Vom All ins Outback
Kindheitserinnerungen
Die siebte Inkarnation des Doctors wurde vom schottischen Schauspieler Sylvester McCoy verkörpert, den man - außer in der Rolle des beliebten Timelords - vornehmlich aus Peter Jacksons „Hobbit“-Trilogie kennen dürfte, wo er den Vogelfreund Radagast spielte. In insgesamt drei Staffeln war McCoy als Zeitreisender vom Planeten Gallifrey zu sehen, bevor nach seinem Abgang eine sehr lange Pause für die Fans der britischen Kult-Serie folgen sollte. Die Staffeln 24 – 26 der langlebigen Sci-Fi-Oper wurden von Ende 1989 bis Sommer 1990 bei RTLplus zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt… allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Nach Staffel 26 zog die BBC den Stecker. Während der Wilderness Years - so wird die Zeit nach dem Ende der klassischen Serie genannt, bevor 2003 (in Deutschland 2005) Christopher Eccleston in der zeitlich zwar 27., für den Neustart jedoch wieder mit Season 1 betitelten Neuauflage, in die Haut des Doctors schlüpfte - entstand 1996 ein TV-Special in Spielfilmlänge, für das Sylvester McCoy seine Rolle erneut aufnahm, um den Staffelstab an einen potentiellen achten Doctor weiterzureichen und zeitgleich seiner Inkarnation einen würdigen Abschied zu bescheren.
Die siebte Inkarnation war auch mein erster Kontakt mit dem phantastischen „Doctor Who“-Universum, welches die Freunde von der Insel bereits seit 1963 begeistert. Die damals noch kürzeren Episoden, die in meist vier Teilen eine zusammenhängende Geschichte innerhalb einer Staffel erzählten, haben mein jüngeres Ich regelrecht weggeflasht. Bunt, überdreht, wahnwitzig und very british. Genau das richtige für einen damals Zehnjährigen, der sich zuvor noch bei „Die dreibeinigen Herrscher“ in die Hosen machte. Besonders blieben mir die vier „Paradise Towers“-Folgen, die bei uns den Titel „Der Fluch des Kroagnon“ trugen, aus der 24. Staffel im Gedächtnis, da ich diese als besonders gruselig empfand. Ende der 80er hatte ich allerdings nicht den Hauch einer Ahnung, wie groß und komplex das gesamte „Who“-Universum überhaupt ist. Im Laufe der Jahr(zehnt)e folgten noch unzählige Romane von BBC Books, zahlreiche Hörspiele, die offiziell Teil des Kanons sind und dem achten Doctor bedeutend mehr Aufmerksamkeit bescherten als der TV-Film von 1996, Crossover-Folgen, Feiertags-Specials und natürlich auch Comics. Da ich auch heute noch die Serie verfolge, die mittlerweile mit der großartigen Jodie Whittaker den ersten weiblichen Doctor in der dreizehnten Inkarnation (und nach neuer Nummerierung in der 11. Staffel) etablierte, freute ich mich vor dem Start der neuen Staffel im April 2020 auf ein Wiedersehen mit DEM Doctor, der den Stein bei mir ins Rollen brachte: Sylvester McCoy… und diesmal in gezeichneter Form.
Neues vom Alten
Im Jahr 2029 stößt die Besatzung des Klippers Jubilee Shout, der im Auftrag der europäischen Raumfahrtbehörde im Erdorbit Weltraumschrott beseitigt, auf etwas ungewöhnliches. Ein gigantisches Schiff unbekannter Herkunft treibt im All. Scheinbar unsichtbar für die Systeme der Jubilee Shout. Ein kurzes Schere-Stein-Papier-Spiel weiter, ist mit Pilotin Emily Sposato auch schon die Hälfte der Minimalbesatzung auf dem Sprung, das unbekannte Flugobjekt zu untersuchen. Die Eingangsschleuse ist mit seltsamen Zeichen, die auf eine fremde Sprache schließen lassen, verziert, öffnet sich jedoch nach intensiver Begutachtung. Im Inneren stößt Sposato auf das, was sie dort wohl am wenigsten erwartet hätte… einen Menschen. Der Fremde, gerade erst aus einem Tiefschlaf erwacht, stellt sich als Captain Gilmore vor, frisch aus dem Jahr…
1967
Hier entdecken Professor Rachel Jensen und ihre Kollegin Allison Williams uralte Wandmalereien in einem Höhlensystem in Südaustralien. Besonders die Abbildung eines ausbrechenden Vulkans, über dem ein fremdartiges Flugobjekt dargestellt ist, weckt die Aufmerksamkeit der beiden Forscherinnen. Im Auftrag von Captain Palmer werden sie am nächsten Tag in die südaustralische Wüste geflogen. Einem ehemaligen Testgelände, auf dem die Briten 1957 Atomwaffentests durchführten. Was Jensen und Williams bereits vom Helikopter aus erblicken, lässt für sie keinen Zweifel daran, dass hier ein gewisser Doctor vonnöten ist. Schnell wird der uns bereits bekannte Captain Gilmore, Offizier der Royal Air Force und Kommandant der Invasionsabwehrtruppe, in Oxford kontaktiert, der wiederum Mittel und Wege hat, den umtriebigen Timelord an Ort und Stelle zu beordern. Als dieser mit seiner Begleiterin Ace aufschlägt, macht man sich gemeinsam auf ins ferne Australien.
