Der Beginn einer Suche
„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
-Immanuel Kant (deutscher Philosoph; 1724 - 1804)
Es ist ihr vierzehnter Geburtstag, doch Enola feiert ihn allein. Nicht ganz allein, denn immerhin ist das Dienstpersonal anwesend, doch von ihrer Mutter fehlt jede Spur. Es kommt schon mal vor, dass sie die Zeit vergisst und - sofern der Abend weit fortgeschritten ist - im Nachbarort übernachtet, aber dass ihre Mutter gerade an so einem bedeutenden Tag fernbleibt, kann Enola sich nun wirklich nicht erklären. Zwar wurde das Mädchen schon so erzogen, dass es auf eigenen Beinen stehen kann, doch dazu soll es jetzt noch nicht kommen. Nicht mit vierzehn Jahren. Und schon gar nicht, wenn man mit einem Scharfsinn sondergleichen gesegnet ist, der in Enolas Familie generell sehr verbreitet scheint. Doch bevor sie zum Äußersten greift, nimmt sie selbst die Suche auf. Fährt am nächsten Morgen mit dem Rad in den Nachbarort, sucht Plätze auf, die ihre Mutter regelmäßig besuchte, fragt sich kreuz und quer durch die Stadt… ohne Erfolg. Wieder daheim im ländlichen Familien-Anwesen, gibt sich Mrs. Lane, die Köchin, ebenfalls besorgt und teilt mit, dass sie die Polizei informiert hat. Doch Enola hat andere Pläne… schließlich ist sie eine Holmes.
Richtig, Holmes. Wie in Sherlock Holmes. Dieser ist bekanntlich die gewiefteste Spürnase des Kontinents und weit über die Stadtgrenzen Londons hinaus für seine detektivischen Fähigkeiten berühmt. Und er ist Enolas großer Bruder. Ebenso Mycroft Holmes, den Enola zusammen mit Sherlock kontaktiert. Seinerseits ein hoher Regierungsbeamter und Geldgeber aus der Ferne, damit es Enola und ihrer Mutter an nichts mangelt. Mit einem Antwort-Telegramm kündigen die Homes-Brüder ihre baldige Ankunft an. Mit ihrem Lieblings-Bruder Sherlock an der Seite, sollte sich doch bald eine Spur finden lassen… oder?
Erstmal nicht, denn zu Enolas großer Enttäuschung vermuten die älteren Brüder, dass die verschwundene Mrs. Holmes bewusst fernbleibt. Dass sie sich mit dem Ersparten aus dem Staub gemacht hat. Eine lächerliche Annahme, die Enola keinesfalls hinnehmen wird. Warum sollte sie so etwas tun? Und dann auch noch an ihrem Geburtstag? Niemals… da muss mehr dahinterstecken. Da Sherlock kurz darauf wieder abreist und die Ermittlungen von London aus verfolgen will und Mycroft gar plant, Enola auf ein Internat zu schicken, wo sie das „feine Benehmen“ erlernen soll, setzt das Mädchen alles auf eine Karte. Wie bereits erwähnt, schlummert ebenfalls der Holmes’sche Scharfsinn in ihrem klugen Köpfchen und dass ihre Mutter sie schon früh ins Erkennen und Verfassen von Geheimbotschaften eingeweiht hat, kommt Enola nun zu Gute. Und tatsächlich… in den Geburtstagsgeschenken, die sie bis zum jetzigen Zeitpunkt völlig unbeachtet ließ, findet sich eine versteckte Botschaft ihrer Mutter… Das Spiel hat begonnen!
Gar nicht „mädchenhaft“
Die Comic-Adaption lehnt sich auf die erfolgreiche Jugendbuch-Reihe von Nancy Springer. Fünf Bände sind aktuell in deutscher Übersetzung vom KNESEBECK Verlag veröffentlicht worden und richten sich – wie der Comic – an eine jüngere Zielgruppe. Dass man aber auch als Erwachsener Spaß an dem launigen Krimi-Abenteuer haben kann, ist der Umsetzung von Serena Blasco zu verdanken. Blascos herrlichen Aquarell-Bilder wirken fast schon wie kleine Gemälde und sehen einfach fantastisch aus! Strahlend leuchtende Farben vermitteln Leichtigkeit und die schwungvollen Linien sind ungemein schön anzusehen. Die Charaktere haben leicht moderne Einflüsse, während die Umgebung bunt und im besten Sinne klassisch dargestellt ist. Diese Mischung hat Serena Blasco absolut stilsicher zu Papier gebracht, was wieder einmal beweist, dass englische Krimis nicht grau und regnerisch sein müssen, um zu überzeugen. Der BBC-„Sherlock“ hat ja bereits vorgemacht, dass Holmes sich nicht in ein vorgefertigtes Korsett zwängen lässt. Ebenso wenig wie „Enola Holmes“ und deren kreative Wegbereiterin Serena Blasco.
Inhaltlich hält sie sich mit diesem Auftakt nah an die Vorlage. Vier Alben hat der SPLITTER Verlag bereits angekündigt, die bis zum Frühjahr 2022 im hauseigenen Imprint für junge Leserinnen und Leser erscheinen werden. Es darf davon ausgegangen werden, dass TOONFISH noch nachlegen wird, denn in Frankreich sind bereits sechs Bände verfügbar.
Elfi ermittelt
Wem bei der Story von „Der Fall des verschwundenen Lords“ jetzt ein Glöckchen klingelt, hat vielleicht die NETFLIX-Verfilmung gesehen, die im Herbst 2020 erfolgreich an den Start ging. Diese hatte nämlich ebenfalls den ersten Roman als Vorlage. Mit Witz, Spannung und tollem Kostümdesign, kann der Film durchaus überzeugen und so ist es nicht verwunderlich, dass bereits an einer Fortsetzung geschraubt wird. Moment… es ist NETFLIX. Also ist es doch irgendwie überraschend, da man dort ja vom Publikum positive Produktionen gerne mal ins vorzeitige Aus kickt. „Enola Holmes“ scheint da eine glückliche Ausnahme zu sein. Und das durchaus verdient. In der Titelrolle wird erneut Jung-Schauspielerin Millie Bobby Brown zu sehen sein, die man wohl am ehesten aus der Erfolgs-Serie „Stranger Things“ kennt. In der Monster-Schlacht „Godzilla II: King of the Monsters“ war sie ebenso vertreten, wie im aktuellen Titanen-Clash „Godzilla vs. Kong“. „Superman“ und „The Witcher“-Hauptdarsteller Henry Cavill wird als Sherlock Holmes ebenfalls zurückkehren. Na dann kann das Spiel ja weitergehen!
Fazit:
Junge und junggebliebene Leserinnen und Leser werden ihre große Freude an „Enola Holmes“ haben. Enola steht ihrem berühmten Bruder in Sachen Scharfsinn und Einfallsreichtum in Nichts nach und löst fast schon im Vorbeigehen ihren ersten richtigen Fall.
Nancy Springer, Serena Blasco, Serena Blasco, toonfish
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