Text:   Zeichner: Rolf Kauka

Fürst der Füchse: Das Leben des Rolf Kauka

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Michael Drewniok
9101

Comic-Couch Rezension vonNov 2024

Story

Überaus erhellend liest sich diese Geschichte eines Mannes, dessen Werk lange entweder als trivial-unwichtig galt oder durch taktisch in die Welt gesetzte Mythen geprägt wurde.

Onkel Rolf, der Comic-Fuchs

Wer zu den Babyboomern zählt, kennt sie sicherlich alle: Fix & Foxi, Lupo, Knox, Mischa, die Pichelsteiner und wie sie alle heißen: Figuren aus Comics, die hierzulande in gewaltigen Stückzahlen verkauft wurden und mehrere Jahrzehnte feste Begleiter deutscher Kinder und Teenager waren. Wir haben sie ‚gefressen‘, weil wir Comics liebten.

Dabei waren wir weder bereit noch fähig zu erkennen, dass uns diese bunten Bildergeschichten nicht nur unterhalten, sondern auch ‚belehren‘ sollten. Erst im Rückblick wird das Netz durchaus politisch-weltanschaulicher Infiltration deutlich, dem uns „Onkel Rolf“ aussetzte; dies vor allem, wenn er uns, „seine Freunde“, in einem seiner trügerisch freundlichen Einleitungskommentare ansprach und ermahnte, immer fleißig, gehorsam und ablehnend gegen alles von „links“ zu sein.

Bodo V. Hechelhammer hat sich der oft mühsamen Aufgabe gewidmet, die Biografie des Rolf Kauka zu rekonstruieren - eine Herausforderung, da dieser seine Vergangenheit immer wieder geschmeidig den Umständen angepasst hat. Dies betrifft vor allem die NS-Vorgeschichte, auf die Kauka selbst stets voller Freude und Stolz zurückblickte. Schon früh hatte er die Nähe zum Regime gesucht und dessen ‚Werte‘ verinnerlicht; dies nicht, weil er unbedingt mit ihnen übereinstimmte, sondern weil er innerhalb des NS-Systems Karriere machen wollte und konnte.

Ein schlauer Fuchs kommt ganz nach oben

Rolf Kauka war ein komplexer, unangenehmer, interessanter Mensch. Diese Kombination zeichnet eine Vielzahl von Deutschen aus, die das „Dritte Reich“ und die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik miterlebten bzw. prägten. Wie Hechelhammer deutlich macht, gab es nie einen Schnitt zwischen „brauner“ Vergangenheit und „weißer“ Gegenwart. Bestens vernetzt und in seinem Wesen autoritär, erfolgsorientiert und rücksichtslos dort, wo man sich ihm in den Weg stellte, begann Kauka nach 1945 seinen steinigen Weg, der ihn nach ganz oben brachte; ein beinharter Geschäftsmann rechtskonservativer Gesinnung, was er nur dort zu verbergen trachtete, wo es seinem Ruf schaden konnte.

Skrupellos deutschte er den Comic „Asterix & Obelix“ zu „Siggi und Barrabas“ ein und missbrauchte die bekannten und beliebten Figuren, um sie plump den Kalten Krieg der Gegenwart führen zu lassen. Dass ihm Albert Uderzo und René Goscinny empört die Veröffentlichungsrechte für „Asterix & Obelix“ entzogen, ließ Kauka nicht an sich heran. Immer wieder setzte er zu neuen Grobrechts-Agitationen an.

Sein Comic-Imperium betrachtete Kauka als sein persönliches Eigentum und als Kaufobjekt, dessen Wert er mit allen Mitteln in die Höhe trieb. Mit dem für ihn typischen Geschick verkaufte er seinen Verlag für eine zweistellige Millionensumme, als in den 1980er Jahren der deutsche Comic-Markt in Turbulenzen geriet. Kauka brachte sich mit seinem Gewinn in den USA in Sicherheit, blieb aber als Geschäftsmann auch hierzulande weiterhin umtriebig.

Ein schrecklich netter Patriarch

Die charakterliche Ambivalenz spiegelte sich im Privatleben wider. Kauka war autoritär und davon überzeugt, seine Mitmenschen instrumentalisieren und dominieren zu dürfen. Das schloss Arbeits-‘Kollegen’ ebenso ein wie Freunde und sogar die eigene Familie: Kauka war viermal verheiratet; die Trennungen verliefen hässlich und immer in seinem Sinn. Die eigenen Kinder sollten auf ihre Erbansprüche verzichten, weil der Vater entscheiden wollte, wer ein Stück von dem großen Kuchen bekam, den er allein gebacken hatte!

