Tischtennis, Trabbi, Teenager-Sein
Mirko und wie er die Welt sah
Mirko Watzke ist eigentlich ein vorbildlicher Schüler. Er ist immer pünktlich und macht auch sonst keinen Ärger. Doch dann entdeckt er seine Begeisterung für Tischtennis und Rundlauf. Als er dann auch noch Ärger mit ein paar der älteren Schüler bekommt, verändert sich Mirkos Leben komplett. Denn der Einzige, der ihm wirklich helfen kann, ist der unheimliche Neue aus der Parallelklasse. Diese Freundschaft stellt den eigentlich sehr zurückhaltenden und etwas feigen Mirko auf die Probe. Vor allem, als sie dann gemeinsam ein Tischtennisturnier auf die Beine stellen wollen.
Eine Kindheit im Schatten der Tischtennisplatte
„Kinderland“ ist eigentlich eine ganz normale „Coming of Age“-Geschichte, also eine Story, die das Erwachsenwerden der Figuren erzählt. Dass diese in der DDR kurz vor dem Mauerfall passiert, hat so gut wie keine Auswirkung auf die Erzählung. Klar, Mirko ist Junger Pionier und sie lernen in der Schule russisch, aber das wars. Denn in „Kinderland“ geht es wirklich um die Entwicklung von Mirko und seinen Freunden und in deren Leben ist nun mal Tischtennis in diesem Moment das Wichtigste überhaupt. Meiner Meinung nach passt das aber wunderbar zur Geschichte und auch zur Hauptfigur. Denn der Leser bekommt ja die Geschehnisse aus seiner Sicht präsentiert. Und er ist nun mal ein 14-jähriger Schüler, der die DDR als ganz normale Realität erlebt. Das macht „Kinderland“ auch ganz besonders: Die Figuren wirken sehr echt, denn sie sind weder übermäßig kindlich noch unnatürlich erwachsen. In einer Szene sagt Mirkos Lehrerin, dass Menschen, die aus der DDR fliehen, schlechte Menschen sind. Kurz darauf belauscht Mirko seine Eltern, die mit Freunden darüber reden, dass sie eigentlich auch gerne in den Westen fliehen würden. Die Angst, die Mirko dabei fühlt, ist in diesem Kontext sehr verständlich und wird auch toll rübergebracht.
Ein Hauch Comic-Strip
Der Zeichenstil von Mawil erinnert mich ein bisschen an den alter Comic-Strips in der Zeitung, wie etwa „Hägar der Wikinger“. Die Figuren sind nicht gerade anatomisch korrekt– die haben gefühlt keine Knie oder Ellenbogen und haben nur vier Finger an jeder Hand – oder realistisch gezeichnet. Dennoch hat jede Figur ihre eigenen charakteristischen Züge. Und was den Zeichnungen an Fotorealismus fehlt, macht die Liebe zum Detail es wett. Die Frisuren, die Klamotten und die Einrichtungen der Wohnungen und der Schule lassen die alte DDR wieder zum Leben erwecken.
Fazit:
Insgesamt finde ich Mawils „Kinderland“ eine sehr schön gelungene Graphic Novel über das Erwachsenwerden. Die Geschichte hätte sich so ähnlich auch überall auf der Welt und mehr oder weniger in jedem Jahrzehnt abspielen können. Das ist aber keineswegs negativ gemeint, sondern durchaus positiv, denn so kann man sich sehr gut mit der Hauptfigur identifizieren. Das DDR-Kolorit gibt dem Ganzen die extra Portion Charme.
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