Text:   Zeichner: Tony Sandoval

Doomboy

Doomboy
Doomboy
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonJul 2022

Story

Eine Graphic Novel wie eine rockige Power-Ballade: an den richtigen Stellen laut, doch im Kern wehmütig und rührend.

Zeichnung

Stilisierte Charaktere mit einzigartigem Wiedererkennungswert. Sandovals Handschrift ist nichts für den Massengeschmack, trifft künstlerisch aber wohlklingende Töne.

Sandiger Weg zum Metal-Gott

D.fense

Doomboy ist eine wahre Legende! Wenn der Rock-Shootingstar in die Saiten greift, kommen Töne hervor, die den Hörern an den Radios aus der Seele sprechen. Endlich ist jemand da draußen, der ihre Sprache versteht. Zusammen mit Kumpel Sep trifft er sich wöchentlich, um seinem selbst entwickelten Doom-Metal freien Lauf zu lassen. Dass er diesen mit der Welt teilt, war eigentlich überhaupt nicht geplant, denn Doomboy und Sep wollten ursprünglich nur an den Strand, um dort mit dem alten Funkgerät von Seps Großvater den Gesprächen der Fischer zu lauschen. Unterhaltungen haben sie nicht empfangen, dafür hörte Doomboy aber den schönsten Klang, den er jemals vernommen hatte. Wiederholen ließ sich das kurzzeitige Phänomen nicht, weshalb er beschloss, diesen Klang mit Hilfe seiner Gitarre selbst zu reproduzieren. Sep nahm die Session vorsichtshalber auf Tape auf, ahnte jedoch nicht, dass Doomboys Performance auf einer nicht mehr genutzten Frequenz des Lokalradios übertragen wurde. Und so entstand ein Kult um den unbekannten Gitarren-Gott, der wöchentlich auf Sendung ging.

Was niemand der Zuhörer weiß, ist, dass sich hinter Doomboy der eigentlich stille Teenager D. verbirgt, dessen Gitarrenkünste bislang eher belächelt wurden. Mit dem örtlichen Großmaul arg verfeindet, hat D. beschlossen, lieber in Deckung zu bleiben, um Konfrontationen zu vermeiden. Am Strand jedoch lässt er sich komplett gehen und spielt seinen Metal-Sound hinaus. Jedoch nicht für die stetig steigenden Zuhörer, sondern für ein Mädchen. Nicht irgendein Mädchen. Für Anny. Anny ist plötzlich gestorben und hat ein tiefes Loch in D. hinterlassen. Eine Leere, die er nicht füllen kann. Er hätte ihr gerne noch so viel gesagt und der Gedanke, dass er sich nicht verabschieden konnte, schmerzt. So nutzt er die Sprache der Musik, seine ganz eigene Stimme, um mit ihr Kontakt aufzunehmen…

D.railed

Die Story für „Doomboy“ stammt vom mexikanischen Künstler Tony Sandoval. Für die vorliegende Graphic Novel adaptierte er seine eigene Kurzgeschichte, welche auf nur wenigen Seiten im Anhang enthalten ist. Sandoval machte erst 2021 mit dem skurrilen Fantasy-Drama „Wasserschlangen“ auf sich aufmerksam. Ein surreales Märchen in ungewohnter Optik, welches mit Horrorelementen gleichsam verstörend, philosophisch und wunderschön geriet. Um bestimmte Gefühle darzustellen, hat Sandoval sich auch für „Doomboy“ einiger phantastischer Elemente bedient. Inhaltlich ist die Story aber bodenständig und durchaus real. Als bewegende Mischung aus Coming-of-Age und rührender Liebesgeschichte, spricht die Graphic Novel vor allem denjenigen aus der Seele, die sich ausgegrenzt, schambehaftet und nicht verstanden fühlen. Ein kraftvolles Statement und gleichzeitig eine Metal-Huldigung.

Künstlerisch hat Tony Sandoval seinen ganz eigenen Stil. Wer sich schon bei „Wasserschlangen“ am eigenwilligen Charakterdesign störte, wird sich auch an „Doomboy“ reiben. Dünne Körper, übergroße Köpfe, weit auseinanderstehende Augen, entgleiste Gesichtszüge. Das ist nicht jedermanns Sache. Meine komischerweise schon, da Sandoval sich erst gar nicht an realistischen Zeichnungen versucht, sondern seine Art der Darstellung konsequent durchzieht. Und das macht er gut. Die Kolorierung ist in „Wasserschlangen“ allerdings deutlich aufwendiger geraten. Hier hält er sich in meist erdigen Aquarellen dezent zurück. So manche Splash-Page – zum Beispiel die Seiten 85, 100 und 111 – würde ich mir aber großformatig gerahmt an die Wand hängen. Wuchtig, aussagekräftig und einfach bombastisch.

Fazit:

„Wasserschlangen“ hat mich als Gesamtkunstwerk umgehauen. Und auch „Doomboy“ kann – mit kleinen Abstrichen – überzeugen. Eine wehmütige, unaufgeregte Story, die das Herz am rechten Fleck trägt. Eine Graphic Novel wie eine rockige Power-Ballade.

Doomboy

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