Text:   Zeichner: Liv Strömquist

Ich fühl's nicht

  • Avant
  • Erschienen: März 2020
  • 0
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Nina Pimentel Lechthoff
9101

Comic-Couch Rezension vonApr 2020

Story

Ich fühle nicht nichts, sondern fühle mich etwas schlauer als vorher. Strömquist schafft es, trockenes Wissen in witzige und lehrreiche Texte zu verwandeln. Nur hier und da gibt es ein paar Längen, v.a. durch Wiederholungen.

Zeichnung

Ich bin dafür, dass Liv Strömquist von jetzt an sämtliche wissenschaftlichen Arbeiten illustriert. Denn ihre naiven Zeichnungen und Collagen bringen das Geschriebene sehr gut auf den Punkt.

Liebe in Zeiten des Spätkapitalismus

Warum kann sich Leonardo DiCaprio nicht binden und datet seit Jahren den gleichen Typ Frau – nur nie dieselbe für sehr lange? Liegt das daran, dass wir es als Gesellschaft verlernt haben, uns richtig zu verlieben? Sind wir zu narzisstisch und egoistisch, um einer anderen Person bedingungslos zu verfallen? Oder haben die Liebesgötter sich endgültig von uns abgewandt?

„Ich fühl’s nicht“ von Liv Strömquist verbindet eine akademische Auseinandersetzung mit der Liebe mit Zeichnungen und Texten voller Bild- und Sprachwitz. Da tauchen nicht nur wichtige PhilosophInnen und SoziologInnen oder bekannte DichterInnen, sondern auch der schon oben genannte Ausgangspunkt Leo DiCaprio und viele Sterne und Sternchen aus unserer Popkultur auf.

Let’s Talk About Love

Die Graphic Novel versammelt drei Themen: Im titelgebenden Ich fühl’s nicht beschäftigt sich Strömquist damit, warum die Gesellschaft heutzutage ein Problem damit hat, sich zu binden und wie sich Verhaltensmuster in Liebesdingen über die Jahrzehnte hinweg verändert haben. Denn während es im 19. Jahrhundert normal war, dass Männer überschwängliche Liebeserklärungen hielten, während sich die Frauen distanziert und uninteressiert gaben, haben sich die Rollen in der Moderne maßgeblich verändert. Im nächsten Themenblock, Ein neues Du in nur eine Minute, nimmt die Autorin Beyoncés Song Irreplaceable auseinander und erklärt, warum der Mythos des daraus entstehenden Self-Empowerments eigentlich nichts mit Liebe zu tun hat. Theseus Gesicht, der letzte Themenschwerpunkt in der Graphic Novel, wirft die Frage auf, wie es sein kann, dass die Liebe manchmal einfach so verschwindet.

Eine soziologische Studie über die Liebe

Wer einen entspannten Comic für zwischendurch erwartet, der sollte einen großen Bogen um „Ich fühl’s nicht“ machen. Wie gesagt, die Graphic Novel ähnelt eher einem akademischen Essay. Es gibt sehr lange Textpassagen und die verschiedenen Quellen, wie die Soziologin Eva Illouz oder den Philosophen Byung-Chul Han, erscheinen dann als Comic-Figuren, um ihre Ansichten und Theorien mitzuteilen. Aber die Autorin lässt ihren Text nie zu einer trockenen und langweiligen Lektüre werden. Ihr Humor ist sehr pointiert und teilweise sogar extrem scharf, was mir sehr gut gefallen hat. Wie z.B., wenn sie Lou Andreas-Salomé zitiert, die eine wichtige Denkerin und Vorreiterin der Psychoanalyse war, aber auch den Philosophen Friedrich Nietzsche „nicht nur einfach psychisch irritiert hat, sondern TOTAL RUINIERT“ (S. 27). Solche sarkastischen Kommentare findet man überall in „Ich fühl’s nicht“. Das, zusammen mit den sehr lustigen und einleuchtenden Beispielen, die Strömquist für ihre Analysen verwendet, machen die Graphic Novel zum großen Spaß, aus dem man dann auch noch was lernt!

Und nun: die Bilder

Wie schon gesagt, „Ich fühl’s nicht“ ist sehr textlastig. Die Bilder und Texte sind aber gut miteinander verknüpft und bilden eine angenehme Einheit. Die Texte an sich sind schon fast wie Bilder, denn sie sind alle handgeschrieben. Das Layout verändert sich von Seite zu Seite: mal gibt es eine ganze Seite nur Text, dafür ist die Schrift sehr groß; an anderen Stellen gibt es viele Panels, wobei einige mit Text, andere mit Bildern gefüllt sind. Das bringt Abwechslung während des Lesens und man hat so nie das Gefühl, von Wissen übermannt zu werden.

Die Bilder wechseln sich immer wieder ab, mal sind sie Karikaturen der Leute, um die es gerade geht, z.B. die verschiedenen Quellen, oder die Menschen, deren Geschichte Strömquist erzählt. Dabei sind viele der Bilder in Strömquists sehr eigenem naivem, fast kindlichem Stil gezeichnet. Teilweise arbeitet die Autorin aber auch mit Collagen. Hier und da vermischt sie diese beiden Stile, was einen lustigen Effekt hat. Fast alle Bilder sind in Schwarz-Weiß gehalten, nur in ganz wenigen Fällen ist da etwas Farbe zu sehen, wie etwa Ariadnes roter Faden, der Theseus aus dem Labyrinth hilft und ihn und Ariadne umschlingt.

Fazit:

Mir hat „Ich fühl’s nicht“ wirklich gut gefallen und ich habe tatsächlich etwas gelernt! Denn ihre Art, wie sie komplizierte und komplexe philosophische und wissenschaftliche Theorien und Gedanken vermittelt, ist nicht nur lustig, sondern es bleibt auch noch was hängen. Denn wie kann ich vergessen, dass sich zu verlieben sich in etwa so anfühlt, als wäre man Dönerfleisch aufm Spieß, völlig machtlos, „zu nichts fähig außer gegrillt zu werden“ (S. 114).

Ich fühl's nicht

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