Atmosphärisch dichter Mystery-Horror
Begeistert ist Pater Wilfred Quinn nicht, als der Bischof ihn aus dem Priesterseminar aufs Land versetzt. Tom Chasely, seit über dreißig Jahren Pfarrer im kleinen Ort Gideon Falls, ist verstorben und die Gemeinde braucht einen neuen geistlichen Beistand. Doch gleich in der ersten Nacht begegnet ihm der vermeintlich tote Pfarrer...
Ein Dorf, eine Stadt, eine Scheune
Chasley führt Wilfred zu einer schwarzen Scheune, darin die Leiche der ermordeten Gene Tremblay - Vorstand des Gemeinderates. Die hatte ihn noch kurz zuvor bei seiner Ankunft in Gideon Falls empfangen. Wilfred ist für die Polizei schnell Hauptverdächtiger und sitzt unter Mordverdacht im Gefängnis ein.
Unterdessen muss Dr. Xu - Psychiaterin in einem städtischen Krankenhaus - erkennen, dass es ihrem ambulant betreuten Patient Norton offenbar wieder schlechter geht. Sein Zustand scheint labil, sein Verhalten auffällig. Er ist überzeugt das Böse gesehen zu haben. Norton katalogisiert Gegenstände, die er aus dem Müll sammelt und ist sich sicher, dass sie einem bestimmten Zweck dienen und etwas mit einer schwarzen Scheune zu tun haben. Als Xu beschließt, Norton wieder in die Klinik einzuweisen, hat sie selber eine Art Vision und sieht mitten in der Großstadt ebenfalls die schwarze Scheune.
Ein Priester, eine Polizistin, eine Ärztin, ein Patient
Jeff Lemire (u.a. Black Hammer, Descender) ist ein großartiger und mitreißender Geschichtenerzähler und beweist gleich mit den ersten Seiten, warum er zu den Top-Comic-Künstlern zählt. Neben seinem Gespür für eine spannende und abwechslungsreiche Dramaturgie liegt seine Stärke in gut ausgearbeiteten und markanten Charakteren. Obwohl wir noch gar nicht allzu viel erfahren, wirken die Figuren schnell stimmig und tragen mit ihren Eigenheiten die Erzählung.
Welford hat mit seiner Alkoholvergangenheit zu kämpfen, die souveräne Dr. Xu verliert den Halt und lehnt sich ausgerechnet an ihren Patienten an. Und was hat es mit Doc Sutton auf sich, der Pfarrer Tom Chasley merkwürdige Zeitungsausschnitte über einen vermissten Jungen und das Verschwinden eines Gebäudes aufbewahren ließ?
So streifen wir durchaus durch bekannte Genre-Motive. Doch Lemire verleiht ihnen seine ganz eigene Handschrift. Natürlich muss es Verbindungen zwischen den mysteriösen Begebenheiten auf dem Land und in der Stadt geben. Und mit dem Abschluss des ersten Bandes hält Lemire einen ordentlichen Kracher parat, der ungeduldig auf die Fortsetzung warten lässt.
Andrea Sorrentino schafft mit sorgfältig komponierten Bildern die passende unbehagliche Atmosphäre. Mit nuanciertem, aber eher gedecktem Farbspiel haucht Dave Stewart dem feinen, zugleich rau und fragil anmutenden Strich Sorrentinos Leben ein. Kräftige Schraffuren sorgen für intensives Schattenspiel. Besagte Scheune wird in bedrohliches Rot getaucht.
Immer wieder werden Panels variiert, gelegentlich bewusst gesetzte Rahmen lenken neben vielen Details das Auge des Betrachters. Teils surreal anmutende Collagen brechen die Panelstruktur zusätzlich auf und schaffen alptraumhafte Sequenzen.
Fazit:
Fans von atmosphärischen dichtem Mystery-Horror werden sich sofort wohl fühlen in Gideon Falls. Vieles bleibt natürlich noch im Unklaren und doch können wir Leser anfangen erste Puzzlestücke zusammenzusetzen. Ich bin mir sicher, dass noch einige Überraschungen auf uns warten. Band 2 von insgesamt drei Bänden erscheint im September. Für mich ist „Gideon Falls“ definitiv ein Highlight des Jahres!
Jeff Lemire, Andrea Sorrentino, Splitter
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