Unter dem Meeeeeer…!!!
Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke…
Bei Tadashi und Kaori läuft’s wie geschmiert. Nur dass Tadashi wie ein Iltis aus dem Hals stinkt und Kaori auch kein Problem hat, ihm diese Tatsache unverblümt um die Ohren zu hauen. Aber sie war tapfer und hat es stillschweigend hingenommen… verzeiht bitte, aber ich muss mir gerade eine Träne der Rührung aus dem Augenwinkel wischen. Ne, doch nicht… war nur ein Überbleibsel vom letzten Lach-Anfall. Ich weiß ja schon, was noch kommt, also haltet Euch fest:
Nicht nur Tadashi müffelt wie Oma unterm Arm, sondern auch das Wasser beim Tauch-Ausflug, das Ferienhaus, die Fische, die Luft… einfach alles. Und Kaori hört und hört nicht auf, wegen des Gestanks zu plärren. Eine Quelle des übelriechenden Ursprungs lässt sich noch nicht wirklich ausmachen, aber Tadashi ist an der Sache dran. Nachdem der höllische Mief sich ausgebreitet hat, bemerkt unser stinkender Jüngling, dass da etwas durchs Haus huscht. Kein Einbrecher, kein wildgewordener Masken-Killer mit einer Machete, kein wildes Tier, nein… ES IST EIN… Fisch. Applaus für diesen unvorhersehbaren Story-Twist. Dieser läuft tatsächlich auf insektenartigen Beinchen umher, die sich nach genauerer Untersuchung als mechanisch herausstellen. Nachdem Tadashi das schlüpfrige Scheißerchen vermeintlich zu Brei gekloppt hat, reisen er und Kaori (die, mit der empfindlichen Nase) zurück nach Tokio. Der muffige Gestank verfolgt sie jedoch bis in die Metropole der Großstadt. Nicht nur dieser, denn schon bald wird das Festland von diversen Meerestieren wortwörtlich überrannt! Der latschende Fisch war nur der Anfang. Tadashi versucht hinter die Ursprünge des bedrohlichen Phänomens zu kommen, denn irgendjemand muss für diesen Scheiß ja verantwortlich sein…
Inspiriert von WAS???
Von „Der weiße Hai“. Nun ja… zumindest steht es so auf der Rückseite des Hardcovers. Hätte ich auch sonst niemals vermutet, denn mit Spielbergs Blockbuster hat der Manga ungefähr so viel zu tun, wie „Akira“ mit „Frühstück bei Tiffany“. Zumindest eine Gemeinsamkeit lässt sich finden: Die Bedrohung kommt aus dem Wasser. Nur dass sie im Falle des „weißen Hais“ auch während des Film-Klassikers (seiner sehr guten Fortsetzung und den beiden lausigen Nachzüglern) dortblieb. Bei „Gyo“ (japanisch für „Fisch“) ist dies freilich anders. Selbst als Horror-Fan und Freund von herrlich abstrusen Genre-Vermischungen, musste ich schwer an mich halten, um zwischenzeitlich nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Spoiler: Es gelang nicht.
