? Früher undenkbar. Nun aber…
Gar nicht so schlimm und verklemmt, wie Lizzy es sich vorgestellt hatte. Von einem erwarteten Schmuddel-Image keine Spur, stattdessen wird sie freundlich empfangen und fachkundig beraten. Ein Türöffner der erwartungsfreudigen Art. Lizzy beginnt, sich mit ihrem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Sie steigt ein in die zwanglose Art des Online-Datings, schwärmt ganz versext von ihren erotischen Abenteuern und wird mehr und mehr experimentierfreudig. Bondage, Spanking, BDSM, der erste Dreier… das zu erkundende Feld ist riesig! Und dabei ist Lizzy gerade erst auf den Geschmack gekommen. Und erst einmal bei einer Domina als Assistentin reingeschnuppert, ist der Weg zum hauseigenen Sklaven nicht mehr weit…
Etwas kompliziert wird es, als Lizzy den sympathischen aber etwas schüchternen Theo kennenlernt. Was mit Treffen zu gelegentlichem Sex beginnt, entwickelt sich schleichend weiter. Und sind erstmal Gefühle im Spiel, fällt es schwer, diese zu unterdrücken. Doch ist die Zeit schon reif für einen nächsten Schritt…?
„Auf jedem einzelnen dieser Bilder sind Mumus zu sehen!“
Nein, sind sie nicht… zumindest nicht auf jedem. Okay, ja, die Berliner Künstlerin Marie Sann zeigt schon explizit die erotischen Spielereien, aber wer bei dieser natürlichsten Sache der Welt rote Öhrchen bekommt, ist bei SPLITTERs erstem hauseigenen „Splitternackt“-Comic möglicherweise nicht ganz an der richtigen Adresse. Halt: vielleicht seid Ihr dann GENAU richtig…, denn „Kinkerlitzchen“ thematisiert offen und nicht minder neugierig die unterschiedlichen Facetten der Sexualität. Erlaubt ist, was BEIDEN (gegebenenfalls auch mehreren) Partnern gefällt! Eine offene Kommunikation der eigenen Sehnsüchte kann sich als schwere Hürde erweisen, weshalb vieles oft im Verborgenen bleibt. Dagegen kämpft Marie Sann unverblümt an, denn eigentlich ist das Leben zu kurz, um Fantasien nicht leidenschaftlich auszuleben.
Ob im reichlich aufgeladenen (und bestens ausgestatteten!) Schlafzimmer, dem sonnendurchfluteten Park, auf kreativen Partys oder beim „Vulva Watching“-Kurs, sind Marie Sanns digitale Zeichnungen stets eine farbenrohe Augenweide. Ihr cartooniger, fast schon disney’esquer Stil, mit dem sie sich deutlich von ihren künstlerischen Anfängen entfernt, scheint die perfekte Wahl. Begann sie mit Manga-Geschichten („Sketchbook Berlin“) und setzte ab 2011 den Roman „Frostfeuer“ von Kai Meyer in verträumten und ebenso märchenhaften Bildern um, merkt man „Kinkerlitzchen“ in jedem Panel an, dass die sympathische Berlinerin nun IHREN Stil gefunden zu haben scheint.
Auch in Sachen Humor bleibt in „Kinkerlitzchen“ kein Auge trocken. Dazu tat Marie sich nach „Frostfeuer“ erneut mit dem erfahrenen Autoren Yann Krehl („Das Wolkenvolk“, „Die Krone der Sterne“, „Die Zwerge“) zusammen, um gemeinsam die Story auszuarbeiten und Charakterzüge hervorzuheben. Das gelingt so gut, dass man Lizzy und ihre Freundinnen und Freunde schnell ins Herz schließt. Charakterentwicklungen sind spürbar und humorvolle Running-Gags – wie zum Beispiel Lizzys Nicht-Gespür für Nebenjobs, ihr ungeklärter Studiengang oder das monströse Gebilde im Kühlschrank (formerly known as „Salat“) – geben sich mit hervorragendem Timing die Klinke in die Hand. Begleitet von einer stets treffenden Mimik der Protagonisten, verpufft hier kein aufheiternder Lacher.
Let’s get kinky!!!
Ursprünglich entstanden Lizzy & Co. für Marie Sanns Herzensprojekt „Kinky Karrot“. Sex-Positivity, Inklusivität und Selbstliebe bilden die Grundpfeiler ihrer aufklärerischen Arbeit, mit der sie auf kreative Weise Sexualität und Individualität zelebriert. Ein bunter Safe-Space für Experimentierfreudige und Neugierige. Eine inspirierende Fundgrube voller Artikel, Anleitungen und Möglichkeiten, mehr über diverse Kinks und Fetische zu erfahren.
Neben der regulären, großformatigen Hardcover-Ausgabe der „Kinkerlitzchen“ gibt es noch eine limitierte Vorzugsausgabe des Comics. Diese 666 Exemplare kommen mit einem „fesselnden“ Shibari-Variantmotiv, zusätzlichen Bonusseiten und einem von Marie Sann signierten Kunstdruck. In meinem Bücherschrank stehen mittlerweile beide Ausgaben.
Fazit:
Ja versohl mir den Hintern und nenn mich „geölter Blitz“, was hatte ich eine gute Zeit mit den „Kinkerlitzchen“! Marie Sann hat ihre Figuren liebevoll designt und mit der Unterstützung von Yann Krehl facettenreich charakterisiert. Schwer unterhaltsam, getragen von einer überraschenden Leichtigkeit und stets prickelnd aufgeladen. Wer nach erotischer Abwechslung sucht, könnte hier inspiriert werden, denn... sind wir nicht alle ein bisschen "kinky"?
Marie Sann, Yann Krehl, Marie Sann, Splitter
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