…quit living on dreams.
Egoist
„Muss ich denn sterben… um zu leben?“, sang Falco in seinem Song „Out of the Dark“. Das war der zweite Track auf seinem achten Studioalbum, welches drei Wochen nach seinem tragischen Tod veröffentlicht wurde. Im Nachgang betrachtet sind diese Zeilen düstere Vorboten, denn obwohl Johann „Hans“ Hölzel - und sein künstlerisches Alter Ego Falco - bereits zu Lebzeiten als musikalisches Genie verehrt wurde, machte das Album „Out of the Dark (Into the Light)“ ihn unsterblich. Geschätzt 2,5 Millionen Mal verkaufte sich der Longplayer (die Single-Auskopplung sogar 3,5 Millionen Mal), der eigentlich unter einem anderen Titel Falcos Comeback einläuten sollte. Die Chart-Pole-Position erklomm er in seiner österreichischen Heimat aus dem Stand, doch auch international konnten die Hitlisten erfolgreich gestürmt werden, inklusive Deutschland, wo das Album sich rund ein Jahr in den Top 100 festsetzte. Gerade mit jenem Werk, an dem er zu zerbrechen drohte. Alkohol und Drogen vernebelten seine Kreativität, Produzenten und Manager pfuschten dazwischen, wussten es besser. Ausgemalt hatte Falco sich ein schillerndes Comeback, mit dem er an alte Erfolge aus den 80ern anknüpfen konnte. Noch einmal „Der Kommissar“ sein, „Jeanny“ in die Nacht brüllen oder pompös zu „Rock Me Amadeus“ in frühen Sprechgesang verfallen. Die Nummer, mit der er als erster und bislang einziger deutschsprachiger Künstler die Nummer 1 der US- und der britischen Charts war. Scheinbar ein Rekord für die Ewigkeit, denn seit 1986 konnte sich dieses Phänomen nicht wiederholen. Nun waren diese goldenen Zeiten längst Geschichte und Falco geriet beinahe in Vergessenheit, während Hans Hölzel mit seinen inneren Dämonen rang. Recht zweideutig auch der Titel der Dance-Nummer „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, den Falco 1995 unter dem Pseudonym T>>MA herausbrachte. Ein unverhoffter Hit, der den Künstler aber noch mehr unter Druck setzte, wieder dauerhaft Thema im Musikgeschäft zu werden. Medial hatte sein Privatleben mehr Aufmerksamkeit, als herauskam, dass seine angebliche Tochter nicht von ihm war. Falco zog sich zurück. In der Abgeschiedenheit der Dominikanischen Republik arbeitete er weiter an seinem achten Studioalbum, welches zu diesem Zeitpunkt noch den Titel „Egoisten“ tragen sollte. In der passenden Auskopplung „Egoist“, der Follow-up-Single zu „Out of the Dark“ (in der es laut Hölzel ebenfalls um Drogen, genauer gesagt Kokain, ging) heißt es: „Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist. Der Mensch, der mir am nächsten ist bin ich, ich bin ein Egoist“. Das war er. Arrogant, exzentrisch und unberechenbar. Gleichzeitig auch ein nahe am Größenwahn rangierendes Genie mit selbstzerstörerischen Tendenzen. Wäre er den suchterregenden Verlockungen nicht verfallen, hätte er noch einmal erlebt, wie die Welt sich um ihn dreht, denn künstlerisch hatte er sein Potential noch längst nicht ausgeschöpft. Tragischerweise wurde Hans Hölzels Wagen in seiner Wahlheimat am 6. Februar 1998, keine zwei Wochen vor seinem 41. Geburtstag, von einem Bus gerammt. Die Obduktion ergab, dass er zuvor große Mengen an Drogen und Alkohol konsumiert haben musste.
Dance Mephisto
Für den KNESEBECK Verlag hat sich der österreichische Künstler Arnulf Rödler nun mit den letzten undokumentierten Minuten im Leben des Hans Hölzel auseinandergesetzt. Und das auf beeindruckende Weise. In einer durch und durch düsteren Grundstimmung lässt er Falco gegen seine Dämonen antreten. Die Geister, die er rief. Geplagt von Ängsten und Selbstzweifeln tänzelt der einstige Superstar gefährlich den Teufels-Walzer auf der schmalen, messerscharfen Rasierklinge. Irgendwo zwischen Drogenrausch, Fiebertraum und den glorreichen Highlights seiner steilen Karriere. In den knappen Textpassagen meint man wirklich, man würde Falcos Stimme hören. Da hat Rödler die einzigartige Attitüde des von-oben-herab-Wieners wirklich hervorragend getroffen.
Die Zeichnungen sind passenderweise sehr experimentell und wild. Die Seiten des im Querformat angelegten Buches sind in jeweils zwölf Panels gerastert. Allerdings hält Arnulf Rödler sich nicht an diese Strukturierung und nutzt oft die komplette Seite für ein einziges ausdrucksstarkes Motiv. So nimmt sein stylish designter Falco gerne mal alle Panels in Beschlag und setzt sich über deren Grenzen hinweg, was ihn überlebensgroß erscheinen lässt. So, wie der Ausnahmekünstler sich sicherlich selbst am liebsten gesehen hätte. Daraus ergibt sich ein hypnotischer Gesamtlook, der den inneren Konflikt zwischen Falco, seinem wahren Ich und seiner Karriere beklemmend wiedergibt. Der einst charismatische Sänger befindet sich auf einer letzten Tour-de-Force, eingebettet in pechschwarzer Tusche, gelb-grauen Flächen und fiebrigem Rot.
Fazit:
Keine Biografie im herkömmlichen Sinne, denn dafür würden 92 Seiten wahrscheinlich nur schwer ausreichen. Vielmehr das mögliche Szenario einer letzten berauschten Konfrontation zwischen Hans Hölzel und seinem Alter Ego Falco. Angereichert mit Stationen eines viel zu kurzen Lebens, ist Arnulf Rödler ein beachtenswertes Debüt gelungen. Idealerweise sollte etwas Vorwissen über Falco vorhanden sein, da Verweise eher subtil als mit dem Holzhammer eingestreut sind.
Arnulf Rödler, Arnulf Rödler, Knesebeck
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