Text:   Zeichner: Bruno Duhamel

#Erstkontakt_

  • Avant
  • Erschienen: August 2024
  • 1
#Erstkontakt_
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2024

Story

Überspitzt und schwarzhumorig, gleichzeitig aber auch erschreckend aktuell. Duhamel treibt medialen Hype und dessen Folgen gekonnt auf die Spitze.

Zeichnung

Ein klarer, gut nachvollziehbarer Stil, dessen Kolorierung aber ein wenig zu clean wirkt.

Gerüchteküche in Flammen

Außer Kontrolle

Ein ruhiges, fast ausgestorbenes Kaff in den schottischen Highlands. Hier passiert selten bis nie etwas wirklich Aufregendes. Jedenfalls nichts, was die stetig schrumpfende, von lethargischer Gemütlichkeit geprägte Gesellschaft ernsthaft aus dem Konzept bringen könnte. Ganz im Gegenteil, denn eher herrscht dort Stillstand auf allen Ebenen… wirtschaftlich, gesellschaftlich, ökologisch. Kurzum: Castle Loch ist so ziemlich nah dran, komplett von der Landkarte gestrichen zu werden. Das ändert sich schnell, als Douglas McMurdock, ein Anwohner und leidlich erfolgreicher Fotograf mit Hemmungen, seine Kunst irgendeinem Publikum zu präsentieren, urplötzlich aus seiner misanthropischen Grundstimmung gerissen wird. Tiefenentspannt lässt er den Abend vor seinem Häuschen am See ausklingen, als sich plötzlich etwas Gewaltiges aus dem sonst so stillen Wasser erhebt. Ein nahezu durchsichtiges Ungetüm, optisch irgendwo zwischen einer Qualle und jenen sagenumwobenen Seemonstern, die nie jemand wirklich zu Gesicht bekam. Der gute Doug reagiert aber geistesgegenwärtig und drückt - fast schon auf Autopilot - auf den Auslöser seiner Kamera. Das Ding ist im Kasten… und Doug reif für einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Dieser Schock gehört erstmal ordentlich runtergespült.

Ohne groß nachzudenken, lädt er anschließend die Fotos in den sozialen Medien hoch. Die Worte seiner guten Freundin Maggie, die meinte, dass Kunst dazu da ist, um gesehen zu werden, hat der missmutige Künstler sich also doch mal zu Herzen genommen. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, welche Dynamik er damit erzeugt. Noch in derselben Nacht gehen seine Aufnahmen viral und werden von Hunderttausenden gesehen, kommentiert und geteilt. Ein Lauffeuer, welches sich selbst mit allem Wasser im Loch nicht mehr löschen ließe.

Bereits am nächsten Tag berichten die Medien über die Sichtung und es wird in den Nachrichten eifrig diskutiert, ob das Monster echt ist oder es sich doch nur um eine geschickte Fälschung handelt. Reporter belagern Dougs Häuschen und auch ein ansässiges, nicht unumstrittenes Gentechnik-Labor gerät schnell ins Visier der Medien. Währenddessen wird das sonst so ruhige Castle Loch regelrecht überrannt… von Scotland Yard, Reportern, Tierschützern, Umweltaktivisten, der Armee, Verschwörungstheoretikern, Weltuntergangs-Fanatikern, demonstrierenden Anwohnern und sogar privaten Milizen. Und der überforderte Doug steckt mittendrin im größten Chaos, das die Region je erlebt hat.

Der unschöne Blick in den Spiegel

Bruno Duhamel, der Autor und Zeichner, dem wir auch schon die beiden lesenswerten Bände der „Niemals“-Reihe verdanken, hat mit „#Erstkontakt_“ zwar ein fiktives Szenario zu Papier gebracht, welches unsere Realität aber nur zu gut abbildet. Wir alle wissen genau, welche Macht die sozialen Medien heutzutage haben. Einmal etwas ins Netz gepustet, kann sich ein kleiner Beitrag schnell zum Wirbelsturm aufblasen. Promis, Sportler oder Politiker können davon ein Liedchen singen, kommt das Echo kritischer Beiträge doch oft (und dank vermeintlicher Anonymität) in Sekundenschnelle. Und springen Nutzerinnen und Nutzer erstmal auf den Zug auf, ist der alltägliche Shitstorm, bei dem regelmäßig eine neue Sau durch die Dörfer getrieben wird, nicht mehr weit. Duhamel treibt dies in „Erstkontakt_“ humorvoll auf die Spitze. Zynisch, sarkastisch und erschreckend nah an der Realität. Schon im Vorwort wird klar, dass er genüsslich in der Wunde der heutigen Berichterstattung – irgendwo zwischen aufgeblasenen Halbwahrheiten und hanebüchenen Fake-News – stochert und recht schnell merkt man als Leser, dass er die Lage im Verlauf des Comics augenzwinkernd eskalieren lassen wird.

Die Bilder sind mit ihren klaren Linien hübsch anzusehen, überzeugen mich aber nicht so sehr, wie noch in „Niemals“. Den cartoonigen Stil hat er beibehalten, allerdings erscheint mir die Kolorierung einen Tick zu digital.

Fazit:

Der Franzose Bruno Duhamel zeigt auf hysterische Art und Weise, wie schnell ein simples Posting im Netz zu einem medialen Großereignis mutieren kann. Und jeder, wirklich JEDER, mischt in unserer ach so „modernen“ Welt kräftig mit. So sehr, dass die eigentliche Sensation schnell zur Nebensache wird. Köstlich… aber fast schon wieder traurig.

#Erstkontakt_

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