Ich begehre Frauen
- Edition Moderne
- Erschienen: August 2020
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Wann hattest du dein Coming-Out?
Zehn Frauen, zehn Geschichten, zehn Leben
In Ich begehre Frauen sammelt die Kanadierin Diane Obomsawin die Geschichten von zehn lesbischen Frauen, die über ihre Erfahrungen mit der Liebe erzählen. Dabei geht es oft um erste Male – die erste Liebe, die erste sexuelle Erfahrung, das erste Mal, dass sie gemerkt haben: Ich begehre Frauen.
Diese Geschichten werden in kurzen Episoden erzählt, mal in fünf, mal in über zehn Seiten. Mal geht es um eine kurze Anekdote aus dem Leben der Frauen, mal geht es um ganze Lebensabschnitte. Wie etwa die Geschichte von October. Es fängt an mit einer Reise, in der die 11-jährige Protagonistin das erste Mal ihre Sexualität entdeckt, und erstreckt sich über mehrere Jahre. Sie erzählt auch, wie sie mit 15 zum ersten Mal Sex hat und wie sie etliche Jahre später ihre erste Liebe wiederfindet, was damit endet, dass diese mit ihrer Freundin durchbrennt.
Mädchen in Uniform
Der berühmte 1950er-Jahre-Film mit Romy Schneider spielt eine wichtige Rolle in einer der Geschichten. Der Titel Mädchen in Uniform hätte aber auch wunderbar zur Graphic Novel gepasst. Viele der Geschichten, die Autorin und Zeichnerin Obomsawin in Ich begehre Frauen sammelt, haben ihren Anfang in der Schule. Sehr oft ist der Schauplatz ein katholisches Internat oder eine Klosterschule. Dafür, dass viele dieser Frauen scheinbar in streng religiösen Umfeldern groß geworden sind, erzählen die wenigsten über offen homophobe Anfeindungen. Einerseits kann ich das verstehen, denn der Fokus von Ich begehre Frauen liegt eindeutig in der Liebe, sei es das Verliebtsein in die Lehrerin oder die rein sexuelle Liebe. Andererseits wirken viele der Geschichten so befreit und schwerelos, dass ich mich frage, ob die Frauen schlimme Erfahrungen verdrängt haben oder diese beim Erzählen einfach nicht in die Geschichte passten.
Dass nicht alles einfach war, mit dem Coming-Out, der Liebe und der Entdeckung der eigenen Sexualität, wird aber zwischen den Zeilen – oder besser: zwischen den Panels – deutlich. Eine der Frauen, Charlotte, erzählt, dass sie gar nicht wusste, dass Mädchen andere Mädchen küssen durften. Oder October, deren Ringen mit dem Lesbisch-Sein mit einem Engel und einem Teufel dargestellt wird, wobei der Engel ihre Gedanken verteufelt, während der Teufel – der Brüste hat – sie dazu anstachelt, sich ihren Gefühlen hinzugeben.
Sex sells (?)
Schon das Cover stellt unmissverständlich klar: In diese Graphic Novel geht es heiß her. Wie könnte man auch Sex weglassen, wenn die ganzen Geschichten sich eben darum drehen? Dabei nimmt sich Obomsawin nicht zurück und stellt die Sexszenen sehr explizit dar. Was aber nie ins Pornographische abdriftet. Das kann daran liegen, dass ihre Bilder eben das zeigen, was die Protagonistinnen erlebt haben. Was aber auch auf jeden Fall hilft, ist, dass Obomsawins Figuren sehr abstrakt sind. Obomsawin zeichnet nämlich keine Menschen, sondern vermenschlichte Tiere. Einmal sehen sie aus wie Mäuse, dann wie Hasen. In einer der Geschichten erzählt die Protagonistin, dass sie als Kind Pferde über alles geliebt hat und die Frauen, in die sie sich verliebt hat, in gewisser Hinsicht immer wie Pferde aussahen. In dieser Geschichte sehen die Figuren wie Rehe aus, das Mädchen, in das sich die junge Protagonistin verliebt hat, aber hat einen Pferdekopf.
Diese Art, die Figuren darzustellen, hat aber nicht nur Positives. Ich musste ein paar Mal die Geschichte erneut von vorne lesen, weil ich nicht recht zuordnen konnte, wer wer ist. Die Figuren sehen sich alle sehr ähnlich und unterscheiden sich nur durch kleine Details, die man schnell übersehen kann.
Fazit:
Ich begehre Frauen ist eine kurzweilige Lektüre, die Einblick in das (Liebes-)Leben dieser zehn Frauen gewährt, deren Geschichten Obomsawin hier erzählt. Dabei steht die Liebe im Vordergrund, was dazu führt, dass manchmal zu sehr durch die rosarote Brille geblickt wird. Dass das Coming-Out und die Liebe an sich nicht immer einfach sind, blitzt aber immer wieder durch. Obomsawin zeichnet ihre Figuren als vermenschlichte Tiere, mit sehr einfachen Strichen und wenigen Details. Dieser sehr „kindliche“ Zeichenstil hat meiner Meinung sehr gut zum teilweise sehr expliziten Inhalt gepasst, nur hier und da habe ich den Überblick verloren, wer in der Geschichte jetzt gerade dargestellt wurde.
Diane Obomsawin, Diane Obomsawin, Edition Moderne
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