Kann eine so klassische Figur wie Charlotte Brontës „Jane Eyre“ als Comic funktionieren?
Alte Geschichte in neuem Gewand
Charlotte Brontë ist neben ihrer Schwester Emily Brontë und Jane Austen eine der bekanntesten Schriftstellerinnen der britischen klassischen Literatur. Ihr Roman „Jane Eyre“ war Mitte des 19. Jahrhunderts ihr literarischer Durchbruch. Und da wir alte Geschichten nicht ruhen lassen wollen, wurde die Geschichte um die Waise Jane Eyre nicht nur etliche Male verfilmt – zuletzt mit Mia Wasikowska und Michael Fassbender in den Hauptrollen – sondern bekommt mit „Jane“ eine Comicadaption. Was für Drehbuchautorin Aline Brose McKenna („Der Teufel trägt Prada“) als Filmadaption begann, wurde aber nach einer Begegnung Künstler Ramon K. Perez („Spider-Man: Erste Schritte“) dann doch noch zum Comic. „Jane“ ist aber letztendlich nicht nur eine Adaption von Buch zu Comic!
Jane Eyre – Verliebt in New York
Ihre Eltern sind beide tot, ihre Familie will sie nicht haben – deswegen entscheidet sich Jane, auf eigener Faust ihr Leben zu leben. Sie arbeitet lange auf einem Fischerboot, bis sie genug Geld zusammengesammelt hat, um ihr Traum zu erfüllen: Ein Kunststudium in New York anzutreten. Als sie endlich im Big Apple angekommen ist, muss sie einen Studentenjob annehmen – eine der Bedingungen für ihr Stipendium. Der einzige Job, der so kurzfristig verfügbar ist, ist als Kindermädchen. Mit der kleinen Adele hat Jane auf Anhieb einen tollen Draht, aber ihr Vater, der mysteriöse Rochester, bleibt für Jane ein Geheimnis. Und warum ist der zweite Stock des Penthouses für alle Tabu? Jane verstrickt sich immer mehr in die Dramen und Intrigen des Familienlebens von Rochester.
Große Malerei, aber die Story…
Leider ist es das erste Mal, dass ich mit Jane Eyre in Berührung komme. Meine Liebe für die klassischen Autorinnen britischer Literatur endete nach der Lektüre von „Stolz und Vorurteil“ und ließ mich gar nicht erst zu den Brontë-Schwestern kommen. Deswegen kann ich nicht beurteilen, ob der Comic von McKenna und Perez dem Original trotz des verschobenen Zeitalters treu geblieben ist. Was ich aber sagen kann ist, dass allein die Zeichnungen von Perez es wert sind, den Comic zu lesen. Die erst farblosen Tusche-Panels bekommen nach und nach immer mehr Farbe und zeigen so, wie Janes Hoffnungen mit ihrem Umzug nach New York aufkeimen und wie die Sonne buchstäblich für Jane am Horizont aufgeht, als sie diesen neuen Lebensabschnitt antritt. Das Ergebnis sind tolle Aquarellbilder, die man am liebsten im heimischen Wohnzimmer aufhängen würde.
Die Geschichte aber nimmt ein bisschen die Leselust. Wie gesagt, ich kann sie nicht mit dem Original vergleichen, aber die Romanze zwischen Jane und Rochester scheint mir im besten Fall ein altes Klischee zu sein: Junge, naive Frau verliebt sich in älteren, mysteriösen Mann. Im schlimmsten Fall ist es ein gefährliches Klischee: Junge, naive Frau verliebt sich in älteren, mysteriösen Mann, der unglaublich viel Macht – auch über sie – hat. Zum Ende des Comics versucht Rochester beispielsweise, Jane zu überreden, mit ihm aus der Stadt zu flüchten. Er entführt sie beinahe, aber sie kann sich wehren. Nur um im nächsten Moment zu ihm zurück zu wollen. Generell kann ich persönlich wenig mit dem Klischee des kaltherzigen Mannes, dessen gutes Herz durch das naive Mädchen zum Vorschein gebracht wird, anfangen. Von der Mitschöpferin der Serie „Crazy Ex-Girlfriend“ – einer Serie, die sehr gut Klischees aufnimmt, um sie dann zu dekonstruieren – hätte ich an dieser Stelle ein bisschen mehr erhofft.
Fazit:
Die Zeichnungen von Ramon K. Perez könnte ich mir wirklich den ganzen Tag angucken, sie sind wunderschön und geben sehr gut wieder, wie sich Jane in dem Moment in der Geschichte fühlt. Nur die sehr klischeehafte Story von Aline Brosch McKenna konnte mich nicht recht überzeugen. Ich glaube nicht, dass Charlotte Brontës „Jane Eyre“ solch ein Klassiker geworden wäre, wenn er so geschrieben worden wäre, wie die Comicadaption.
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