In tiefen Wäldern Träumen lauschen - Band 1
- Chinabooks
- Erschienen: Mai 2019
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Die Geschichte in der Geschichte
Erzähl mir nix…
Doch! Genau darum bittet eine junge Frau nämlich einen Umherreisenden, der ihr mindestens ebenso geheimnisvoll vorkommt, wie er ihr fremd ist. Das Fräulein hockt gedankenverloren in einem kleinen Tempel mitten im Wald, voll und ganz auf ihre Zeichnungen konzentriert, während unüberhörbar Regen auf die Blätter prasselt. Ein Rückzugsort, den sie gerne aufsucht, um in Ruhe ihrer Kunst nachzugehen. Vor dem Niederschlag Schutz suchend, gesellt sich ein junger Mann zu ihr. Mysteriös gibt er sich, und fragt auch nicht nach dem Namen seines neugierigen Gegenübers. Sein Gesicht verhüllt eine skurrile Maske, die nicht mehr ganz so befremdlich wirkt, wenn man den Namen hört, mit dem er angesprochen werden möchte: „Affe“.
Angetan von der Beobachtungsgabe, mit der das Mädchen Menschen portraitiert, ergibt sich ein Gespräch zwischen den beiden. „Affe“ erzählt ihr von den Dämonen, die in den Bergen hausen. Und nicht nur dort! Überall sind diese zu finden. Mal friedfertig, mal rachsüchtig. In Tieren, Pflanzen oder gar Dingen. Meist ungesehen, begegnen sie uns immer wieder. Aus diesem Grund hält der Fremde auch sein Gesicht bedeckt. Zum Schutz vor rachsüchtigen Geistern. Um die Zeit des heftigen Regens zu überbrücken, bittet das junge Fräulein den geheimnisvollen Reisenden, eine Geschichte zu erzählen. Schließlich scheint er viel in der Welt rumgekommen zu sein. Er willigt gerne ein. Eine Geschichte über einen schönen Mann soll es sein. Und so fängt „Affe“ an zu erzählen…
Die Prinzessin auf der Erbse
Die Geschichte beginnt im kleinen Land Guangjun. Die lebhafte Prinzessin Yuji ist in Begleitung zweier Untertanen aus dem Palast ausgebüxt, um dem Laternenfest beizuwohnen. Die Festlichkeit ist der einzige Anlass, für den das nächtliche Ausgehverbot gelockert wurde. Dementsprechend beliebt UND belebt ist das Fest. Ein Graus für die Begleiter der Prinzessin, die sich kaum zügeln kann, während sie sich neugierig und voller Tatendrang unters „einfache Volk“ mischt. Und gerade plauderte sie mit ihren Begleitern Yimei und Sanmei noch über die verliebten Pärchen, die durch die hell erleuchteten Straßen flanieren, und wie es wohl wäre, wenn plötzlich die große Liebe vor einem stände, als es passiert… wie aus heiterem Himmel. Auf einmal steht er da. Der schönste Jüngling, den die Prinzessin jemals sah. Wie verzaubert, bringt die sonst nicht auf den Mund gefallene Yuji kein Wort heraus. Ein magischer Moment, der so schnell vorbeizieht, wie er aus dem Nichts gekommen war. Der junge Mann, in Begleitung einer älteren Dame, verschwindet in der Menge…
Trotz strömenden Regens fasst sie sich ein Herz und befiehlt Yimei und Sanmei ihr nicht zu folgen. Sie rennt los… planlos, jedoch voller Hoffnung. Völlig durchnässt irrt die Prinzessin durch die Straßen der Stadt. Ihre Augen sind überall und nirgendwo, doch von den beiden Fremden ist keine Spur zu finden. Gerade als Yunji enttäuscht aufgeben will, erspäht sie das ungleiche Paar an einem Bootssteg. Verdeckt von einem Regenschirm, fällt ihr der großgewachsene Mann mit dem wallenden schwarzen Haar sofort auf. Als sie die beiden erreicht, als diese gerade im Begriff sind an Bord eines Bootes zu gehen, ist Yuji wie erstarrt. Das einzige, was sie herausbringt, ist die Frage nach dem Regenschirm der beiden. Nicht wissend, dass sie gerade die Prinzessin vor sich haben, überlässt die gutmütige Dame ihr gerne den Schirm. Noch bevor das Boot ablegt, hört die Prinzessin den Namen, mit dem die nette Frau den Schönling an ihrer Seite anspricht… A Jiu.