Es gibt Stoffe, die derart drüber und abgedreht sind, dass sie schon wieder gut und auf ihre Art und Weise schwer unterhaltsam sind. Nächster Spoiler: „Gyo“ gehört nicht dazu. Tatsächlich nimmt die Story immer abenteuerliche Züge an, sodass man sich fragt, ob man wirklich noch einen Manga liest oder schon in der Hölle seines eigenen Wahnsinns angekommen ist. Zumindest war es bei mir so… und fairerweise sei gesagt, dass der Weg dorthin nicht sehr weit ist. Wie schon in „Uzumaki“ - und der Vergleich wird hier noch mehrfach herhalten müssen, da beide Werke von Junji Ito stammen -, switchen wir recht schnell zum waschechten Body-Horror, der erfahrungsgemäß selten appetitlich ausfällt. So auch bei „Gyo“. Wer im Buch- oder Comic-Fachhandel eine kleine Dosis zum Reinschnuppern möchte, braucht nur den Buchdeckel aufklappen, denn dort befindet sich eine doppelseitige und zudem vollfarbige Kostprobe. Zur Warnung sei angemerkt, dass innerhalb der Geschichte noch viel groteskere Abbildungen auf die geneigten Leserinnen und Leser warten. Danach wird der Fisch-Freitag definitiv gestrichen…
Jetzt riech ich’s auch…
Man mag es kaum glauben, aber trotz des hohen Ekelfaktors, sind die Zeichnungen noch der Höhepunkt dieser Deluxe-Ausgabe. Von den zwar ebenfalls albtraumhaften und verstörenden Bildern in „Uzumaki“, welche im Gegensatz zu den bizarren Illustrationen in „Gyo“ einen beinahe psychedelischen Sog entfalteten, ist der Mangaka Junji Ito hier meilenweit entfernt. CARLSEN Manga! hat sich mit dieser Edition aber wahrlich Mühe gegeben, die - wie schon „Uzumaki“ - als edles Hardcover erschien. Als gelungene Beigaben entpuppen sich die beiden Kurzgeschichten „Der Stützpfeiler“ und „Der Spuk in der Amigara-Spalte“. Vor allem ist die zweite Story sehr lesenswert, da diese auch länger als der vierseitige „Stützpfeiler“ ausfällt. Beide tragen deutlich die bitterböse Handschrift Itos, lassen den vorherigen Quatsch aber leider nur bedingt vergessen.
„Gyo“ hat es sogar tatsächlich zu Anime-Ehren gebracht. Wobei „Ehre“ in diesem Fall wohl angezweifelt werden darf. 2013 erschien die Verfilmung im deutschsprachigen Raum durch den Publisher ANIMAZE, der Anime-Sparte von I-ON NEW MEDIA. Der Film entfernt sich dabei in gewissen Teilen von der Manga-Vorlage und schickt Kaori mit zwei Freundinnen in den schicksalhaften Urlaub. Ebenso wie der Manga, ist die Verfilmung ab 16 Jahren empfohlen/freigegeben, was anhand der grotesk-verstörenden Bilder ebenso erstaunlich ist, wie aufgeblähte Menschen mit einem Schlauch im Arsch. Kein Witz… leider.
Von der Story wissen wir nun also, dass sie Murks ist, aber wie verhält es sich mit der Erzählweise? Tja, die ist leider auch nicht besser und es wird größtenteils geschrien, gerannt und hin und wieder mal gereihert. Textlich bringen es „KYAAAAAAAAAAAAH!!!“, „SCHHHHHH“, „KONK“ und „Es stinkt!“ am besten auf den Punkt. So schnüffelt man sich lustlos und angewidert durch den Brocken, bevor die Bonus-Storys wenigstens im Abgang ein wenig entschädigen. Wenn Ihr auf der Suche nach einem Horror-Manga seid, lest lieber „Uzumaki“ und macht um „Gyo“ einen großen Bogen… auch wenn beide Titel im Händlerregal recht nah beieinanderstehen sollten. Ein Unterschied, wie Fleisch und Fisch. Alter Fisch. Sehr alter Fisch.
Fazit:
Von der Aufmachung her, und gemessen an der Buch-Qualität, hält „Gyo - Der Tod aus dem Meer“ dem Schnupper-Test locker stand. Nur die Story stinkt zehn Meilen gegen den Wind. Komplett dämliche Charaktere, wie man sie nur im Fieberwahn erdenken kann, eine haarsträubende Geschichte, die sich erschreckend ernstnimmt, und ein weniger als unbefriedigendes Finale. Lediglich die beiden Bonus-Kurzgeschichten können inhaltlich überzeugen. Und größtenteils Itos Zeichnungen…, wenn mal keine Schläuche in diverse Körperöffnungen gestopft werden.
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