In der abgelegenen Basis der Maralinga-Erkundungseinheit treffen dann alle Parteien erstmals aufeinander. Der Doctor, Ace, Rachel Jensen, Allison Williams, Captain Palmer, Ian Gilmore, Lieutenant Delafield, Mr. Pendry, von der britischen Regierung, der Reporter Jimmy Benforado und der australische Ureinwohner und Cambridge-Absolvent Daku Darana. Schon auf dem Weg zum Testgelände erblickt der Doctor den Grund seines Daseins: Im Krater liegt ein gigantisches, verschüttetes Raumschiff.
Anstatt an einem Strang zu ziehen, stellt sich aber schon bald heraus, dass hier gleich mehrere Mitglieder der Zweckgemeinschaft eigene Ziele verfolgen. Es dauert nicht lange, bis die ersten Übergriffe passieren und das Misstrauen untereinander wächst…
Potpourri der Inkarnationen (und Stile)
Für die Hauptstory „Tanz auf dem Vulkan“ sind keine geringeren als Andrew Cartmel und - als ausführender Produzent - Ben Aaronovitch („Die Flüsse von London“-Reihe) verantwortlich, der auch die hier auftretenden „Counter-Measures“-Charaktere erschuf. Für die 25. Staffel heuerte der damalige Script-Supervisor Cartmel den zu diesem Zeitpunkt erst 25jährigen Newcomer Aaronovitch an, um die Jubiläumsstaffel der TV-Serie direkt mit einem Highlight zu starten. Der vierteilige Staffelstart „Die Hand des Omega“ (OT: „Remembrance Of The Daleks“) wartete dann auch gleich mit den Erzfeinden des Doctors auf. Die Macher mit Serien-Erfahrung beweisen mit „Tanz auf dem Vulkan“, dass sie all das, was die Fans an „Doctor Who“ lieben, auch in Comic-Form pressen können. Die Zeichnungen von Christopher Jones sind dabei sehr clean und man kann jederzeit die TV-Pendants deutlich erkennen. Dicke Outlines und die kräftige Kolorierung erinnern uns aber immer wieder daran, dass wir hier einen Comic vor der Nase haben.
Die zweite, deutlich kürzere Geschichte „Ein Hügel Bohnen“ nimmt Bezug auf den Vierteiler „Die Todesmanege auf Segonax“ (OT: „The Greatest Show In The Galaxy“), die die 25. Staffel 1989 (fürs deutsche Publikum ein Jahr später) beendete. Hier gibt es auch ein Wiedersehen mit Mags, einer Werwölfin vom Planeten Vulpana. Für diesen Kurztrip ist der Autor Richard Dinnick verantwortlich, während Jessica Martin das Artwork verbrochen hat, welches als alles durchgeht… nur nicht als gelungen.
Christopher Jones durfte dann für „Das Armageddon-Spiel“ noch mal kurz zum Pinsel greifen. Die Mini-Story von John Freeman hat jedoch kaum angefangen, da ist sie auch schon wieder vorbei. Also nur eine kleine Stippvisite von Ace und dem Doctor.
Ganz ohne Farbe kommt die letzte Geschichte des Bandes aus, da sich diese um den allersten Doctor dreht, der ja im TV bekanntlich auch in Schwarz/Weiß unterwegs war. „Zwischen den Zeiten“ von Paul Cornell und Zeichner John Stokes ist ein nettes (wenn auch kurzes) Wiedersehen mit der ersten Inkarnation und seinen Companions… und damit ein würdiger Abschluss.
Fazit:
Neben den Bänden der „Doktoren“ 10 - 13 ist nun auch Sylvester McCoys Inkarnation als Comic bei Panini vertreten. Das toll aufgemachte Softcover mit Klappen kommt mit Spotlack-Motiv des Doctors auf der Front und vergisst im Innenteil auch nicht die Cover-Abbildungen der US-Ausgaben. Eine überaus gelungene Hauptstory, abgerundet durch kürzere Erzählungen, die Fans auf keinen Fall enttäuschen werden.
Ben Aaronovitch, Andrew Cartmel, John Freeman, Richard Dinnick, Paul Cornell, Christopher Jones, John Stokes, Jessica Martin, Panini
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