Noch immer verzaubert, starrt Prinzessin Yuji dem Boot hinterher. Der magische Moment ist vergangen. A Jiu außer Sicht- und Reichweite. Vorerst… denn die aufgeweckte Yuji setzt alle Hebel in Bewegung, um den jungen Mann ausfindig zu machen. Schließlich soll er ihr Auserwählter sein. Der Prinz an ihrer Seite. Doch bis es soweit ist, soll noch so manche Hürde übersprungen werden…
Kitsch?
Klar! Oder habt Ihr die oberen Absätze nicht gelesen? Aber Kitsch muss per se nichts Schlechtes sein. Denkt nur an Romane von Nora Roberts, Jane Austen, die Bestseller „Wie ein einziger Tag“ von Nicholas Sparks, „P.S. Ich liebe Dich“ von Cecilia Ahern, die verdammten „Dornenvögel“ oder Filme wie „Pretty Woman“, „Schlaflos in Seattle“ und die Königsklasse der schnulzigen Literatur-Verfilmungen mit „Stolz und Vorurteil“, „Vom Winde verweht“ und „Der Vorleser“. Eines haben diese nämlich alle gemeinsam: Sie sind weltweit beliebt und mindestens ebenso erfolgreich. Und das zeigt, dass sie allesamt ihre Daseinsberechtigung haben, und mehr noch, dass es auch mal guttut, einfach mal bei einer klebrig-süßen Romanze mit einem langgezogenen „Haaaaach…“ verträumt in der Couch zu versinken. Davon nehme ich mich nicht aus und konnte der Geschichte… Verzeihung, DEN GeschichteN in „In tiefen Wäldern träumen lauschen“ deshalb durchaus etwas abgewinnen. Es hat – zugegeben – ein paar Seiten gebraucht bis ich drin war, aber dann ging es besser als erwartet. Ich landete schneller als gedacht auf der letzten Seite, die mich dann mit einem „Fortsetzung folgt“ in den Alltag entließ… Schade, aber kein Grund, um Trübsal zu blasen: Die Bände 2 bis 4 sind nämlich bereits von Chinabooks veröffentlicht worden und liegen für den nächsten schnulzigen Anflug des Rezensenten parat.
Von schönen Männern, Prinzessinnen und Bildern
Tatsächlich ist mir erst nach dem Lesen aufgefallen, dass das auf dem Cover des ersten Bandes ein Kerl sein soll. A Jiu als androgyn zu bezeichnen, wäre deshalb wohl auch die Untertreibung des Jahres, aber so lange er der Prinzessin gefällt, ist ja alles im grünen Bereich. Insgesamt ist der Look des Manhua sehr realistisch, was die junge chinesische Künstlerin Zhang Jing meist auch sehr gut umgesetzt hat. Besonders die aufwändigen Hintergründe, die von vielen Zeichnern leider oftmals vernachlässigt werden, sollen dabei erwähnt werden. Diese sind zart und detailliert in Szene gesetzt. Oft verwaschen und in ihren Grau-Tönen ineinander übergehend. Auch die traditionellen Gewänder wurden mit ihren opulenten Verzierungen eindrucksvoll gestaltet.
Eigentlich gibt es also nichts an der künstlerischen Umsetzung auszusetzen… bis auf eine Sache, die mich immer wieder ein wenig aus der Erzählung… Verzeihung, DEN ErzählungEN riss: Im Gegensatz zu den Hintergründen verfügen die Charaktere über dickere, klarere Linien. Dies hebt die Figuren zwar hervor, lässt sie aber in manchen Augenblicken wie Fremdkörper in der Szenerie wirken, was sich besonders im realistischen Minenspiel verdeutlicht.
Fazit:
Ein charmantes Liebesdrama aus vergangenen Zeiten. Der Kniff, eine Geschichte in der Geschichte zu erzählen, ist durchaus gelungen und weckt das Interesse am Fortgang der Story. Eine Romanze, die ungewöhnlicher ist als sie sich anhört, und wohl noch einiges an Konfliktpotential parat hat.
Zhang Jing, Zhang Jing, Chinabooks
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