Vom mühseligen Aufstieg eines talentierten Musikers
Bonn, 1778. Ludwig hat zwei jüngere Brüder, die ihn Nerven, allein gegen die Nachbarsjungen halten die drei zusammen. Zu Hause muss Ludwig bei Tag und Nacht Klavier üben, der Vater hat das Talent erkannt. Er ist selber Chorsänger am Theater, hoch verschuldet und sieht in seinem begabten Sohn den Ausweg aus seiner Misere. Ein „Goldjunge“ eben, der für ihn das Geld verdienen kann, das er dann im Wirtshaus lässt.
Ludwig darf alle Musik spielen, nur seine eigene nicht, die vom Vater abgelehnt wird. Mit siebzehn Jahren darf er auf Empfehlung nach Wien fahren, um beim größten aller Musiker zu lernen: Wolfgang Amadeus Mozart. Doch der junge Ludwig van Beethoven ist ebenso Spielball der Launen des großen Mozart wie alle anderen auch, und so kommt es bestimmt beiden nicht ungelegen, dass Ludwig nach einigen Wochen wieder zurückmuss, wenn auch ans Sterbebett seiner Mutter. Deren Tod wirft den Vater dermaßen aus der Bahn, dass er nicht mehr Singen kann und das wenige Geld, das Ludwig verdient, versäuft. Daraufhin bekommt Ludwig das Geld selbst, womit er seine beiden Brüder ernährt. Doch auch in der Liebe scheint es nicht recht zu klappen. Und als er Jahre später wieder nach Wien kommt, ist Mozart tot, doch Joseph Haydn lebt noch und nimmt sich seiner an.
Beethovens frühe Jahre
Mikael Ross, Comic-Zeichner aus München, hat sich für seine Graphic Novel über den Komponisten Ludwig van Beethoven dessen frühen Jahren gewidmet, das letzte Kapitel spielt 1795. Beethoven ist 25 Jahre alt, ist Haydn als Lehrer leid, lässt seine ersten Noten op. 1 drucken und spielt das erste Mal öffentlich auf einem Konzert in Wien. Mit diesem Erfolg endet die 190 Seiten starke Graphic Novel. Roos beschreibt also die Entwicklung des jungen Ludwig bis zum ersten wirklich großen, wegweisenden Erfolg, und dies tut er mit einer erstaunlichen Akribie, zeichnerisch wie erzählerisch.
Ross beschreibt das Leben in der Kleinstadt Bonn anhand der Familie van Beethoven. Ludwig wird vom Vater unterwiesen, geht nicht in die Schule, wird von den eigenen Brüdern geärgert ("Hirnfresser!") und muss schon früh erleben, dass der versagende Vater ihn sowohl fördert als auch hindert. Er sieht in seinem Sohn eine talentierte Einnahmequelle, den er allerdings am musikalischen Weiterkommen hindern will. Doch der erste Gang nach Wien ist unausweichlich, wenngleich sich Wien als genauso dreckig und noch schrecklicher herausstellt als Bonn: „Halten Sie sich in Wien von zweierlei fern: Von den Nutten und von den Beerdigungen.“ Schon bald wird er erkennen, als wie wahr sich dieser Hinweis herausstellen wird.
Zeichnerisch fantasievoll
Ross nutzt alle Möglichkeiten eines Comics, indem er frech und fröhlich sowohl kleine Gags einbaut, als auch die Dämonen hervorruft, die auf den Jungen aus der Kleinstadt einprasseln. Neben einem Darmleiden, das ihn bei Nervosität heimsucht, ziehen die Menschen Fratzen, düstere Gassen beeindrucken ihn und rufen so manches Geschmeiß an Menschen hervor. Ross‘ Bilder sind frisch und düster gleichzeitig, manche kleine Geschichte dauert nur eine Seite, manche zieht sich über mehrere Seiten, aber alle werden verbunden durch den roten Faden „Ludwig van Beethoven“, wie er alle Widrigkeiten übersteht.
Beeindruckend allerdings ist es, wie Ross die Musik an sich in Bilder überträgt, wenn Beethoven spielt und die Menschen ihm zuhören und in den Noten versinken, wie sich Bilder aufbauen und wieder abbauen und den Hörer wieder aus der Trance des eben erlebten erlösen. „Musik muss sich anhören, als wäre sie aus einem Guss gemacht, ein ebenmäßiges Ganzes. Die Musik fordert alles, verstehen Sie? Genauso wie die Liebe.“ sagt Beethoven an einer Stelle. Leider war er nur in einem der beiden Sujets nachhaltig erfolgreich.
Die ersten Erfolge
Am Ende kann jeder Leser den steinigen Weg des kleinen Jungen zum geachteten Pianisten und Komponisten nachvollziehen und bekommt eine interessante und lehrreiche Unterrichtsstunde in Zeit und Leben zum Ende des 18. Jahrhunderts, während in Frankreich bereits die ersten Köpfe der Revolution rollen. Man fühlt mit dem jungen Ludwig mit, leidet mit ihm und erfreut sich an seinen Erfolgen, wobei der Weg keinesfalls geradeaus geht, sondern einige Umwege und Rückschläge mit sich bringt. Im letzten Bild mag sich andeuten, was erst drei Jahre später anfangen wird, sein Schicksal neuerlich zu verändern: Die beginnende Taubheit. Doch bis dahin ist noch ein wenig Zeit.
Fazit:
Mikael Ross‘ Graphic Novel „Goldjunge“ über Beethovens Jugendjahre sind ein unterhaltsamer abschließender Beitrag zum Beethovenjahr 2020, die sich mit den ersten 25 Jahren seines Lebens beschäftigt. Vom kleinstädtischen Bonner Leben bis zum ersten großen Erfolg in Wien verfolgt der Leser launisch und beeindruckend den trotzdem unaufhaltsamen Weg des „Goldjungen“, der sich um Geld bald keine Sorgen mehr machen muss. Ein gelungener Beitrag und auch für Nicht-Musiker geeignet, in eine neue Welt einzutauchen und Verständnis für Musik und den Menschen Beethoven zu erreichen. Lesenswert.
Mikael Ross, Mikael Ross, Avant
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