Text:   Zeichner: Zoe Thorogood

It's Lonely at the Centre of the Earth

It's Lonely at the Centre of the Earth
It's Lonely at the Centre of the Earth
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2024

Story

Trigger-Warnungen spare ich mir, da es die Zusammenfassung auf der Rückseite gut auf den Punkt bringt: „…durch die Höhen und Tiefen von Angstzuständen, Depressionen und dem Impostersyndrom“.

Zeichnung

Ein wilder Mix aus Comic, Manga, Underground-Schmöker und LSD-Trip.

Lange Wege, dunkle Pfade und ein Fünkchen Licht

DIESES BUCH SOLLTE NICHT EXISTIEREN

Dieser Schriftzug prangt auf der Rückseite des Buchs. Gepinselt von Zoe Thorogoods Comic-Alter-Ego. Und in einer besseren Welt würde dieses Buch wohl auch nicht existieren, denn es ist ein Buch über Angstzustände und Depressionen. Mittlerweile Volkskrankheiten, die in unserer schnelllebigen Zeit immer häufiger vorkommen. Das perfide dabei, man kann den Erkrankten diese Krankheit nicht ansehen. Der Dame mit Gipsbein bietet man schnell einen Sitzplatz in der Bahn an, dem Herrn im Rollstuhl hält man selbstverständlich die Tür auf, doch Leidenden unsichtbarer Erkrankungen der Psyche wird unwissenderweise nur selten Hilfe in der Öffentlichkeit angeboten… es sei denn, man trägt ein Schild um den Hals oder macht seinem Umfeld lautstark bemerkbar, dass einem die Situation möglicherweise jederzeit aus den Händen gleiten könnte. Das kann sie nämlich, manchmal sogar von Jetzt auf Gleich. Vorausgesetzt, es würde das Umfeld überhaupt interessieren. Psychische Erkrankungen sind – trotz medialer Aufmerksamkeit durch prominente Erkrankte – nämlich noch immer ein Tabuthema. Ich kann da aus eigener Erfahrung sprechen, dass wir von einer allgemeinen Akzeptanz noch eine ganze Ecke entfernt sind… leider. Es gab und gibt noch immer die Leute, die Angstzustände und Depressionen als Lappalie oder gar Einbildung abtun. „Geh mal wieder raus“ oder „Frische Luft tut gut“ sind da noch die harmlosesten Empfehlungen aus näheren Kreisen. Und durch solche Menschen werden viele Leidtragenden weiterhin gehemmt, offen und ehrlich über ihre Probleme zu sprechen. Probleme, die individuell sein können, aber nie, nie, NIE unterschätzt werden dürfen. Betroffene leiden, während die Welt sich zwar weiterdreht, ihre eigene aber komplett in Trümmern liegt. Ohne Zuversicht oder Hoffnung auf Besserung, schwindet der Lebensmut… und manchmal sogar der -wille.

Als jemand, der seit einigen Jahren gefestigter durchs Leben geht, diese schwere Zeit jedoch noch immer im Hinterkopf hat, rennt diese „Autobio-Graphic Novel“, wie sie hier passenderweise von der Autorin bezeichnet wird, halbgeschlossene Türen ein. Auch wenn Zoe Thorogoods Erlebnisse dramatischer waren, kann ich mich sehr gut mit ihrer Person identifizieren. Ebenso in dem Punkt, in dem sie sich als „egoistische“ Künstlerin sieht. Allerdings würde ich dies nicht als negativ auslegen. Um zu genesen, muss man sich mit sich selbst auseinandersetzen. Voll und ganz, mit allen Höhen und Tiefen. Und da ist es nur legitim, wenn ich MEIN Leben in MEINEN Fokus rücke. Wie soll ich mich schließlich um andere kümmern können, sie umsorgen oder hilfreich zur Seite stehen, Freude teilen, lieben, lachen und genießen können, wenn mein eigenes Leben in Scherben liegt? Und es sind meine verdammten Scherben, also hat es Priorität, dass ich Besen und Kehrblech führe. Es wäre halt nur nett, wenn liebe Menschen beim Zusammenkleben helfen würden… ohne aus Unachtsamkeit den Klebstoff wegzuräumen.