Wer sich Kaukas Willen unterwarf, lernte einen eloquenten, freigiebigen und zum Beispiel in Sachen Naturschutz früh vorausschauenden Mann und Gastgeber kennen. Doch sobald er ‚seine‘ Rechte in Frage gestellt sah, brach er den Kontakt rigoros ab; so mit langjährigen Mitarbeitern, die seine Projekte auch durch schwere Zeiten begleitet hatten. Selbst einige Kinder verstieß er und wechselte viele Jahre und bis zu seinem Tod kein Wort mehr mit ihnen.

Autor Hechelhammer hat zahlreiche Zeitzeugen befragt und konnte auf diese Weise vieles ans Tageslicht befördern, das Kauka versucht hatte zu begraben. Vielsagend ist, dass mehrere Familienangehörige sich diesen Interviews entschieden verweigerten; Jahrzehnte nach dem Tod des Patriarchen waren die Erinnerungen offenbar noch zu schmerzhaft. Nichtsdestotrotz konnte Hechelhammer nicht nur interessante Fakten, sondern auch Fotos entdecken, die Kauka u. a. sehr engagiert in seinen NS-Jahren zeigen.

Rolf, der Maulwurf?

Dass der Autor immer wieder auf Kaukas Verbindungen zum deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) zurückkommt, liegt in seinem Beruf begründet: Hechelhammer ist Historiker im Dienst der genannten Einrichtung und hat deshalb Einblick in Quellenmaterial, das der Öffentlichkeit meist verschlossen bleibt. In seiner Funktion hat Hechelhammer schon mehrfach den Finger in die Wunde des BNDs gelegt, der stets vorgab, ausschließlich das Wohl Deutschlands im Blick zu haben, sich zu dessen Sicherung jedoch auch fragwürdiger Personen und Methoden bediente. So setzte der BND einst regimetreue ‚Fachleute‘ ein, um nunmehr den Kampf gegen den (Sowjet-) Kommunismus zu führen. Selbst hochrangige Nazi-Verbrecher wurden angeheuert, mit neuen Identitäten ausgestattet und vor Strafverfolgung geschützt.

Obwohl Rolf Kauka in diesem trüben Tümpel nicht als Täter, sondern als Mitläufer und Wichtigmacher mitschwamm, schlug sich sein Hang zu „Recht und Ordnung“ im rechtskonservativen Kontext bis in die Unterlagen des BND nieder. Dass Hechelhammer diese nicht nur einsah, sondern die daraus gewonnenen Erkenntnisse in seine Darstellung einfließen ließ, ist ein für die Biografie Kaukas wichtiges Puzzleteil.  Die Konstellation - ein Historiker im deutschen Geheimdienst kennt sich in der Trivialkultur aus - ist ungewöhnlich, aber fruchtbar. Wieder einmal stellt sich heraus, dass sogenannte „Gesellschaftsgrößen“, die zu Lebzeiten gern gefeiert werden, keineswegs Vorbildcharakter besitzen. Womöglich wäre einem weniger umtriebigen und rücksichtslosen Rolf Kauka eine vergleichsweise Erfolgsgeschichte gar nicht gelungen. Jenseits der Schattenseiten ist er eine zentrale Figur der deutschen Comic-Historie, die ohne ihn so nie stattgefunden hätte.

Fazit:

Überaus erhellend liest sich diese Geschichte eines Mannes, dessen Werk lange entweder als trivial-unwichtig galt oder durch taktisch in die Welt gesetzte Mythen geprägt wurde. Generationen deutscher Kinder waren seinen ‚gut gemeinten‘ Manipulationen ausgesetzt. Dass sich Rolf Kauka darauf nicht beschränken lässt, weiß der Autor deutlich zu machen und liefert einen hochinteressanten Teil für ein deutlich weniger lückenhaftes Mosaik.

Fürst der Füchse: Das Leben des Rolf Kauka

Bodo V. Hechelhammer, Rolf Kauka, Langen Müller

Fürst der Füchse: Das Leben des Rolf Kauka

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