Aus dem Bauch heraus

Eine kurze Zusammenfassung von „It's Lonely at the Centre of the Earth“ fällt entsprechend schwer, denn Zoe Thorogood lässt Leserinnen und Leser unverblümt an ihren zum Teil halsbrecherischen Gedankengängen teilhaben. Angefangen in finsteren Pandemie-Zeiten, in denen sie sogar daran dachte, ihr Leben selbst zu beenden. So beginnt das Buch gleich damit, dass Zoe an ihrem Schreibtisch sitzt und überlegt, sich ein Küchenmesser in den Hals zu rammen. Ein recht schockierender Einstieg und möglicher erster Trigger-Punkt von vielen, die noch folgen werden. Irgendwo zwischen Selbstreflektion und Selbstzerstörung, kreist ein unsichtbares Damoklesschwert über Zoes Kopf, welches entweder die Fesseln der Angst durchschneiden oder sie selbst erschlagen könnte. Ein Tanz auf der Rasierklinge, bei dem der Weg zu den selbstgesteckten Zielen einem Zickzack-Lauf durchs Minenfeld gleicht.

Die Britin erzählt verschlungen von ihrer Kindheit, ihrer Familie und den Planungen, ihren Comic „The Impending Blindness of Billie Scott“ auf einer US-Convention zu präsentieren. Dem roten Faden zu folgen kann schwer sein. Doch hangelt man sich an ihm entlang, bekommt man einen ungeschönten Seelen-Striptease, wie er intimer und ehrlicher nicht hätte ausfallen können. Ein Buch, welches Zoe Thorogood über sechs intensive Monate ihres Lebens schrieb und zeichnete… einzig und allein zu dem Zweck, dass sie das Erlebte verarbeiten wollte. Als sie Auszüge daraus online postete, entstand ein derart großes Interesse an ihrer Geschichte, dass der US-Verlag IMAGE sie schließlich druckte. Es ist erstaunlich und schockierend zugleich, dass das markante Cover-Motiv, welches Zoe Thorogood scheinbar fröhlich tänzelnd in ihrer Küche zeigt, an dem Tag entstand, an dem sie sich das Leben nehmen wollte.

„Die Leere war da. Und sie war wunderschön

Künstlerisch erwartet Leserinnen und Leser ein wahre Bilderflut in unterschiedlichsten Stilen. Die Reise beginnt im „klassischen“ Stil, wie ihn auch schon das Cover zeigt, schlägt dann aber wilde Haken. Strichmännchen, anthropomorphe Charaktere, Manga-Einschübe im verniedlichten Chibi-Look, Kollagen und visualisierte Textnachrichten sind nur ein paar Beispiele aus der Wundertüte, die in Zoe Thorogoods Hirn explodiert sein muss. Die Künstlerin hat offenbar einfach drauflosgezeichnet, ohne Rücksicht auf Verluste. So, wie es in jenen Momenten Sinn für sie zu ergeben schien. Und tatsächlich funktioniert ihre Form des Ausdrucks, unterstreicht sogar noch den psychischen Ausnahmezustand, in dem sich Zoe während des Entstehungszeitraums befand. Fürs Publikum nicht immer einfach, dafür umso ungefilterter und roher.

Fazit:

„It's Lonely at the Centre of the Earth“ ist alles andere als leichte Comic-Kost. Allein die autobiographische Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen psychischer Erkrankungen ist oft erschütternd, düster und… ja, deprimierend. Allerdings ist Zoes anstrengender Kampf ums Überleben auch ein Mutmacher für Betroffene und deren Angehörige, die anschließend vielleicht einen besseren Einblick haben, wie es im Innersten ihrer Lieben ausschaut.

It's Lonely at the Centre of the Earth

Zoe Thorogood, Zoe Thorogood, Cross Cult

It's Lonely at the Centre of the Earth

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